# taz.de -- Dossier Arabische Revolution: "Ich wusste, wir würden gewinnen" | |
> Zelte aufbauen, Wasser besorgen, Videos drehen: Die ägyptische Aktivistin | |
> Mona Seif erzählt, wie die Besetzer den Alltag und die Verteidigung des | |
> Platzes organisierten. | |
Bild: Decken, Zelte, Wasser - das Leben auf dem Tahrir-Platz musste gut organis… | |
taz: Frau Seif, Sie waren 18 Tage lang auf dem Tahrir-Platz - was haben Sie | |
da gemacht? | |
Mona Seif: Ich habe wie jeder normale Demonstrant Parolen gerufen und | |
geholfen, die alltäglichen Dinge zu organisieren. Als das Internet | |
abgestellt wurde, übernahm ich mit Freunden die Aufgabe, tagsüber Videos zu | |
drehen und Zitate zu sammeln und diese abends in die benachbarte Wohnung | |
eines Freundes zu bringen, der noch Internetzugang hatte. Von dort aus | |
haben wir Material vom Tahrir-Platz und Material, das wir von Freunden aus | |
Alexandria bekamen, in die Welt gesendet. Das war eine Art | |
Social-Network-Informations-Hub. | |
Wie organisiert man unter solchen Umständen die alltäglichen Dinge? | |
Zum einen brachten uns Unterstützer Essen, Wasser und Medizin. Zum anderen | |
sammelten wir Geld, und ein paar Leute zogen los, um die notwendigen Sachen | |
einzukaufen und reinzuschmuggeln. Am Anfang war das schwierig, denn die | |
Polizei und die Schläger versuchten die Versorgung zu unterbinden. Durch | |
sie haben wir viel Essen und Medizin verloren. | |
Wie behält man den Überblick, wie viel wovon gebraucht wird? | |
Vieles passierte spontan, anderes nicht. Gerade die Versorgung mit Decken | |
oder Zelten übernahmen Aktivisten, die Erfahrung damit hatten, große Mengen | |
unter vielen Menschen zu verteilen. | |
Wie haben Sie die Verteidigung des Platzes bei den Attacken am 2. Februar | |
organisiert? | |
Auch das geschah eher spontan, glaube ich. Die Leute verteilten sich auf | |
alle Straßen, die zum Tahrir führen, und formten Verteidigungslinien. Am | |
Ägyptischen Museum, wo die Hauptfront der Schlägertrupps war, gab es | |
mehrere Verteidigungslinien. Und wenn irgendwo Verstärkung gebraucht wurde, | |
wurde das mit Lautsprechern durchgegeben. Am Museum wurde auch ein | |
Feldlazarett eingerichtet, um den Leuten Erste Hilfe zu leisten, die nicht | |
warten konnten, in unser besser ausgestattetes Lazarett gebracht zu werden, | |
das in einer Seitenstraße lag. | |
Stimmt es, dass Ultras den Platz mit verteidigt haben? | |
Ja, Ultras von den beiden Kairoer Fußballclubs Ahly und Zamalek waren dabei | |
- aber nicht nur bei der Verteidigung des Platzes, sondern in der ganzen | |
Bewegung. | |
Was war Ihre wichtigste Erfahrung? | |
Genau dieser 2. Februar, der blutige Mittwoch. Das war der intensivste | |
Moment. Es war auch das erste Mal, dass ich sah, wie weit die Menschen | |
gehen würden. Ab da wusste ich, dass wir den Kampf gewinnen würden. | |
Einige Leute sprechen von der "Republik des Tahrir". Sie auch? | |
Diejenigen, die Tag für Tag dort waren, haben ein anderes Ägypten gesehen. | |
Mit tausenden von Menschen zu leben, mit den unterschiedlichsten | |
Hintergründen und mit allen religiösen Richtungen, glücklich zu sein und | |
zueinander zu gehören. Es war eine ausdauernde Gemeinschaft, in der die | |
normalen Probleme von den Straßen Ägyptens nicht existierten: keine | |
sexuellen Belästigungen, keine Diskriminierung wegen der Religion. Wir | |
waren alle verbunden durch einen Grund. Und nur das zählte. | |
Was wird aus dieser Erfahrung? | |
Es ist jetzt jedem von uns überlassen, die Werte des Tahrir zu verbreiten. | |
Das bedeutet Arbeit. Aber das ist es wert. | |
17 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
## TAGS | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling | |
Ägypten | |
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