| # taz.de -- Feiertage und Migrationsgeschichte: First Christmas | |
| > Viele Menschen in Deutschland feiern Weihnachten nicht. Warum unsere | |
| > Autorin erst in die USA reisen musste, um eine Familien-Weihnacht zu | |
| > erleben. | |
| Bild: Familie feiern: die Autorin mit ihrer Cousine Alexandria 2022 in Coney Is… | |
| Der Weihnachtsbaum steht mitten im Wohnzimmer, so dicht geschmückt, dass | |
| sich die Zweige unter dem Gewicht der Kugeln leicht nach unten biegen. An | |
| der Wand hängt ein Bild, darauf der rote Truck einer bekannten | |
| Softdrink-Marke. So, wie man ihn aus US-amerikanischen Weihnachtswerbungen | |
| kennt. Wenn man den kleinen Schalter an der Seite des Rahmens betätigt, | |
| beginnen winzige Lichter zu leuchten. Kinder laufen durch den Raum, | |
| schreien, lachen, kämpfen um ein Eisbär-Stofftier, das irgendwann unter dem | |
| Sofa verschwindet. Im Hintergrund läuft Mariah Carey: „All I want for | |
| Christmas is you.“ Ich singe laut mit, absichtlich schief, ziehe das „you“ | |
| in die Länge. Alle lachen. | |
| Mit „alle“ meine ich meine Cousine Alexandria, ihre Mutter Jill, ihre | |
| Halbgeschwister, deren Partnerinnen und Partner, die Kinder ihrer | |
| Halbschwester, ihre Tante Jackie, Onkel Özden, Cousine Deniz und ihre | |
| beiden Hunde. Das Haus ist voll. Voll mit Stimmen, Bewegungen, Geräuschen. | |
| Und ich bin zum ersten Mal hier. Zum ersten Mal überhaupt Teil dieser | |
| Familie. Und zum ersten Mal feiere ich Weihnachten. | |
| Wenn ich „New York“ sage, meine ich nicht die Stadt. Nicht Manhattan, nicht | |
| den Big Apple, keine der gelben Taxen, die man aus Filmen kennt. Keine | |
| Skyline, keine U-Bahn, keine Lichter, die niemals ausgehen. Wir sind in | |
| Highland Falls, einem kleinen Ort nördlich der Metropole, in den Bergen. Im | |
| Staat New York. | |
| Hier gibt es eine freiwillige Feuerwehr, ein paar Diner mit Plastikblumen | |
| auf den Tischen und ein Banner am Ortseingang, auf dem „Go Army“ steht – | |
| ein Verweis auf die Militärakademie von West Point, die direkt nebenan | |
| liegt. West Point, gegründet 1802, ist Sitz der United States Military | |
| Academy und Teil des ältesten durchgehend genutzten Militärstandorts der | |
| USA. Die Straßen sind breit, man grüßt sich, auch wenn man sich nicht | |
| kennt. In den letzten Tagen wurde mehr über einen Bären gesprochen, der aus | |
| den Bergen herunterkam und Mülltonnen durchwühlte, als über irgendetwas | |
| Politisches. | |
| ## So sehr Weihnachten ist, dass es fast wehtut | |
| Vor den Häusern stehen Basketballkörbe, wie man sie aus amerikanischen | |
| Filmen kennt. Die US-Flaggen hängen an Veranden, einige haben Schilder mit | |
| dem Namen Trump drauf. Und ich sitze an diesem Ort, in einem Wohnzimmer, | |
| das so sehr Weihnachten ist, dass es fast wehtut. Überall glitzert es. | |
| Weihnachtliche Melodien erklingen, sobald man irgendwo langgeht. Selbst die | |
| Bettwäsche im Gästezimmer ist weihnachtlich. Merry Christmas überall. Sogar | |
| die Hunde tragen Weihnachtspullis. Warum bin ich hier? | |
| Die Antwort darauf führt zurück nach Deutschland. Und eigentlich von dort | |
| noch weiter zurück, in die Türkei, zu zwei Migrationsgeschichten, die sich | |
| nie gesucht haben und doch genau hier, in diesem Raum in Highland Falls, | |
| aufeinandertreffen. | |
