| # taz.de -- Reformen beim Geheimdienst: Verfassungsschutz muss schöner werden | |
| > Innenminister Friedrich kündigt eine Neuorganisation der | |
| > Verfassungsschutz-Behörden an – "ohne jedes Tabu". Linksparteipolitiker | |
| > fordern deren Abschaffung. | |
| Bild: Hat es auf veraltete Strukturen abgesehen: Innenminister Hans-Peter Fried… | |
| BERLIN taz | Es sind ungewöhnlich deutliche Worte für Bundesinnenminister | |
| Hans-Peter Friedrich (CSU). „Ohne jedes Tabu“ wolle er die Organisation des | |
| Verfassungsschutzes überprüfen, sagte er in der Bild am Sonntag. Bei einem | |
| Umbau dürfe es „keine Schere im Kopf“ geben. | |
| Damit reagiert Friedrich auf die Aktenschredder-Affäre beim Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz, die vorige Woche zum Rücktritt dessen Präsidenten Heinz | |
| Fromm geführt hatte. Zuvor war bekannt geworden, dass unmittelbar nach | |
| Auffliegen der rechtsextremen Terrorgruppe NSU Akten über vom Staat | |
| bezahlte Informanten („V-Leute“) im „Thüringer Heimatschutz“ vernichtet | |
| worden waren – jener Kameradschaftstruppe gehörte das NSU-Trio vor dem | |
| Untertauchen an. | |
| „Die jetzt aufgetretenen Mängel zeigen, dass es in unserem | |
| Verfassungsschutz-Verbund dringenden Reformbedarf gibt“, sagte Friedrich. | |
| „Dort, wo es absichtliche Verfehlungen gegeben hat, werden knallharte | |
| Konsequenzen gezogen.“ Der Verfassungsschutz müsse in der Lage sein, | |
| „unseren freiheitlichen Rechtsstaat vor den Gefahren des Extremismus und | |
| des Terrorismus zu schützen“. | |
| Als eine mögliche Folge, so Friedrich, könnte die Zahl der 16 Landesämter | |
| für Verfassungsschutz reduziert werden – von oben verordnen könne der Bund | |
| das aber nicht. Nach Medienberichten wird in der Regierung auch über eine | |
| Großreform aller Geheimdienste nachgedacht, die auch die Einführung eines | |
| nationalen Sicherheitsberaters beinhalten könnte, wie es ihn in den USA | |
| gibt. | |
| ## „Geheimdienste sind nicht reformierbar“ | |
| Innenpolitiker der Linkspartei fordern dagegen in einem noch | |
| unveröffentlichten Positionspapier, das der taz vorliegt, die Abschaffung | |
| des Verfassungsschutzes. „Geheimdienste sind per se wie ein Fremdkörper in | |
| der Demokratie, die sich jeder Kontrollierbarkeit entziehen“, heißt es | |
| darin. „Sie sind nicht reformierbar, weil es in ihrer Natur liegt, geheim | |
| und intransparent zu agieren.“ Die Linkspartei wird selbst im Bund und in | |
| mehreren Ländern vom Verfassungsschutz beobachtet. | |
| Verfasst haben das Papier der Pragmatiker Jan Korte und Ulla Jelpke vom | |
| linken Flügel der Linkspartei, die ansonsten nicht immer einer Meinung | |
| sind. „Ein demokratisches, kontrolliertes Spitzeln kann es genauso wenig | |
| geben wie einen demokratischen, kontrollierten V-Leute-Komplex“, schreiben | |
| sie. An die Stelle der Verfassungsschutzbehörden sollten „offen arbeitende | |
| Forschungs- und Dokumentationsstellen“ treten, die „menschenfeindliche | |
| Strukturen analysieren und die Öffentlichkeit entsprechend aufklären“. | |
| Einen Umbau der Behörden halten Korte und Jelpke für zu wenig. „Wer | |
| Vorschläge zur Reform der Geheimdienste in die Debatte wirft, wirkt unseres | |
| Erachtens zu wenig stringent“, schreiben sie. „Er erweckt den Eindruck, | |
| diese Apparate durch ein paar neue Paragrafen und vielleicht eine anders | |
| gestaltete Parlamentskommission beherrschen zu können.“ | |
| Das kann man als Seitenhieb auf den Linken-Geheimdienstexperten Wolfgang | |
| Neskovic lesen. Der hatte sich in der taz für eine Reform ausgesprochen. | |
| „Wir schaffen ja auch nicht die Feuerwehr ab, wenn sie bei der | |
| Brandlöschung versagt“, sagte er. „Wir benötigen einen Verfassungsschutz, | |
| weil die Verfassung echte Feinde hat.“ | |
| 8 Jul 2012 | |
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| Wolf Schmidt | |
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