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# taz.de -- Botschaften auf Wahlplakaten: Nicht mehr als ein bisschen Frieden
> Das Thema Frieden bewegt die Deutschen vor der Europawahl. Kaum eine
> Partei kommt in ihrer Wahlwerbung ohne den Begriff aus – eine Stilkritik.
Bild: Frieden wollen alle, aber welchen?
Laut [1][ARD-DeutschlandTrend] steht der Frieden ganz oben auf der
Prioritätenliste der Wähler:innen. Bei den Anhänger:innen der Union
wie auch bei den Fans des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Für den Frieden
sind sie irgendwie alle.
„KRIEG oder FRIEDEN? Sie haben JETZT die Wahl!“, plakatiert Wagenknechts
BSW. Wenn es doch nur so einfach wäre! Bis auf die CDU sind alle relevanten
Parteien auf ihren Wahlplakaten für den Frieden. Da fällt die Wahl schwer.
Zumal sie auf Hinweise verzichten, was sie damit genau meinen. Es geht mehr
ums Gefühl. So wie einst Nicole mit ihrem Grand-Prix-Hit „Ein bisschen
Frieden“.
Die SPD will „FRIEDEN SICHERN“, die CSU verkündet: „FÜR EIN EUROPA, DAS
FRIEDEN SICHERT“. Da kann man schon durcheinander kommen. Bei der AfD steht
„FRIEDEN SCHÜTZEN!“, bei den Grünen heißt es: „WERTE VERTEIDIGEN. FRIE…
SCHÜTZEN“. Der Unterschied besteht also aus zwei vorweg gestellten Wörtern
– die ebenfalls nur Allgemeinplätze sind, solange nicht erklärt wird,
welche Werte denn verteidigt werden sollen. Da soll es ja unterschiedliche
Vorstellungen geben.
Vor der „Zeitenwende“ war die Welt übersichtlicher. Früher plakatierten d…
Grünen noch: „FRIEDEN ERNSTNEHMEN – JETZT ABRÜSTEN“. Heute sind sie in
einer ganz großen Koalition von der SPD über die Union bis hin zur AfD
vereint in der Überzeugung, dass Deutschland massiv aufrüsten müsse. „JETZT
AUFRÜSTEN“ wäre eine klare Ansage. Ob die Werbeagentur abgeraten hat?
Die FDP hebt sich davon ab. Was immer man ihr vorwerfen kann: fehlende
Ehrlichkeit ist es nicht. Gleich eine ganze Raketenbatterie an
Mobilmachungsplakaten schießt sie in diesem Wahlkampf ab. Die FDP
präsentiert ihre Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus der
Rheinmetall-Stadt Düsseldorf als „Eurofighterin“ – und als „Oma Courag…
Letzteres hätte Bertolt Brecht mit Blick auf seine „Mutter Courage“
sicherlich ganz passend gefunden. Der zentrale freidemokratische Slogan:
„Frieden braucht Verteidigung“.
Der Verzicht auf GROSSSCHRIFT ist das Einzige, was [2][die FDP] mit einer
anderen ums politische Überleben kämpfenden Truppe verbindet: der
Linkspartei. Die zeigt sich in ihrem Wahlkampf unverdrossen klassisch
friedensbewegt. Der Slogan auf den Plakaten: „In Frieden investieren, nicht
in Waffen!“ Tatsächlich: eine konkrete Forderung! Damit hat die Linkspartei
in diesem Wahlkampf ein Alleinstellungsmerkmal.
Das Alleinstellungsmerkmal der CDU ist, dass sie kein eigenes
Friedensplakat hat. Dabei hätte sie eigentlich nur ihren Slogan aus dem
EU-Wahlkampf von 2019 recyclen müssen: „Frieden ist nicht
selbstverständlich“, stand darauf. Würde heute noch besser passen.
## SPD
Der Slogan „Frieden sichern“ ist ziemlich catchy Es adressiert
Willy-Brandt-Fans (Frieden) und Helmut Schmidt-Fans (Sicherheit), bzw.
Mützenich und Pistorius.
B-Note: weniger catchy. Vor dem roten Hintergrund strahlen Olaf Scholz und
Katarina Barley auf den Großplakaten die gezwungene Heiterkeit eines Paares
aus, das vom Scheidungsanwalt kommt.
## BSW
Der Slogan „Krieg oder Frieden?“ ist Komplexitätsreduktion mit dem
Vorschlaghammer. Auf die Frage schön oder hässlich, klug oder dumm, reich
oder arm, ist man ja aus Trotz geneigt, zu antworten: Ich wäre gern
hässlich, dumm und arm. Außerdem hat diese Suggestion ein Hauch von Orwell.
Krieg ist Frieden. Liebe ist Hass. Putin ist das Opfer des Westens.
B-Note: [3][Wagenknecht lächelt auf allen Plakaten gleich], und wirkt
unnahbar. Sie ist der einzige deutsche Politpopstar. Popstars wirken immer
nah und unnahbar zugleich.
## Grüne
Soll der Slogan „Werte verteidigen. Frieden schützen“ heißen: Unsere
westliche Werte werden in der Ukraine verteidigt? Ist da nicht gerade
Krieg? [4][Alles etwas rätselhaft].
B-Note: Zwei Frauen. Jung, eventuell queer. Eine PoC. Da fehlt nur noch das
Lastenfahrrad. Könnte ohne EU-Fahne auch Werbung für Urlaub im Taunus sein.
## AfD
„Frieden schützen!“- Vor wem? Vor welchem Feind? Putin? Sicher nicht.
Vielleicht Toni Hofreiter? Oder Taubenjäger? Das Ausrufezeichen wirkt wie:
Wir wissen nicht, was wir sagen wollen, das aber sehr.
B-Note: Eine Friedenstaube, originell. Könnte ein Grünen-Plakat aus den
80ern sein. Der Slogan ist ja auch halbgrün.
## FDP
Der Slogan „Frieden braucht Verteidigung“ folgt einem klassischen Vorbild:
Si vis pacem para bellum. Der markige Punkt will sagen: Wir meinen es
ernst.
B-Note: Schwarz-weiß, dezent ergänzt um etwas Magenta. Wirkt hart,
entschlossen. Strack-Zimmermann lässt den Blick in die Ferne schweifen.
Rollen schon russische Panzer heran?
## Linkspartei
Der Slogan ist der längste, sechs Worte. Adressiert also Akademiker:innen.
Wobei die Parole in ihrer zeitlosen Schönheit schon einen gewissen
Linkspopulismusappeal hat.
B-Note: Statt der üblichen Friedenstauben oder Peacezeichen eine am Lauf
verknotete Pistole vor rot-lila Hintergrund zu präsentieren, ist mal was
Neues. Das Zitat der Bronzeskulptur Carl Fredrik Reuterswärds vor dem
UN-Hauptsitz in New York wirkt emblematisch klar, wenn auch etwas kühl.
6 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend
[2] /Christian-Lindner-zur-Finanzpolitik/!6011461
[3] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht-vor-der-Wahl/!6013758
[4] /Gruene-vor-der-EU-Wahl/!6014243
## AUTOREN
Pascal Beucker
Stefan Reinecke
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Kevin Kühnert
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