# taz.de -- 80 Jahre D-Day: Weltkriegs-Sightseeing ohne Putin | |
> Die Schauplätze des D-Days sind zu Tourispots geworden. Am Gedenktag | |
> zeigt sich, dass die Alliierten von gestern nicht die Verbündeten von | |
> heute sind. | |
Bild: Picknick zwischen Bunkern: So genannte Reenactors machen bei Sainte-Marie… | |
PARIS taz | Für die Normandie scheint es wie gestern zu sein. [1][80 Jahre | |
nach dem 6. Juni 1944], als die alliierten Truppen an den Stränden der | |
Normandie landeten, wird der runde Jahrestag mit zahlreichen Ausstellungen, | |
Konzerten, Konferenzen, kulturellen, sportlichen und militärischen Shows | |
zelebriert. Fans von Soldatenuniformen und Ausrüstungen nutzen die | |
Gelegenheit, als GI verkleidet im Jeep vorzufahren und in Museen vor dem | |
Transportmaterial der Landungstruppen zu posieren. | |
Der französische Präsident Emmanuel Macron gedachte am Mittwoch zu Beginn | |
der dreitägigen Feierlichkeiten in Plumelec in der Bretagne den | |
bretonischen Widerstandskämpfern und französischen Fallschirmjägern im | |
Verband der britischen Spezialeinheit SAS, die in der Nacht vom 5. auf den | |
6. Juni 1944 den Militäreinsatz „Overlord“ einleiteten. | |
Längst ist auch Deutschland, der ehemalige Feind, an die Festtafel geladen. | |
Gerhard Schröder war der erste deutsche Regierungschef, der vor zwanzig | |
Jahren dabei sein durfte: eine symbolische Geste des damaligen Präsidenten | |
Jacques Chirac. [2][Seine Amtsnachfolgerin Merkel traf vor zehn Jahren in | |
der Normandie noch auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin], der wenige | |
Monate zuvor die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hatte. | |
Doch die Alliierten von gestern sind nicht die Verbündeten von heute. | |
Russlands Präsident Putin ist 2024 Persona non-grata. Quasi an seiner | |
Stelle lud der französische Präsident Emmanuel Macron als Gastgeber den | |
ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenski in die Normandie, wo er bei der | |
internationalen Gedenkfeier am Donnerstagnachmittag in Omaha Beach unter | |
anderem Olaf Scholz, [3][König Charles III.] und Joe Biden treffen wird. | |
Der US-Präsident verbindet das D-Day-Gedenken mit seinem ersten | |
Staatsbesuch in Frankreich. | |
## Der älteste Veteranen-Teilnehmer ist 107 Jahre alt | |
Politisch ist das jeweilige Jubiläum immer ein Anlass, den Willen zur | |
Zusammenarbeit unter den alliierten Siegermächten zu feiern. Beteuert wird | |
das nicht nur in diversen Ansprachen, sondern unter anderem auch mit einer | |
Ehrung der Truppen und einer Luftshow. Zumindest nicht mehr aktiv an der | |
Flugeinlage teilnehmen werden die 200 Veteranen aus Großbritannien, den USA | |
und Kanada, die zwischen 99 und 107 Jahre alt sind. Dabei sein auf den | |
Landungsstränden mit den Namen Omaha Beach, Utah, Gold, Juno und Sword | |
wollten sie trotz ihres hohen Alters trotzdem. Auf französischer Seite | |
verstarb im vergangenen Jahr im Alter von 100 Jahren der als Nationalheld | |
geehrte Franzose Léon Gautier als Letzter von 177 Marinesoldaten der | |
„France libre“, die beim Auftakt zur Befreiung der Normandie und des | |
restlichen Frankreichs noch beteiligt waren. | |
In Großbritannien begann das Jubiläum am Mittwoch mit einer Gedenkfeier in | |
Portsmouth, an der König Charles III. und Premierminister Rishi Sunak | |
teilnahmen. Der südenglische Hafen war einer der Ausgangsorte für den | |
Angriff am 6. Juni 1944. Immer stellt sich für die Organisatoren dabei auch | |
die Frage, was die Feier des militärischen Heldentums von einst zur | |
Förderung des Friedens von heute beitragen kann. Die Soldatenfriedhöfe in | |
der Normandie, gleich hinter den Stränden, die im Juni 1944 zu | |
Schlachtfeldern wurden, führen der Nachwelt die hohe Zahl der Opfer dieser | |
historischen Schlacht drastisch vor Augen. | |
Im französischen Fernsehen wurde zur Einstimmung zum vielleicht hundertsten | |
Mal der Film „Der längste Tag“ gezeigt. Längst überlagert solche | |
Kriegsverherrlichung mit ihren fiktiven Elementen für das breite Publikum | |
die historisch überlieferten Fakten. In diesem Jahr wurde am Mittwoch mit | |
schlichten Zeremonien erstmals auch der zivilen Opfer gedacht, die im | |
Schwarzweiß-Kriegsepos mit John Wayne und Henry Fonda nur als Statisten | |
vorkommen. Die Stadt Saint-Lô, auf einer Halbinsel gelegen, wurde nach der | |
erfolgreichen Landung durch alliierte Bombardements weitgehend zerstört, | |
rund 3.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Im Gefängnis Caen erschossen die | |
nazideutschen Besetzer vor ihrem Abzug noch 80 Mitglieder der französischen | |
Widerstandsbewegung, die dort in Haft saßen. | |
Noch leben einige der Senioren, die diese dramatischen Tage in ihrer | |
Kindheit oder Jugend erlebt haben. Ihre Erinnerung kontrastiert mit den | |
karnevalesken Szenen in Saint-Mère-Eglise, wo sich Touristen vor | |
ausrangierten Panzern und Jeeps in GI-Kleidern fotografieren. Die | |
Landungspunkte von 1944 sind für die Normandie längst zu Touristenspots | |
geworden. | |
6 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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