# taz.de -- Präsident des VS wird entlassen: Konsequenz aus dem Aktenschreddern | |
> Heinz Fromm wird als Präsident des Verfassungschutzes auf eigenen Wunsch | |
> entlassen. Politiker aller Parteien fordern jedoch, das System VS weiter | |
> grundsätzlich zu überprüfen. | |
Bild: Koffer packen: Heinz Fromm will nicht mehr Verfassungsschutz-Chef sein. | |
BERLIN taz | Es ist die erste personelle Konsequenz aus dem | |
Behördenversagen beim rechten Terror: Der Präsident des Bundesamtes für | |
Verfassungsschutz, Heinz Fromm, gibt sein Amt auf. Er wird auf eigenen | |
Wunsch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zum 31. Juli in | |
den vorgezogenen Ruhestand versetzt. Fromm stand 12 Jahre an der Spitze des | |
Inlandsgeheimdienstes. „Ich respektiere die persönliche Entscheidung von | |
Herrn Präsident Fromm“, erklärte Friedrich am Montag in Berlin und betonte: | |
Fromms persönliche Integrität stehe außer Zweifel. | |
Das Verfassungsschutzamt habe in seiner Amtszeit auch „erhebliche Erfolge | |
für die Sicherheit in diesem Land“ erreicht. Seitdem vergangene Woche | |
bekannt wurde, dass der Verfassungsschutz kurz nach Auffliegen des | |
Terrortrios NSU im November 2011 wichtige Akten vernichtete, geriet der | |
63-jährige Fromm in heftige Kritik. Jetzt zog er die Konsequenzen. | |
Der bisherige Vize-Präsident Alexander Eisvogel wird das Amt zunächst | |
kommissarisch leiten, wie die taz aus Sicherheitskreisen erfuhr. Ob der | |
46-Jährige den Posten längerfristig übernimmt, ist unklar. Es könne auch | |
sein, dass die Regierung einen personellen Neuanfang an der Spitzes des | |
Bundesverfassungsschutzes anstrebt, heißt es. | |
Die Entscheidung Fromms erntete Respekt, zugleich machten Vertreter der | |
Opposition, aber auch Koalitionspolitiker deutlich: Mit dem Rücktritt | |
allein sei es nicht getan. Die Behörde müsse nicht nur die Schredderaktion | |
aufklären, sondern grundsätzlich die Frage klären: Wie konnte es passieren, | |
dass die NSU-Mitglieder jahrelang unerkannt durch Deutschland zogen, um | |
Migranten zu ermorden? Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der | |
SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann lobte Fromm als „zuverlässigen | |
Mahner und Kämpfer gegen den Rechtsextremismus“. | |
## Nur ein Bauernopfer? | |
Auch beim Kampf gegen den islamistischen Terror habe er sich große | |
Verdienste erwiesen. Die Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen, reiche | |
aber nicht aus: „Das System Verfassungsschutz gehört grundsätzlich auf den | |
Prüfstand.“ In die selbe Richtung sprach sich auch Parlamentarische | |
Geschäftsführer der Grünen Volker Beck aus: „Der Skandal ist mit einem | |
Bauernopfer nicht zu erledigen", sagte er. | |
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bemängelte, dass | |
noch nicht klar sei, wie die Strukturen der Sicherheitsbehörden so | |
überarbeitet werden, „dass die jetzt schon zutage getretenen gravierenden | |
Fehler in Zukunft vermieden werden können“. „Die Fragen und Probleme | |
bleiben“, sagte Petra Pau, Obfrau der Linksfraktion im | |
NSU-Untersuchungsausschuss. Clemens Binninger, Obmann der CDU im | |
Untersuchungsausschuss, sagte der taz: „Die Untersuchungsarbeit wird mit | |
unverminderter Geschwindigkeit fortgesetzt.“ Es sei aber zu früh, konkrete | |
Konsequenzen zu fordern. Der Fall zeige aber schon, dass die „föderale | |
Sicherheitsstruktur an ihre Grenzen gelangt“. | |
Die SPD nimmt den scheidenden obersten Verfassungsschützer, der selbst | |
Mitglied der Partei ist, ein Stück weit in Schutz. Schließlich habe er sich | |
gegen die Zusammenlegung der Abteilungen Rechts- und Linksextremismus | |
gewehrt, betonte die Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss Eva Högl. Die | |
Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, hofft, dass der | |
Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten nun eine „gewisse | |
Vorbildswirkung“ auch für die Landesverfassungschutzämter habe. | |
Die Behörden müssten lernen, dass es Folgen hat, wenn die Bekämpfung des | |
Rechtsextremismus nicht ernst genommen wird, sagte Kahane der taz. Mit | |
Spannung wird nun der wohl wichtigste Termin in den letzten Wochen von | |
Fromms Amtszeit erwartet: Am Donnerstag tritt er als Zeuge vor dem | |
Bundestags-Untersuchungsausschuss auf und muss erklären, wie seine Behörde | |
die Mordtaten der Terrorzelle NSU nicht erkannte. | |
2 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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