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# taz.de -- Rüstungsstrategie der Bundesregierung: Mehr Markt oder mehr Staat
> Im September will die Regierung eine neue Verteidigungsstrategie
> beschließen. Über das Ziel ist sich die Ampel einig, aber nicht über das
> Wie.
Bild: Marineschiff in der Warnowwerft Rostock-Warnemünde
Berlin taz | Deutschland muss angesichts der aktuellen Bedrohungslage
schnellstmöglich wehrhaft werden. Das könnte in der neuen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie-Strategie (SVI) stehen, die die Bundesregierung im
September im Kabinett beraten will, und so steht es im Entwurf, der
mittlerweile [1][bei politico geleakt] ist.
Jedenfalls, wenn der Abstimmungsprozess zwischen den Ministerien
Wirtschaft, Verteidigung, Finanzen und Außenamt beendet ist. Denn es gibt
einige Unstimmigkeiten, wie die Rüstungsproduktion effizienter werden kann.
Dabei geht es nicht zuletzt darum, die Ukraine militärisch auch weiterhin
zu unterstützen – von einem „sprunghaft gestiegen Bedarf“ spricht der
Entwurf.
Auch die Regierungsfraktionen machen Druck. Im Juni legte die
[2][FDP-Bundestagsfraktion ein Positionspapier] vor, im Juli zog die
SPD-Bundestagsfraktion mit einem [3][10-Punkte-Papier] nach. Im Ziel
gleich, sind die Ansätze durchaus unterschiedlich. Die Liberalen denken vor
allem daran, die Industrie etwa durch besseren Zugang zu Krediten,
vereinfachte Genehmigungen, Exporterleichterungen und bessere
Rohstoffversorgung zu unterstützen.
Einen anderen Ton schlägt die SPD an: Leitend dürften „nicht
Marktmechanismen sein, sondern Sicherheitsinteressen, Werte und Normen.“
Gefordert wird eine „kooperative Steuerung der Industriepolitik“, Schutz
von Schlüsseltechnologien und staatliche Beteiligungen an Rüstungsfirmen.
## Industrie für Zugang zu Krediten
Die deutsche Industrie begrüßt eine neue Rüstungsstrategie generell als
„überfälligen Schritt“. „Wir hoffen, dass das neue Strategiepapier zu e…
wirklichen [4][Stärkung unserer Branche] in Deutschland führen wird“, sagt
Hans C. Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).
Vor allem brauche es aber „ein Signal in Richtung eines stetigen Aufwuchses
des Verteidigungsetats“. Das sei wichtig, „damit die Unternehmen nach vorne
gerichtet einen Business Case sehen, um weitere Kapazitäten aufzubauen“.
Wenn das Sondervermögen der Bundeswehr aufgebraucht sei, drohe eine
„Lücke“. „Ohne Aussicht auf entsprechende Aufträge wird niemand in neue
Anlagen zur Rüstungsherstellung investieren.“
Ums Geld geht es auch beim Erhalt von Schlüsseltechnologien. Dass für
Deutschland bestimmte Bereiche – der Entwurf nennt etwa Marineschiffbau,
gepanzerte Fahrzeuge, Sensorik – essenziell sind, ist bei Regierung und
Industrie unstrittig. „Schlüsseltechnologien aus Souveränitätsgründen
vorzuhalten, bedeutet für die betroffenen Unternehmen immer auch
Verpflichtung und Belastung“, sagt allerdings Atzpodien.
Deshalb brauche es auch hier „eine entsprechende Förderung“, er denkt an
Forschungsgelder, aber auch Hilfen beim Rüstungsexport. Die Industrie
drängt zudem auf leichteren Zugang zu Krediten und forderte schnellere
Baugenehmigungen: nämlich so wie beim Bau von LNG-Terminals oder
Wasserstoffanlagen.
## Forscher warnen vor Aufweichung von Kontrollregeln
Bei [5][Rüstungsexporten] wünscht sich die Industrie „vergleichbare
Wettbewerbsbedingungen“ und „gemeinsame Maßstäbe“ bei europäischen
Rüstungskooperationen, so Atzpodien – was nichts anderes heißt, als dass
etwaige [6][strengere Rüstungsexportbeschränkungen] wegmüssen. Deutschland
solle sich nicht „durch eine noch restriktivere Politik ins Abseits
stellen“, das gefährde europäische Rüstungskooperationen mit Partnern wie
Frankreich und Großbritannien, warnt er.
Simone Wisotzki vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung
(PRIF) warnt dagegen, dass jetzt Rüstungskontrollregeln aufgeweicht werden,
um die europäische Rüstungsproduktion anzukurbeln. „Es darf nicht in
problematische Drittländer exportiert werden.“ Vom
Rüstungsexportkontrollgesetz sei im Strategieentwurf gar keine Rede, obwohl
die Ampel das in ihrem Koalitionsvertrag versprochen habe. „Das beunruhigt
uns sehr“, sagt die Rüstungskontrollexpertin und mahnt mit Blick auf die
ablaufende Regierungszeit: „Da rennt die Zeit davon“.
Aufgeweicht werden könnten die Zivilklauseln, die militärische Forschung an
Hochschulen untersagen. Laut Entwurf will die Bundesregierung mit den
Hochschulen zumindest darüber reden. Eine Diskussion hält auch Ulrich Kühn
vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der
Universität Hamburg (IFSH) für nötig. Es müsse aber den einzelnen
Hochschulen überlassen bleiben, darüber zu entscheiden, warnt er.
Keinesfalls dürfte etwa indirekt mit der Streichung von Forschungsgeldern
gedroht werden. „Wir brauchen einen breiten Dialog, was dafür spricht und
was dagegen.“
## Entwurf sieht Möglichkeit für Staatsbeteiligung vor
Am Geld könnte schließlich ein weiterer Punkt scheitern: mehr staatliche
Beteiligung an Rüstungsfirmen, im Entwurf als Möglichkeit vorgesehen. Die
gibt es schon etwa beim Radarhersteller Hensoldt, wo der Bund seit 2020
eine Sperrminorität von 25,1 Prozent hat. Einerseits ist die Industrie
generell skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen.
Andererseits könnte der Staat Unternehmen besser unterstützen, an denen er
beteiligt ist, etwa durch Forschungsförderung und Unterstützung beim
Rüstungsexport, sagt Atzpodien. Dann könne man „darüber sicherlich auch in
einem positiven Licht diskutieren.“
Der Finanzminister dürfte dennoch skeptisch sein: Denn staatliche
Beteiligungen an Aktiengesellschaften mit einem Börsenwert in
Milliardenhöhe wären extrem teuer. Angesprochen auf die Regierungspläne,
zeigte sich Armin Papperger, Chef von Rheinmetall mit einer
Marktkapitalisierung von 20,9 Milliarden Euro, jedenfalls offen dafür, dass
der Staat Aktienanteile seiner Rüstungsschmiede erwirbt: „Das ist bestimmt
stabilisierend für den Kurs“.
3 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2024/08/12/Entwurf_Strategie-Sta…
[2] https://www.fdpbt.de/beschluss/positionspapier-fdp-fraktion-staerkung-siche…
[3] https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/position-staerkung-sicher…
[4] /Panzerzulieferer-Renk-geht-an-die-Boerse/!5991063
[5] /Neuer-Hoechststand-bei-Ruestungsexporten/!5981658
[6] /Studie-ueber-deutsche-Ruestungsexporte/!5998391
## AUTOREN
Dirk Eckert
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