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# taz.de -- Ermittlungen zum NSU-Terror: Nach Chemnitz statt ans Kap
> Die Deutschen alarmierten 1998 Bulgariens Polizei: Sie müsse die Neonazis
> Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe festnehmen. In Sofia tauchten zwei andere
> Rechtsextreme auf.
Bild: Beate Zschäpe (v. l. ), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.
BERLIN taz | „Eilt sehr“, stand auf dem Fax des Thüringer
Landeskriminalamts. Am Samstag, den 8. August 1998, würden die beiden
Rechtsextremisten André K. und Mario B. von Frankfurt über Sofia nach
Südafrika fliegen.
Dabei bestehe der „dringende Verdacht“, dass beim Zwischenstopp des Fluges
LZ 438 in Bulgarien die wenige Monate zuvor untergetauchten Neonazis Uwe
Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zusteigen könnten, um in Südafrika
unterzutauchen.
Via Interpol wurde die bulgarische Polizei über die mutmaßlichen
Fluchtpläne des Trios informiert – und dazu aufgefordert, Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe festzunehmen und nach Deutschland auszuliefern. Die
Bulgaren setzten sich in Bewegung und überprüften alle Insassen des
fraglichen Flugs. Fehlalarm: Die drei deutschen Neonazis seien „nicht unter
den Passagieren angetroffen“ worden, meldete Interpol Sofia noch am 9.
August an das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.
Die Neonazis André K. und Mario B., die die späteren Terroristen des
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) aus dem
Kameradschaftszusammenschluss „Thüringer Heimatschutz“ kannten, flogen nach
Erkenntnissen des Verfassungsschutzes weiter nach Johannesburg und
besuchten den nach Südafrika ausgewanderten rechtsextremen Publizisten
Claus Nordbruch auf dessen Farm. Mario B. soll dort das Fallschirmspringen
geübt haben. Nordbruch selbst will Fragen zu dieser Zeit nicht beantworten.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren 1998 hingegen nicht am Kap
untergetaucht, sondern im nahen Chemnitz, später zogen sie nach Zwickau.
Und obwohl die Behörden Hinweise auf einen möglichen Unterschlupf in
Sachsen hatten und mehrere mutmaßliche Helfer der Neonazis observierten,
blieb die Suche nach dem Trio erfolglos – warum, das wollen nun
Untersuchungsausschüsse in Berlin, Erfurt und Dresden herausfinden.
## „Unter Falschpersonalien in Südafrika“
Womöglich ließen sich die Fahnder von falschen Spuren ins Ausland ablenken,
die sie mal an den Plattensee führten, immer wieder aber auch nach
Südafrika. Denn auch nach der misslungenen internationalen Polizeioperation
im August 1998 hörten die Verfassungsschutzämter über ihre V-Leute in der
rechtsextremen Szene immer wieder Gerüchte, das Neonazitrio könne sich
dorthin absetzen.
Noch im Jahr 2002 mutmaßte das für die Zielfahndung zuständige
Landeskriminalamt Thüringen, dass sich die drei doch „unter
Falschpersonalien in Südafrika aufhalten“ könnten. Ein Verbindungsbeamter
des BKA in Pretoria bekam deshalb die Fingerabdrücke der Neonazis und ließ
sie mit der Datenbank des südafrikanischen Department of Home Affairs
abgleichen.
Es lasse sich „mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sagen“, dass sich die drei
„nicht mit einer falschen südafrikanischen Identität hier im Land
aufhalten“, schrieb der BKA-Verbindungsbeamte am 22. November 2002.
Zu dem Zeitpunkt hatten die Terroristen des NSU in Deutschland bereits vier
Menschen ermordet, sechs weitere sollten bis zum Auffliegen der Zelle im
November 2011 folgen.
Die teils anonym eingegangenen Hinweise auf einen Unterschlupf in Südafrika
oder in anderen Ländern wie Ungarn seien „möglicherweise bewusst
fehlgesteuerte Informationen“ gewesen, „die den Eindruck erwecken sollten,
als seien diese Leute nicht mehr im Lande“, sagte BKA-Chef Jörg Ziercke
Ende 2011 in einer internen Sitzung des Bundestags-Innenausschusses.
Bleibt nur die Frage: Wer könnte diese falschen Fährten gelegt haben?
6 May 2012
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
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