| Wenn ich Menschen vor meinem Abflug in die USA erzählt habe, dass ich dort | |
| zum ersten Mal Weihnachten feiern will, haben viele mich irritiert | |
| angeschaut. Manche legten mir mitleidig eine Hand auf die Schulter und | |
| sagten Sätze wie: „Oh, wie traurig. Dann kennst du dieses Gefühl ja gar | |
| nicht.“ Welches Gefühl?, dachte ich. Als gäbe es ein universelles | |
| Weihnachtsgefühl, das automatisch Teil von einem wird, sobald man, wie ich, | |
| in Deutschland aufwächst. Dabei kannte ich Zusammenhalt, Nähe, Zuwendung, | |
| gemeinsame Zeit, alles das, was Weihnachten für viele Menschen ausmacht – | |
| nur eben nicht notwendigerweise an Weihnachten. | |
| Damit bin ich nicht allein. Viele Menschen in Deutschland feiern | |
| Weihnachten nicht – manche aus religiösen Gründen, andere aus persönlichen. | |
| In meiner Familie hatte das nichts mit Glauben zu tun. Wir feierten | |
| schlicht: nichts – gar nichts. Keine muslimischen Feiertage, keine | |
| deutschen. Geburtstage, aber sonst nichts. Das Leben meiner Eltern, ihre | |
| ganze Biografie, beruhte schlicht auf einem Konzept: Arbeit. | |
| Arbeit war bei uns der Taktgeber, der Kalender. Frühschichten, | |
| Spätschichten, Doppelschichten. Schichten, die ineinander griffen wie | |
| Zahnräder. Feiertage störten diesen Ablauf. Für meine Eltern standen solche | |
| Tage nicht für Gemeinschaft oder Besinnung, sondern für eine Pause, die sie | |
| gar nicht wollten. In einem Leben, das ohnehin von Unsicherheit geprägt war | |
| – der Angst, etwas falsch zu machen, aufzufallen, negativ bemerkt zu werden | |
| –, war Arbeit das Ritual, an dem man sich festhalten konnte. | |
| ## Der Geruch von Metall an seinen Händen | |
| Meine Mutter kam 1972 nach Deutschland, da war sie fünf Jahre alt. [1][Mein | |
| Großvater war zwei Jahre zuvor als Gastarbeiter eingereist.] Anpacken, | |
| durchhalten, still sein: Das waren im Wesentlichen die Tugenden, die von | |
| [2][Gastarbeitern damals verlangt wurden]. Zugehörigkeit war etwas, das | |
| sich auf den Körpern der Menschen einschrieb. Sie wurde sichtbar an der | |
| rauen Haut meines Großvaters, an seiner Müdigkeit am Abend, wenn er nach | |
| der Spätschicht aus der Fabrik kam, in der Heizkörper hergestellt wurden, | |
| und der Geruch von Metall noch lange an seinen Händen hing. | |
| Auch meine Großmutter arbeitete. Mal am Fließband eines | |
| Getränkeabfüllbetriebs, wo Flaschen in endlosen Reihen an ihr vorbeiliefen, | |
| mal bei der Obsternte im Sommer, später auch in privaten Haushalten, wo sie | |
| putzte und versuchte, möglichst nicht aufzufallen. Die Arbeit wechselte, | |
| der Rhythmus blieb. Wer weiterarbeiten konnte, blieb Teil des Ganzen, ein | |
| nützliches Rädchen im Getriebe. Feiertage passten nicht in dieses Leben. | |
| Mein Vater kam in den 1990er Jahren nach. In Istanbul hatte er mit 14 | |
| Jahren neben der Schule Simit verkauft, später eine Schneiderlehre | |
| begonnen. Frühes Aufstehen, lange Tage, müde Hände: So ging es in | |
| Deutschland weiter, aber das war kein neues Leben für ihn, sondern ein | |
| fortgesetztes. Bis heute hat er zwei Jobs: eine feste Anstellung in einer | |
| Fabrik, in der aus geschmolzenem Glas Flaschen für große Getränkemarken | |
| geformt werden, und eine eigene Schneiderei mit Reinigung, die er gemeinsam | |
| mit meiner Mutter führt. | |
| Als mein Bruder und ich älter wurden, verglichen wir uns zunehmend mit | |
