# taz.de -- Kommentar Verfassungsschutzakten: Aufklärung systematisch hintertr… | |
> Dass der Verfassungsschutz die Akten zur NSU vernichtet hat, ist | |
> ungeheuerlich. Die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der Behörde stehen | |
> deshalb in Frage. | |
Wir haben uns beim Verfassungsschutz an so einiges gewöhnen müssen. Aber | |
das, was jetzt ans Tageslicht gekommen ist, sprengt die schon üblichen | |
Dimensionen. Üblich ist es, dass der Inlandsgeheimdienst bei der | |
Beobachtung von Rechtsextremisten versagt. Doch das, was da im Kölner | |
Bundesamt geschehen ist, lässt sich nicht mit dem Begriff Schlamperei | |
umschreiben. | |
Es geht auch nicht um eine irgendwie geartete Kumpanei mit Neonazis. | |
Sondern es handelt sich schlicht um die Vernichtung von Beweismitteln in | |
einem Fall von zehnfachem Mord. Eine Behörde der Bundesrepublik Deutschland | |
hat eine andere Behörde dieses Landes daran gehindert, die Hintergründe | |
einer Mordserie aufzuklären. Das ist ein einmaliger, unglaublicher, | |
skandalöser Vorfall. | |
Denn diese sieben Ordner umfassten Material der Behörde mit den Aussagen | |
von Verfassungsschutzspitzeln aus dem Umfeld des „Thüringer | |
Heimatschutzes“, jener rechtsextremistischen Organisation, aus der auch das | |
Trio der Neonazi-Mörder stammt. Informationen also, die möglicherweise zur | |
Aufklärung der NSU-Mordserie hätten beitragen können. | |
## Stetig sinkende Glaubwürdigkeit | |
Schon kurz nach Aufdeckung der Zwickauer Zelle kam in der Öffentlichkeit | |
der ungeheuerliche Verdacht auf, dass der Verfassungsschutz mehr über die | |
Täter gewusst haben könnte, als er zugab. Gab es womöglich einen Spitzel, | |
der den Geheimdienst über NSU-Interna informierte? Gehörte gar eine Person | |
aus dem Umfeld der Mördertruppe zu den Quellen des Geheimdienstes? | |
Die Behörde hat diese Verdächtigungen stets dementiert. Doch die | |
Glaubwürdigkeit dieser Dementis sinkt beträchtlich, wenn nun bekannt wird, | |
dass der zuständige Referatsleiter höchstpersönlich dafür sorgte, dass | |
relevante Informationen von Neonazi-Spitzeln niemals die Bundesanwaltschaft | |
erreichen konnten. | |
Der Verfassungsschutz scheint nun darum bemüht, seinen Referatsleiter als | |
den einzig Schuldigen zu präsentieren. Billiger geht’s wohl nicht mehr. Ein | |
Einzelner soll versagt haben. Daraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, | |
dass die Behörde und sein Chef Heinz Fromm sich keiner Schuld bewusst sind | |
und jedwede strukturellen Konsequenzen scheuen. | |
Die Wahrheit aber ist: Dieser Dienst ist gerade dabei, die eigene Existenz | |
infrage zu stellen. Ausnahmsweise ist er, ganz im Gegensatz zur Aufklärung | |
rechtsextremistischer Bestrebungen, dabei ausgesprochen erfolgreich. Weiter | |
so! | |
28 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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