| # taz.de -- Bericht zum Thüringer Verfassungsschutz: Günstlinge, Inkompetente… | |
| > Ein interner Bericht offenbart ein Desaster beim Thüringer | |
| > Verfassungsschutz, das auch die Anfänge des NSU betrifft. Doch der | |
| > Bericht soll geheim bleiben. | |
| Bild: Gibt im Bericht ein verheerendes Bild ab: Helmut Roewer, Ex-Präsident de… | |
| HAMBURG taz | Der Bericht über die Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes | |
| (VS) unter Expräsident Helmut Roewer ist verheerend. Im Amt kämpften | |
| Gruppierungen gegeneinander, Günstlingswirtschaft wurde betrieben, Gelder | |
| abgezweigt und das Referat 22 „Rechtsextremismus“ aufgelöst. Öffentlich | |
| werden soll der „Gasser-Bericht“, der in Auszügen der taz bekannt ist, aber | |
| nicht. | |
| „Wir gehen davon aus, dass das Innenministerium und der ehemalige | |
| Verfassungsschutzpräsident eine außergerichtliche Einigung finden. Die | |
| Beteiligen sind sich einig, dass der Bericht nicht öffentlich wird“, sagt | |
| Elke Heßelmann, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Weimar. | |
| Vor dem Gericht hatte Roewer versucht, Innenminister Jörg Geibert (CDU) | |
| untersagen zu lassen, den Bericht herauszugeben, der auch die Anfänge der | |
| Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) betrifft. „Ein | |
| Beschluss wurde nicht gefasst“, sagt Heßelmann. Vielmehr wäre betont | |
| worden, eine „gütliche Einigung“ zu finden. | |
| Uneinig sei man nur noch, inwieweit Landtagsabgeordnete den Bericht | |
| einsehen dürften. Diese Absprache will das Innenministerium nicht | |
| bestätigen: „Zu einem laufenden Verfahren geben wir keine Stellungnahme | |
| ab“, hieß es. | |
| ## Keine „rückhaltslose Aufklärung“ | |
| „Der Bericht umfasst zentrale Punkte für die Aufarbeitung des NSU“, sagt | |
| Martina Renner, Innenpolitikerin der Landtagsfraktion Die Linke. Die | |
| Aufklärung werde zur Farce, sollten wichtige Dokumente nicht öffentlich | |
| sein. „Von einer rückhaltlosen Aufklärung durch die Landesregierung kann | |
| nicht gesprochen werden“, sagt sie. | |
| Dirk Adams, Sprecher für Innenpolitik der Grünen-Landtagsfraktion, sagt: | |
| „Die Mordserie des NSU bedingt, dass die betroffenen Stellen nichts mehr | |
| geheim halten dürfen.“ Nicht nur bei dem Bericht würde das Ministerium die | |
| Aufarbeitung erschweren. „Die stehen voll auf der Bremse“, sagt Peter Metz, | |
| bei der SPD-Fraktion Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus. | |
| Den Bericht ließ 2002 der damalige Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) | |
| erstellen. Zwei Jahre zuvor war Roewer wegen Affären vom Dienst | |
| suspendiert. Der Bericht offenbart nach taz-Informationen, wie ein Apparat | |
| gegen einen Apparat arbeitete. Im September 1999 existierte das Referat 22 | |
| „Rechtsextremismus“ nicht mehr, es ging im neuen Referat 25 „Neue Formen | |
| Extremismus“ auf. Der Umbau spiegelt wider, dass der VS den | |
| Rechtsextremismus offenbar nicht als große Gefahr einstufte. | |
| Unter den Mitarbeitern soll da längst Unruhe geherrscht haben. Einer der | |
| Gründe: die klassische Zweigliederung Beschaffung von Informationen und | |
| deren Auswertung war 1996 aufgehoben worden. Ein weiterer Grund dürfte | |
| gewesen sein, dass der damalige Innenminister Richard Dewes (SPD), der gut | |
| mit Roewer konnte, neun Mitarbeiter einstellen ließ – alle mit | |
| Uniabschluss, aber einige ohne Fachkenntnisse. Einzelne hatten | |
| Alt-Philologie, Chemie oder Geschichte studiert. Im Büro von Roewer sollen | |
| der Präsident und die Günstlinge sich abendlich gern um ein Rotweinfass | |
| versammelt haben. VS-Mitarbeiter, die die Einstellungen kritisierten, | |
| fühlten sich bespitzelt, intervenierten erfolglos. | |
| ## 287.000 für einen „Spinner und Wichtigtuer“ | |
| Doch auch konkretes Fehlverhalten von Roewer wird im Bericht aufgelistet. | |
| Auf seine Veranlassung hin sollen mit dem Neonazi Thomas Dienel Treffen | |
| stattgefunden haben. Der Referatsleiter 22 hatte Dienel allerdings als | |
| „Spinner“ und Wichtigtuer“ eingeschätzt. Doch auch ein Alkoholismusprobl… | |
| und Vorstrafen verhinderten Dienels V-Mann-Karriere nicht. Es kam zu 93 | |
| Treffen, über 287.000 DM erhielt der Neonazi. | |
| Mit Geld des VS soll Roewer in Erfurt drei Jahre zuvor den Heron-Verlag | |
| gegründet haben. Beim Amtsgericht wurde der Verlag, den die Frau des | |
| Referatsleiters 43 (Spionageabwehr) leitete, mit einem Stammkapital von | |
| 50.000 DM eingetragen. Über fingierte Werksverträge erhielten | |
| VS-Mitarbeiter Honorare, für die keine Leistungen erwartet wurden. | |
| Knapp 400.000 Mark sollen so verschoben worden sein, darunter einmal 39.200 | |
| und einmal 70.000 DM an Roewer. Die Finanzierung des Verlags, so der | |
| Bericht, sei aus der „Beschaffungskasse“ des Amtes erfolgt. Ein Verfahren | |
| deswegen wurde 2010 wegen Verhandlungsunfähigkeit Roewers gegen 3.000 Euro | |
| eingestellt. | |
| Der Verlag tat aber auch etwas. Rund 95.000 DM flossen in den Film | |
| „Jugendlicher Extremismus mitten in Deutschland“. Darin darf Tino Brandt, | |
| Chef des rechtsextremen „Thüringer Heimatschutzes“ und V-Mann, | |
| unkommentiert sagen: „Wir sind prinzipiell gegen Gewalt.“ | |
| „Der Gasser-Bericht muss Presse und Öffentlichkeit zugänglich werden“ | |
| fordert Renner. Es sei keine Lösung, wenn Abgeordnete mit der Auflage der | |
| Geheimhaltung den Bericht lesen dürften und ihn dann wieder abgeben | |
| müssten. Das sieht auch der Grüne Adams so. Wenn das Ministerium glaube, es | |
| müsse etwas geheim halten, dann müsse es das sehr genau begründen. | |
| 23 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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