| anderen Kindern. Und unsere Eltern merkten, dass uns etwas fehlte. Kinder | |
| stellen solche Fragen früh, und sie bleiben hartnäckig: Warum hängen bei | |
| den anderen Lichterketten im Fenster? Warum reden alle in der Schule über | |
| Geschenke? Warum kommt der Weihnachtsmann überall hin – nur nicht zu uns? | |
| Meine Mutter versuchte, darauf zu reagieren. Einmal kaufte sie uns | |
| Adventskalender. Sie setzte sich mit uns an den Küchentisch, legte die | |
| Pappschachteln vor uns hin, als handle es sich um ein Experiment. Geduldig | |
| erklärte sie das Prinzip: Jeden Tag ein Türchen öffnen, warten, die Tage | |
| bis zum 24. Dezember zählen und sich freuen. Wir aßen die gesamte | |
| Schokolade an einem Nachmittag. Das Experiment Weihnachten war vorerst | |
| beendet. | |
| ## Das Zählen der Tage war für uns abstrakt | |
| Im Rückblick betrachtet zeigt diese kleine Episode vielleicht genau das: Es | |
| gab kein Umfeld, das das Warten, das Zelebrieren oder das Wiederholen trug. | |
| Rituale brauchen Zeit, um zu wachsen – und Zeit war in unserer Familie | |
| etwas, das man lieber in Arbeit investierte. Wir Kinder hatten dieses | |
| Warten nicht gelernt. Geduld, das Zählen der Tage, die Spannung und das | |
| Versprechen dahinter – all das war für uns abstrakt. Ein Adventskalender | |
| wirkte eher wie eine Zeitverschwendung: Schokolade an einem Tag statt | |
| verteilt auf vierundzwanzig Tage fühlte sich logischer an. | |
| Ich erinnere mich auch daran, wie ich als Kind fragte, warum der | |
| Weihnachtsmann nie zu uns komme. Meine Mutter sagte: „Man kann sich das | |
| ganze Jahr über Geschenke machen.“ Heute erkenne ich darin eine Haltung. | |
| Damals fühlte es sich eher wie eine Grenze an. | |
| Ich verstand es erst Jahre später. Die Abwesenheit von Weihnachten war kein | |
| Defizit, sondern Ausdruck eines Lebens, das von Migration geprägt war. Für | |
| meine Eltern war Zugehörigkeit nichts, das man feierte, sondern etwas, das | |
| man sich erarbeitete – Tag für Tag, Schicht für Schicht. Weihnachten war in | |
| diesem Leben kein Konzept, das man feierte, sondern ein Luxus, der anderen | |
| gehörte. | |
| Und während meine Eltern in Deutschland durch Arbeit Wurzeln schlugen, | |
| führte ein anderer Zweig unserer Familie ein ganz anderes Leben. Mein Onkel | |
| Köksal, Alexandrias Vater, verließ die Türkei Anfang der 1980er Jahre, in | |
| einer Zeit voller politischer Gewalt. | |
| Nach dem [3][Militärputsch von 1980] herrschte Ausnahmezustand in der | |
| Türkei: Universitäten wurden überwacht, linke Gruppen verboten, Tausende | |
| Menschen verhaftet. Zeitungen erschienen mit weißen, zensierten Stellen; an | |
| den Hauswänden hingen Fahndungsfotos. Wer bei politischen Treffen gesehen | |
| wurde, riskierte Hausdurchsuchungen. Wer Flugblätter verteilte, riskierte | |
| Gefängnis. | |
| Viele flohen nachts aus der Türkei über die Grenze nach Griechenland oder | |
| Bulgarien – oft die naheliegendsten Wege nach Europa –, ohne Gepäck, | |
| manchmal nur mit einer Telefonnummer oder einem Namen, den man auswendig | |
| gelernt hatte, weil man nichts Schriftliches bei sich tragen konnte. | |
| ## Eine Flucht vor einem Staat | |
| Köksal war in linken Gruppen aktiv. Er wurde verhaftet, der Vorwurf: | |
| „Kommunist“. Für die Militärregierung war er ein Staatsfeind. Doch er kam | |
