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# taz.de -- Politikerin über EU-Verteidigungspolitik: „Wir müssen klar reag…
> Die deutsch-französische Politikerin Sabine Thillaye sieht eine
> verstärkte militärische Zusammenarbeit in der EU zukünftig als
> unvermeidlich an.
Bild: Französische Fallschirmjäger bei der Nato-Übung „Frühlingssturm“ …
taz: Frau Thillaye, der französische Präsident Emmanuel Macron möchte, dass
Europa mit Blick auf die Verteidigung selbstständiger wird. In Deutschland
hat man auf seine Vorschläge eher zurückhaltend reagiert. Stockt der
europäische Motor, also das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich?
Sabine Thillaye: Die deutsch-französischen Beziehungen waren nie einfach,
Differenzen gab es immer. Es gibt jedoch neue und größere Herausforderungen
zu bewältigen, gerade im Verteidigungsbereich. Es geht auch nicht nur
darum, den anderen überzeugen zu wollen. Wichtig ist es, dass wir uns
ergänzen.
Russlands Krieg gegen die Ukraine ist ein Wendepunkt. Stoßen jetzt die
unterschiedlichen Haltungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
zusammen?
Die Bundeswehr war lange vorwiegend im Inneren tätig, während die
französische Armee oft im Ausland eingesetzt wurde. Das sind sehr
unterschiedliche Voraussetzungen. Als Macron in seiner ersten Grundsatzrede
an der Sorbonne 2017 eine stärkere gemeinsame Verteidigungspolitik forderte
und von „europäischer Souveränität“ und „strategischer Autonomie“ sp…
stieß er damit außerhalb Frankreichs zunächst auf Unverständnis. Heute sind
seine Formulierungen in den Sprachgebrauch eingegangen.
Mit [1][einer drohenden Wiederwahl Donald Trumps] müsste Deutschland
stärker auf eine europäische Sicherheitsstrategie setzen. Frankreich
wiederum hat als eigenständige Atommacht immer eine gewisse Distanz zur
Nato gewahrt, sucht aufgrund der Bedrohung durch Russland nun eine größere
Nähe.
Frankreich braucht die Nato und möchte den europäische Pfeiler dieser
Allianz gestärkt sehen. Das bedeutet mehr Zusammenarbeit: Wir können es uns
nicht leisten, 172 verschiedene Waffensysteme, 17 verschiedene Hubschrauber
und 20 verschiedene Flugzeugmodelle oder Fregatten zu haben. Das kostet
auch unheimlich viel Geld, da könnte man viel einsparen. Unsere Industrien
müssen nicht nur konkurrenzfähig sein, sondern unseren Bedürfnissen
entsprechen. Es hat mich deshalb gefreut, dass die deutschen und
französischen Verteidigungsminister, Pistorius und Lecornu, angekündigt
haben, die Entwicklung des Kampfpanzers MGCS voranzutreiben. Der Vertrag
soll bis Ende des Jahres unterschrieben werden. Da wird zum ersten Mal
gesagt: Wir richten uns nicht nach der Industrie, sondern nach den
Bedürfnissen unserer Armee. Die Inspekteure der beiden Heere hatten sich
zusammengesetzt und gefragt: Was brauchen wir eigentlich? Das ist ein
riesiger Fortschritt.
Ist die militärische Aufrüstung die einzige Antwort auf neue
Bedrohungsszenarien?
Wir müssen insgesamt mehr zusammenarbeiten. Wenn man die Truppenbestände
der 27 EU-Staaten zusammenrechnet, verfügen wir ja über fast so viele
Soldaten wie die USA. Nur sind wir nicht so effizient, weil es bisher zu
wenig Zusammenarbeit gab. Wir brauchen gemeinsame Standards,
Kommunikations- und Informationssysteme. Da braucht es viele ganz konkrete
Schritte.
[2][Nach Frankreich und den USA will nun auch die deutsche Regierung der
Ukraine erlauben, gelieferte Raketen gegen Ziele auf russischem Territorium
einzusetzen.] Begrüßen Sie das?
Im Fall von Putin haben wir es mit jemandem zu tun, der keine
internationale Regeln mehr respektiert. Das stellt uns vor riesige
Herausforderungen. Unser Europa gründet auf dem Recht, wir müssen die
Diplomatie ernst nehmen. Aber dafür braucht sie eine gewisse Stärke im
Rücken. Wir müssen klar reagieren, um ernst genommen zu werden. Aber
einfach ist das nicht. Ich glaube, wir wünschten uns alle etwas anderes.
Seit 1989 gibt es eine Deutsch-Französische Brigade. Bisher war sie mehr
ein Symbol, nun soll sie vermehrt in die Nato-Einsatzpläne integriert
werden. Könnte sie an der Grenze zur Ukraine eingesetzt werden?
Die Brigade hat bereits gezeigt, dass sie einsatzfähig ist. In beiden
Ländern gibt es je eine Arbeitsgruppe, die ihre Einsatzpläne anpasst. Ich
weiß aber bisher nicht, ob vorgesehen ist, sie im Osten Europas
einzusetzen.
Präsident Macron hat einmal erklärt, [3][im Zweifel sogar Bodentruppen in
die Ukraine zu entsenden.] Könnte er da an diese Brigade gedacht haben?
Nein, so habe ich das nicht verstanden. Diese Interpretation halte ich für
übertrieben. Ich kann dazu nur als Abgeordnete sprechen, ich bin kein
Mitglied der Regierung. Aber Macron geht es primär um eine Zusammenarbeit
bei der Ausbildung, um den Austausch von Expertise.
Wo soll das Geld für die militärische Aufrüstung herkommen? In Deutschland
gibt es dafür das Sondervermögen. Geht das in Frankreich über eine
Umverteilung im Staatshaushalt?
Wir haben ja in Frankreich einen mehrjährigen gesetzlichen Finanzrahmen für
Militärausgaben, die Loi de programmation militaire“. Über mehrere Jahre
sind dafür 433 Milliarden Euro vorgesehen. Aber in der Europäischen Union
muss sich mehr tun. Wir haben bereits einen Verteidigungsfonds, aber der
müsste wohl aufgestockt werden. Die EU braucht mehr Mittel und müsste sich
mehr engagieren. Und wir müssen auch schauen, ob unsere Industrien
bevorzugt werden können. Hier bleibt noch viel zu tun. Wir müssen uns
stärker ergänzen, statt jeder für sich zu handeln. Das ist etwas Neues,
weil die Verteidigung bisher zu den Kernaufgaben eines jeden
Mitgliedstaates gehört.
6 Jun 2024
## LINKS
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[2] /Westliche-Waffen-auf-Russland/!6013754
[3] /Bodentruppen-fuer-die-Ukraine/!5993209
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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