# taz.de -- Ermittlungspannen zum NSU-Terrortrio: Eine Mail voller Rechtschreib… | |
> Der Chefermittler zu den NSU-Morden behauptete bisher, keine Hilfe vom | |
> Verfassungsschutz bekommen zu haben. Doch geheime Akten zeigen: Das war | |
> nicht die Wahrheit. | |
Bild: Die Polizei brauchte Hilfe bei den Ermittlungen, aber fragte nicht wirkli… | |
BERLIN taz | Der ehemalige Chef der Sonderkommission „Bosporus“, Wolfgang | |
Geier, hat im NSU-Untersuchungsausschuss nicht die volle Wahrheit gesagt. | |
Das geht aus geheimen Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz | |
hervor. | |
Bei seiner Zeugenaussage vor dem Ausschuss Ende April hatte Geier | |
geschildert, dass er bei den Ermittlungen zu den neun Morden an Migranten | |
vom Bundesamt für Verfassungsschutz alleingelassen worden sei. Anfang 2006 | |
hätten seine Ermittler dort nach einem Ansprechpartner verlangt. „Es ging | |
leider keine Antwort ein“, so Geier bei seinem Auftritt. Die Entrüstung | |
unter den Bundestagsabgeordneten war groß – und Geier stand da als einer, | |
der alles Erdenkliche tun wollte, aber von anderen Behörden nicht | |
unterstützt wurde. | |
In der Darstellung des Bundesamts für Verfassungsschutz ist die | |
Angelegenheit freilich etwas anders abgelaufen. Wie aus den als vertraulich | |
eingestuften Akten hervorgeht, hat ein Beamter der Soko „Bosporus“ im | |
Februar 2006 eine E-Mail an den Verfassungsschutz geschickt, die Zweifel an | |
der Professionalität der Polizeiermittler nährt: Er schickte seine Anfrage, | |
einen Ansprechpartner zu bekommen, an die allgemeine Adresse, die er auf | |
der Homepage fand: [email protected]. Der Betreff der Mail war | |
voller Rechtschreibfehler. | |
Ein Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wunderte sich | |
und vermerkte zu der Mail: „Auskunftsersuchen – förmliche – sollten | |
schriftlich gestellt werden!“ Wenige Tage später telefonierte ein | |
Sachbearbeiter mit einem der „Bosporus“-Ermittler: Er selbst sei nur für | |
„rechtsextremistische Türken“ zuständig; hier gebe es keine Informationen | |
im Zusammenhang mit der Mordserie. „Zwecks Abgleich mit sonstigen vom BfV | |
bearbeiteten Phänomenbereichen“ bat der Sachbearbeiter um eine schriftliche | |
Anfrage. Eine solche habe es aber nie gegeben, heißt es in den | |
Verfassungsschutzakten. Selbst tätig wurde das Bundesamt in der Sache aber | |
offenbar auch nicht mehr. | |
## Geisterbeschwörer und Dönerbuden | |
Das neue Detail aus den Ermittlungen in der bis November 2011 ungeklärten | |
Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds reiht sich ein in die | |
zahlreichen Irrungen und Wirrungen von Polizei und Geheimdiensten. So wurde | |
im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags vor eineinhalb Wochen bekannt, | |
dass die Polizei in Hamburg, wo im Juni 2001 mit Süleyman Tasköprü das | |
dritte Opfer erschossen wurde, allen Ernstes mit einem Geisterbeschwörer | |
zusammenarbeitete, der mit dem Toten Kontakt aufgenommen haben will. Man | |
habe eben nichts unversucht lassen wollen, hieß es zur Begründung. | |
Die bayerischen Ermittler wiederum ließen von einem V-Mann der Polizei zum | |
Schein ein halbes Jahr lang in Nürnberg eine Dönerbude betreiben, | |
Rechnungen von Lieferanten wurden absichtlich nicht bezahlt. Dadurch sollte | |
eine Art Dönermafia provoziert werden, die von der Polizei damals hinter | |
den Taten vermutet wurde. | |
„Stümperhaft“ nannte der ehemalige Vize-Chef des Bundeskriminalamts, | |
Bernhard Falk, die Ermittlungen zuletzt im Untersuchungsausschuss. Der | |
setzt an diesem Donnerstag die Zeugenvernehmungen fort. | |
26 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fehler bei NSU-Ermittlungen: Sie hätten nur hinhören müssen | |
13 Jahre lang ließen Polizei und Geheimdienste die NSU-Terroristen rauben | |
und morden - das größte Staatsversagen in der BRD-Geschichte. | |
Schwäbische Beamte beim Ku-Klux-Klan: Polizisten, Ritter und Rassisten | |
Zwei Polizisten aus Baden-Württemberg waren Mitglied im Rassistenbund KKK. | |
Bekannt wurde das erst jetzt, weil sie Kollegen der vom NSU ermordeten | |
Michèle Kiesewetter waren. | |
Kommentar Verfassungsschutzakten: Aufklärung systematisch hintertrieben | |
Dass der Verfassungsschutz die Akten zur NSU vernichtet hat, ist | |
ungeheuerlich. Die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der Behörde stehen | |
deshalb in Frage. | |
Unterlagen zum NSU geschreddert: Verfassungsschutz feiert Karneval | |
Am 11. November 2011 begann der Generalbundesanwalt zum Naziterror des NSU | |
zu ermitteln. An diesem Tag schredderte der Verfassungsschutz relevante | |
Akten. | |
Dönerimbiss gegen NSU-Mordserie: „Im Denken der 50er und 60er Jahre“ | |
Die Ombudsfrau der Opfer der Neonazi-Terrorzelle NSU, Barbara John, hat die | |
Ermittlungen der Polizei mit einem eigenen Döner-Imbiss kritisiert. „Dieser | |
Wahnsinn hat Methode“, sagte John. | |
Aufklärung der Neonazi-Morde: Erster Eklat im NSU-Ausschuss | |
SPD und Linke werfen dem ehemaligen bayerischen Innenminister Beckstein | |
vor, ein mögliches rechtes Motiv verborgen gehalten zu haben. | |
U-Ausschuss zur rechten Terrorzelle: „Das ist ein Trauerspiel“ | |
Die ersten Zeugen sind vom Ausschuss zur Neonazi-Terrorzelle „NSU“ befragt | |
worden. Sie berichten, wie schlecht die Zusammenarbeit der | |
Sicherheitsbehörden war. |