| nach kurzer Zeit gegen Kaution aus dem Gefängnis frei. Wer die bezahlt hat, | |
| weiß bis heute niemand in der Familie. Ein Freund von Köksal verschwand, | |
| ein anderer tauchte unter. Köksal wusste, dass er gehen musste. Es war | |
| keine Suche nach einem besseren Leben, sondern eine Flucht vor einem Staat, | |
| der jede abweichende Meinung hart bestrafte. | |
| Köksals Aufbruch war einer ohne festen Horizont. Er arbeitete auf einem | |
| Containerschiff, reiste über Ozeane, lebte zwischen Orten. „Die sieben | |
| Meere bin ich gereist“, erzählte er mir und meinem Bruder später einmal, | |
| als er 2004 zu Besuch in Deutschland war, und demonstrierte dann gerne | |
| lachend, wie man auf einem schaukelnden Deck Wasser trinkt: Den Krug hoch | |
| über den Kopf halten, den Blick zum Himmel richten und das Wasser im Bogen | |
| direkt in den Mund kippen, während die Hand leicht zittert und die Knie | |
| nachgeben. Wenn er erzählte, schwang sein Körper dabei leicht vor und | |
| zurück, als läge das Schiff noch unter seinen Füßen. Hinter diesem Lachen | |
| lag eine Geschichte, die nie wirklich zur Ruhe kam. | |
| ## Der Onkel, die Cousine in den USA | |
| Das Ziel meines Onkels war New York. Ein Ort, an dem er hoffte, einfach | |
| leben zu können. Dort lernte er Jill kennen. Sie bekamen eine Tochter: | |
| Alexandria. Doch das Leben, das er suchte, blieb brüchig. Die Beziehung | |
| hielt nicht. Der Kontakt brach ab. Alexandria wuchs ohne ihren Vater auf. | |
| Erst 2006, als er im Sterben lag, sahen sie sich wieder. Ein Wiedersehen, | |
| das beide als zu spät empfanden. | |
| Ich kannte Alexandria lange nur vom Hörensagen, als die Cousine in den USA: | |
| „Du hast da drüben Familie.“ Ich sah Fotos von ihr in alten Alben, hörte | |
| Geschichten in Bruchstücken, Zwischenbemerkungen, Namen ohne Zusammenhang. | |
| Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, sie zu kennen, aber sie blieb | |
| eine Leerstelle. Keine gemeinsame Erinnerung, kein gemeinsamer Moment. | |
| Erst als ich Jahre später einmal in New York City war, dachte ich: Ich | |
| schreibe ihr. Einfach so. Direkt. Ohne Umwege. Wir folgten uns zwar auf | |
| Social Media, hatten aber nie wirklich Kontakt gehabt. Also schickte ich | |
| ihr eine Nachricht über Instagram. Kurz darauf telefonierten wir. In der | |
| Bronx wohne sie längst nicht mehr, sagte sie am Telefon; die Miete sei zu | |
| hoch geworden, und eigentlich habe sie immer schon in die Berge gewollt. | |
| Als wir uns 2022 trafen, fuhren wir nach Coney Island, ans südliche Ende | |
| von Brooklyn. Ein Ort, an dem Menschen Hotdogs essen, Achterbahn fahren, | |
| über Holzstege laufen, im Sommer im Meer baden und im Winter einfach nur | |
| auf selbiges schauen. Als ich mit Alexandria dort war, war das Meer grau, | |
| der Wind kalt. Wir liefen nebeneinander her, als hätten wir das schon | |
| einmal getan. | |
| Wir aßen Hotdogs, tranken Bier und redeten über alles Mögliche: Arbeit, | |
| Dating. Sie erzählte von ihrer früheren Stelle in Manhattan, Filialleiterin | |
| in einem Sneakerladen, bis das Unternehmen Personal einsparen wollte und | |
| sie gehen musste. Jetzt arbeitet sie wieder als Store Managerin in einem | |
| Bekleidungsgeschäft außerhalb der Stadt – ein Job, den sie mag, aber nicht | |
| unbedingt als sicher empfindet. | |
