# taz.de -- Konsequenz aus NSU-Skandalen: Noch ein Verfassungsschützer geht | |
> Nach den Geheimdienstchefs aus Thüringen und im Bund wird nun Sachsens | |
> oberster Verfassungsschützer versetzt. Er selbst meinte, er könne das Amt | |
> nicht mehr führen. | |
Bild: Darf nicht mehr die Verfassung schützen: Reinhard Boos. | |
DRESDEN taz | Als Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am | |
Mittwochvormittag außerhalb der Tagesordnung ans Rednerpult des Sächsischen | |
Landtages trat, überraschte er alle. Reinhard Boos, Präsident des | |
sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, habe ihn schon zum 1. August | |
um Versetzung gebeten, erklärte Ulbig. Boos habe ihm gesagt, er könne „das | |
Amt nicht mehr mit dem gebotenen Vertrauen weiter führen“. | |
Boos war von 1999 bis 2002 schon einmal Geheimdienstchef in Sachsen und | |
kehrte nach fünfjähriger Pause 2007 wieder in dieses Amt zurück. | |
Der Innenminister berichtete trocken, dass tags zuvor, am Dienstag, | |
offenbar bei Aufräumarbeiten im Landesamt Protokolle etwa im Umfang eines | |
Aktenordners gefunden wurden. Sie verweisen auf Telefonüberwachungen des | |
Bundesamtes für Verfassungsschutz Ende 1998, die auf das spätere rechte | |
NSU-Terrortrio zielten. Ulbig machte „eklatantes Fehlverhalten einzelner | |
Mitarbeiter“ dafür verantwortlich, dass diese Protokolle erst jetzt | |
auftauchen. Gegen sie wurden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet. | |
Boos ist der dritte Chef des Verfassungsschutzes, der im Zusammenhang mit | |
dem Neonazi-Terror sein Amt verliert. Zuvor ging der Präsident des | |
Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Thüringen schickte seinen | |
Verfassungsschutzchef Thomas Sippel in den vorläufigen Ruhestand. | |
Was genau in den Protokollen festgehalten wurde, ist noch nicht bekannt. | |
Sie sollen dem Generalbundesanwalt übergeben werden. Die Parlamentarische | |
Kontrollkommission des Landtages wird zu einer Sondersitzung | |
zusammentreten, auch das Landtagsplenum könnte sich damit befassen. Mit | |
diesen Protokollen wird der erst vor zwei Wochen vorgestellte Bericht zur | |
Zwickauer Neonazi-Zelle des sächsischen Innenministeriums zumindest | |
relativiert. Entspannt hatten sich Boos und Ulbig hier noch zurückgelehnt – | |
in Sachsen habe man kaum etwas wissen können, die Hauptverantwortung trage | |
Thüringen. | |
Jetzt verlangt die Abgeordnete Kerstin Köditz von der Linksfraktion auch | |
den Rücktritt von Innenminister Ulbig. Erst dann werde „die Politik des | |
Vertuschens, Verschweigens und Verleugnens“ ein Ende haben. | |
SPD-Innenpolitikerin Sabine Friedel bezeichnete den Rücktritt des | |
Verfassungsschutzpräsidenten als „Preis für das Nichtstun“. | |
11 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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