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# taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete: Diskriminierung im Supermarkt
> Ein Hamburger Supermarkt verbot Menschen mit Bezahlkarte, Gutscheine zu
> kaufen. Bis die taz nachfragt – und eine falsche Webseite der Stadt
> entdeckt.
Bild: Schiebt der Stadt Hamburg die Schuld in die Schuhe: Edeka. Hier die Hambu…
Die Schilder sind unscheinbar, einfache Ausdrucke auf gelbem Papier mit
blauem Plastikrand. Am Montag hängen sie noch über den Süßigkeitenregalen
an der Supermarktkasse in einem großen Edeka-Markt in Hamburg-Wandsbek.
„Folgende Regeln gelten für den Gutscheinverkauf“ steht darauf, „maximal…
Gutscheine pro Kunde in einem Gesamtwert von bis zu 200 € täglich“ und:
„Gutscheinkäufe mit Sozialkarten sind verboten“.
Sie sind einer Kundin aufgefallen, die sich gewundert hat. Sozialkarten? In
Hamburg ist damit [1][die umstrittene Bezahlkarte für Geflüchtete] gemeint,
die hier „SocialCard“ heißt.
Wenige Tage nachdem die taz beim Supermarkt nachgefragt hat, was es mit den
Schildern auf sich hat, sind sie weg. Nicht nur das, auch eine Webseite der
Stadt Hamburg mit Infos zur Bezahlkarte ist nach einer taz-Anfrage offline.
Aber von vorn: Die Pressestelle von Edeka hat die Schilder zunächst
verteidigt. Der Markt würde mit ihnen nur eine Regel der Stadt Hamburg
umsetzen, schrieb eine Sprecherin der taz. Sie bezog sich auf eine
[2][Webseite des Amts für Migration], die, die mittlerweile nicht mehr
online ist. Da stand bis vor Kurzem: „Sie können mit der SocialCard keine
Gutscheine kaufen“.
Ganz anders klingt das schon lange auf einer anderen Info-[3][Seite zur
Hamburger Bezahlkarte]. „Sie können mit der SocialCard überall dort
bezahlen, wo VISA-Karten akzeptiert werden“, steht da.
Nanu, was denn nun? Die taz hat bei der zuständigen Sozialbehörde
nachgefragt. Der Sprecher räumte ein, dass die Information auf der
Webseite, auf die Edeka sich bezieht, falsch war. Deswegen sei die Seite
mit der falschen Information nun nicht mehr online. „Natürlich können Leute
mit der Socialcard auch Gutscheine kaufen.“
Zwar hat die Stadt Hamburg die Bezahlkarte eingeführt; was Menschen mit ihr
im Supermarkt kaufen und was nicht, darf sie aber nicht bestimmen. Die
Sozialbehörde hat deswegen den Edeka-Markt kontaktiert, um „das
Missverständnis“ aufzuklären, und „bezüglich der geltenden Rechtslage per
Mail informiert“. Edeka reagiert, bleibt aber bei seiner Argumentation:
„Nachdem diese Vorgabe am Mittwochnachmittag durch die Stadt Hamburg
geändert wurde, hat der Kaufmann (…) den Hinweis im Markt entfernt“,
schreibt die Pressestelle am Freitag.
Um zu verstehen, warum ein Supermarkt überhaupt bestimmen will, ob Menschen
mit Bezahlkarte Gutscheine kaufen können, muss man wissen, wie die Karte
für Inhaber*innen funktioniert. Man kann mit ihr weder Überweisungen
machen noch Verträge abschließen oder online bezahlen. Und: man kann nur 50
Euro im Monat bar abheben.
Das alles sind keine Fragen von Bequemlichkeit, sondern welche des
Überlebens: Die Sozialleistungen für Menschen, die Asyl beantragen (rund
441 Euro/Monat), liegen 20 Prozent unter dem Bürgergeldsatz (563
Euro/Monat), der sich am Existenzminimum orientiert. Mit der Bezahlkarte
und ihrem Bargeldlimit fallen nun viele günstige Einkaufsmöglichkeiten weg,
wie zum Beispiel kleine Läden, Flohmärkte, Ebay.