| In den USA könne man den Arbeitsplatz schnell verlieren, erklärte sie. Wenn | |
| sich Zahlen ändern, wenn der Umsatz schwankt, reicht manchmal ein Gespräch, | |
| ein Tag. Kein Kündigungsschutz, keine lange Vorwarnung. „Hier kann Arbeit | |
| einfach verschwinden“, sagt sie und zuckt mit den Schultern, als sei | |
| Unsicherheit ein Zustand, mit dem man leben lernt. Ich dachte an meine | |
| Eltern, für die Arbeit immer Halt war – etwas, das Zugehörigkeit erst | |
| möglich machte. | |
| Bei Alexandria scheint es anders zu sein. Arbeit ist wichtig, ja, aber | |
| nicht als Fundament. Eher als etwas, das man haben muss, um sichtbar zu | |
| bleiben. „Wenn du hier kein Auto hast, bist du raus“, sagt sie und lacht, | |
| halb Scherz, halb Ernst. Sie hat zwei. Mobilität bedeutet im ländlichen New | |
| York Unabhängigkeit, und Unabhängigkeit bedeutet Zugehörigkeit. | |
| Bei meiner Familie in Deutschland hängt Zugehörigkeit daran, gebraucht zu | |
| werden. Bei Alexandria hängt Zugehörigkeit an etwas Weicherem. Arbeit ist | |
| für sie Teil des Lebens, aber nicht sein Herz. Für Alexandria liegt dieses | |
| Herz mehr in den Beziehungen zu ihren Halbgeschwistern, Freundinnen, | |
| Nachbarinnen. | |
| Später an dem Tag, wo wir uns auf Coney Island getroffen hatten, saßen wir | |
| in einer Bar in Brooklyn. Das Licht war warm, die Musik laut genug, um | |
| Worte weich werden zu lassen. Und dann sagte Alexandria, fast beiläufig, | |
| ich solle doch zu Weihnachten kommen. Es fühlte sich in dem Moment logisch | |
| an, als hätte dieser Moment längst irgendwo auf mich gewartet. | |
| ## Die Lichterkette blinkt ungeduldig | |
| Und so sitze ich jetzt hier. In Highland Falls, im Wohnzimmer von | |
| Alexandria. Der Baum füllt fast den Raum aus, die Lichterkette blinkt | |
| ungeduldig, und ab und zu ertönt irgendwo ein Weihnachtsjingle. Hinter mir | |
| hängen an einer Wand Socken, unter anderem auch mit meinem Namen – | |
| geschrieben mit Glitzer. Ich betrachtete sie stolz, obwohl ich eigentlich | |
| wenig übrig habe für Weihnachten. | |
| Jemand ruft aus der Küche, dass noch Kekse im Ofen sind. „Ich hoffe, die | |
| sind gefüllt mit Marmelade!“, kommentiert jemand. Alexandria steht neben | |
| mir und erklärt, dass das eigentliche Ereignis morgens am 25. stattfindet, | |
| Christmas Morning, wenn alle in Schlafklamotten im Wohnzimmer sitzen und | |
| Geschenke auspacken, während Folienbänder und Geschenkpapier durch die Luft | |
| fliegen. Ich nicke und tue so, als verstünde ich die Regeln, obwohl mir | |
| klar ist: Es geht nicht um Regeln. Es geht um Dabeisein. Dieses Dabeisein | |
| ist laut, unordentlich, großzügig. Niemand fragt, warum jemand hier ist. | |
| Man ist einfach da. Und ich gehöre dazu. | |
| Es fühlt sich für mich zum ersten Mal so an, als würde Zugehörigkeit nicht | |
| von Leistung abhängen, sondern einfach davon, dass ich hier bin. Und das | |
| ist neu für mich. Neues Gefühl. Neuer Ort. Neues Fest. | |
| Dass ich mein erstes Weihnachten hier feiere, erscheint mir deshalb nicht | |
| mehr zufällig, sondern folgerichtig. Als hätte dieser Moment schon lange | |
| irgendwo darauf gewartet, sich zu melden – zwischen zwei | |
| Familiengeschichten, die ganz unterschiedlich begannen und doch auf | |
| dasselbe hinauslaufen: den Wunsch, irgendwo dazugehören zu dürfen. | |
| 24 Dec 2025 | |
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