# taz.de -- U-Ausschuss zur rechten Terrorzelle: „Das ist ein Trauerspiel“ | |
> Die ersten Zeugen sind vom Ausschuss zur Neonazi-Terrorzelle „NSU“ | |
> befragt worden. Sie berichten, wie schlecht die Zusammenarbeit der | |
> Sicherheitsbehörden war. | |
Bild: Abriss des Hauses, in dem die NSU-Terroristen lebten. Neonazismus lässt … | |
BERLIN taz | Drei Monate nach seiner Einsetzung hat der | |
Untersuchungsausschuss des Bundestags zum „Nationalsozialistischen | |
Untergrund“ (NSU) seine ersten Zeugen befragt. Gleich mehrere der für die | |
Ermittlungen in der Mordserie zuständigen Polizeibeamten und Staatsanwälte | |
sollten dem Gremium am Donnerstag Rede und Antwort stehen. Dabei bestätigte | |
sich eine schier unglaublich schlechte Zusammenarbeit zwischen Polizei und | |
Verfassungsschutz. | |
Der ehemalige Leiter der damals in Nürnberg angesiedelten Sonderkommission | |
„BAO Bosporus“, Wolfgang Geier, beklagte sich darüber, dass es fast ein | |
Dreivierteljahr gedauert habe, bis der bayerische Verfassungsschutz eine | |
von ihm verlangte Liste mit Rechtsextremen geschickt habe. „Das fand ich | |
nicht normal.“ | |
Nach jahrelangen Ermittlungen in die falsche Richtung hatte ein | |
Polizeiprofiler im Frühjahr 2006 zum ersten Mal eine Spur in die rechte | |
Szene gelegt, glaubte aber fälschlicherweise der Täter müsse in Nürnberg zu | |
Hause sein. Erst im März 2007 habe er vom Verfassungsschutz eine Liste mit | |
682 Namen fränkischer Rechtsextremer bekommen, von denen rund ein Viertel | |
dann überprüft worden sei, sagte Geier. „Das ist ein Trauerspiel“, sagte | |
Clemens Binninger, Obmann der Union im Ausschuss, „dass Sie und ihre | |
Mitarbeiter förmlich um Daten betteln mussten.“ | |
Fassungslosigkeit löste bei den Abgeordneten aus, als der ehemalige | |
Soko-Chef Geier berichtete, wie er erfolglos versucht habe, beim Bundesamt | |
für Verfassungsschutz einen Ansprechpartner zu bekommen. Anfang 2006 | |
verlangte Geier nach eigener Angabe dort nach einem Zuständigen: „Ich habe | |
leider keine Antwort bekommen.“ | |
## Nur in Bayern nachgefragt | |
Allerdings musste der ehemalige Soko-Leiter einräumen, dass er selbst nie | |
einen Kontakt zu den Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer | |
außerhalb Bayerns aufgenommen habe, um der Spur in die rechte Szene | |
nachzugehen. Man sei von einer Verankerung der Täter in Nürnberg | |
ausgegangen. Er finde es „hochgradig verwunderlich“, dass man bei einer | |
bundesweiten Mordserie nicht bei allen 17 Verfassungsschutzämtern | |
nachgefragt habe, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD). | |
Als es noch nicht um die Spur nach Rechts ging, sondern darum die Opfer auf | |
eine vermutete Verbindung zur kurdischen PKK, den | |
türkisch-nationalistischen Grauen Wölfen oder anderen Extremisten | |
abzuklopfen, scheint die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten laut der | |
Akten noch funktioniert zu haben. | |
Entsprechende Anfragen seien über den bayerischen Verfassungsschutz an die | |
zuständigen Dienste weitergeleitet worden, sagte Ex-Soko-Chef Geier. Er | |
selbst habe mit dem BND besprochen, ob ein ausländischer Geheimdienst in | |
die Taten involviert sein könne. Auch mit den türkischen Diensten habe es | |
Besprechungen gegeben. | |
## Die Zange des Bundestags | |
Die Befragung der Zeugen dauerte am Donnerstag bis in den Abend an. Auch in | |
der kommenden Sitzungswoche sollen noch Polizisten als Zeugen gehört | |
werden. Vertreter der Verfassungsschutzbehörden werden erst zu einem | |
späteren Zeitpunkt befragt. Mit Spannung erwartet werden vor allem die | |
Aussagen der Vertreter aus Thüringen, wo die Neonazis Uwe Mundlos, Uwe | |
Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 untertauchten. | |
Der Bundestag nähert sich dem Komplex also in einer Art Zangenbewegung: | |
Erst werden die Ermittler gehört, die elf Jahre lang nach Tätern einer | |
beispiellosen Mordserie suchten – aber nie darauf kamen, dass es Neonazis | |
waren. Danach kommen die Fahnder und Verfassungsschützer dran, die wussten, | |
dass 1998 drei Neonazis in den Untergrund gingen – aber nicht mitbekamen, | |
dass sie zu Mördern wurden. | |
26 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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