# taz.de -- Affäre um geschredderte Akten: Im Sog des Rücktritts | |
> Auch in Thüringen muss der Chef des Verfassungsschutzes gehen. In Berlin | |
> sichtet der NSU-Ausschuss die von einer Löschaktion verschonten Akten zur | |
> „Operation Rennsteig“. | |
Bild: Verfassungsschützer im Ruhestand: Thomas Sippel und Heinz Fromm. | |
BERLIN taz | Am Dienstag nach der Kabinettssitzung hielt Thüringens | |
Innenminister Jörg Geibert (CDU) noch an Verfassungsschutzpräsident Thomas | |
Sippel fest. Der Minister mache seine Entscheidungen nicht von Stimmungen | |
abhängig, sagte ein Regierungssprecher. | |
Nach einem Gespräch mit Sippel wenige Stunden darauf trug Geibert dann doch | |
der Stimmungslage Rechnung und versetzte den Geheimdienstchef, der zwölf | |
Jahre im Amt war, in den einstweiligen Ruhestand. Begründung: „Der | |
Verfassungsschutzpräsident hat nicht mehr das Vertrauen des Parlaments.“ | |
Sippel geriet nicht nur in den Sog des Rücktritts von Heinz Fromm als | |
Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Schon länger stand er in | |
der Kritik, weil er zur massiven Spitzelanwerbung in der Neonaziszene im | |
Rahmen der „Operation Rennsteig“ von 1996 bis 2003, die das Bundesamt und | |
sein Landesamt gemeinsam durchgeführt hatten, wenig erklären konnte. Ein | |
Teil jener Akten landete im Reißwolf. | |
Vor dem Bekanntwerden der Verbrechen des NSU im November hatte Sippel noch | |
als unauffällig und stabilisierend im Vergleich zu den „operettenhaften | |
Zuständen“ im Thüringer Verfassungsschutz der 90er gegolten. Die Thüringer | |
Grünen sprachen von einem „überfälligen Schritt“. Martina Renner, | |
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Erfurter Landtag, sieht mit | |
dem Rücktritt die „grundsätzlichen Probleme der Geheimdienste“ nicht | |
gelöst. | |
## Abgeordnete pilgern zum Verfassungsschutz | |
Sie erneuerte die Forderung ihrer Fraktion, den Verfassungsschutz | |
aufzulösen und in eine Informations- und Dokumentationsstelle umzuwandeln. | |
So weit geht der SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Höhn nicht, regte aber an, | |
dass das Parlament den künftigen Verfassungsschutzchef wählt. | |
Unterdessen sind am Mittwoch Abgeordnete des NSU-Untersuchungsausschusses | |
im Bundestag in die Berliner Außenstelle des Bundesamts für | |
Verfassungsschutz gepilgert, um die Akten einsehen zu können, die zur | |
„Operation Rennsteig“ noch vorhanden sind. Außerdem sollten erstmals | |
überhaupt Abgeordnete auch Klarnamen von gegen Geld spitzelnden V-Leuten in | |
der Neonaziszene einsehen dürfen, so Unionsobmann Clemens Binninger. „Das | |
ist ein Novum.“ | |
4 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
M. Bartsch | |
W. Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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