Deswegen organisieren Aktivist*innen der Initiative „Hamburg sagt Nein
zur Bezahlkarte“ einen [4][solidarischen Gutscheintausch]. Er umgeht das
Bargeldlimit, ist aber legal. [5][Das geht so]: Menschen mit Bezahlkarte
kaufen Einkaufsgutscheine in Supermärkten oder Drogerien, zum Beispiel im
Wert von 50 Euro, und bringen sie zu Tauschorten. Da tauschen sie die
Gutscheine eins zu eins gegen Bargeld, von solidarischen Menschen, die dann
mit den Gutscheinen einkaufen gehen. Mittlerweile gibt es ähnliche
Initiativen in vielen anderen Städten auch.
Versuchte der Hamburger Edeka-Markt etwa auf eigene Faust, diesen legalen
Gutscheintausch zu verhindern? Gab es in der Vergangenheit Probleme mit zu
vielen Gutscheinkäufen? Macht der Supermarkt vielleicht Verluste? Die
Marktleiter*innen beantworten der taz dazu keine Fragen. Nicht, wann
und warum sie die Schilder aufgestellt haben, und nicht, ob und wie sie die
Gutschein-Regeln umsetzten. Alle Anfragen sollen an die Pressestelle des
[6][Dachkonzerns von Edeka] gehen. Die will aufgrund der
„genossenschaftlichen Struktur mit überwiegend selbstständig geführten
Märkten keine allgemeingültige Aussage zur Reglementierung bei
Gutscheinverkaufen“ machen.
Eine Person, die in dem Markt an der Kasse arbeitet und anonym bleiben
möchte, erzählt der taz, dass hier nur selten Menschen mit Bezahlkarte
zahlen wollten. Dass jemand mit der Karte einen Gutschein gekauft hat, habe
die Person in einem ganzen Jahr nur einmal mitbekommen.
Warum der Supermarkt den Gutscheinkauf mit Bezahlkarte verboten hatte,
bleibt also unklar. Aber durfte er das überhaupt?
Nachfrage bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Einkäufe im
Supermarkt fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des
[7][Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)], schreibt ein Sprecher.
Ein Verstoß gegen das AGG wäre es, wenn eine scheinbar neutrale Regelung
Personen mit einem bestimmten Merkmal besonders trifft. Die Bezahlkarte
bekommen in Hamburg aktuell nur Geflüchtete. Die Regel könne daher eine
„Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft“ sein. Ein Verstoß gegen das
Gesetz könnten die Schilder sein, wenn der Markt „keinen sachlichen Grund
nachweisen kann, der einen pauschalen Ausschluss rechtfertigt“.
Gerichtsurteile zu solchen Fällen gibt es bisher nicht. [8][Im Juli wurde
ein ähnlicher Fall in Nürnberg bekannt.] Da hatte ein Lidl-Markt Schilder
aufgestellt, die Gutscheinkäufe mit Bezahlkarte verbieten. Auch sie
verschwanden nach einer Anfrage der Lokalpresse, und Lidl entschuldigte
sich.
Für die Hamburger Initiative „Nein zur Bezahlkarte“ waren die Schilder
schlicht rassistisch: „Wenn Supermärkte wie der Edeka in Wandsbek
entscheiden, gewisse Waren an eine Gruppe von Personen nicht zu verkaufen,
ist das eine diskriminierende Praxis, die auf gruppenbezogenem Rassismus
basiert.“ Der Supermarkt greife mit seiner Regel migrationsfeindliche
Narrative auf, indem er ein vermeintliches Verbot zu seiner eigenen Regel
mache. Der Fall zeige einmal mehr, dass Menschen durch die Bezahlkarte
stigmatisiert werden, „da sie als solche erkennbar und nicht, wie von Söder
und Co. behauptet, eine ‚normale Karte wie jede andere‘ ist“.
12 Dec 2025
## LINKS
[1] /Aktivisten-ueber-Bezahlkarte/!6121224
[2] https://www.hamburg.de/service/info/111095363/
[3] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/sozialbehoerde/them…
[4] /Hilfe-ueber-Tauschaktion-/!6107400
[5] /Hilfe-gegen-die-Bezahlkarte/!6095564
[6] /Diskriminierung-bei-Edeka-in-Hamburg/!5703651
[7] /AGG-Reform/!6104904
[8] https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/lidl-filiale-statement-der-initiative…
## AUTOREN
Amira Klute
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