| # taz.de -- Konferenz zu Antisemitismus: Judenhass über alle politischen Lager… | |
| > Eine Tagung befördert erschreckende Details alltäglichen Antisemitismus | |
| > an deutschen Universitäten zutage. Jüdische Studierende verlangen mehr | |
| > Schutz. | |
| Bild: Der Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Ron Dekel | |
| Die Worte gleichen sich. „Eine Zäsur für jüdisches Leben in Deutschland und | |
| in ganz Europa“ sei der 7. Oktober 2023 gewesen, sagt Ron Dekel, | |
| 23-jähriger Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. „Der 7. | |
| Oktober hat alles für uns verändert“, erklärt auch Matthias Heyl von der | |
| Gedenkstätte Ravensbrück. | |
| Die Wahrheit „verblasst“ auf dem Weg zu einer | |
| „Desinformationsgesellschaft“, analysiert der Präsident des | |
| Bundesverfassungsschutzes Sinan Selen. Das Massaker der Hamas in Israel | |
| habe [1][eine antisemitische Welle] ausgelöst, deren Ende noch nicht | |
| absehbar sei, so die einhellige Meinung auf einer wissenschaftlichen Tagung | |
| des Tikvah-Instituts in Berlin mit dem beklemmenden Titel „Antisemitismus | |
| und die ‚Krise‘ der Wahrheit“ am vergangenen Wochenende. | |
| Die von den neuen Informationstechnologien befeuerten Verschwörungstheorien | |
| griffen um sich, sagt Selen. Antisemitismus als prominentester Vertreter | |
| irrationaler Wahnvorstellungen nehme dabei einen besonderen Platz ein. Die | |
| antijüdische Vorstellungswelt sei ein besonderes Einfallstor für | |
| Extremisten. | |
| Wobei die Ideologie der Antisemiten höchst unterschiedlich ausfallen kann. | |
| Jüdische Studierende wie Dekel sind vor allem mit vermeintlich linken | |
| Protagonisten konfrontiert, die glauben, ihre Vorstellungen seien Teil | |
| eines antikolonialen Kampfs. Matthias Heyl hat es mit Rechtsradikalen zu | |
| tun, die muslimische Besucher im öffentlichen Raum außerhalb der | |
| Gedenkstätte Ravensbrück drangsalieren, aber auch mit rechts denkenden | |
| jungen Menschen aus deutschen Elternhäusern, die zu provozieren versuchten. | |
| Dies, so berichtete Heyl, sei schon so weit gegangen, dass eine jüdische | |
| Schülerin die Gedenkstätte aus Furcht um ihre Sicherheit nicht zusammen mit | |
| ihren nichtjüdischen Klassenkameraden besuchen wollte. Gipfel pädagogischer | |
| Maßregeln in Deutschland 80 Jahre nach dem deutschen Judenmord: Die Schule | |
| verlangte, dass das jüdische Mädchen wegen ihres Fehlens beim | |
| Gedenkstättenbesuch einen Aufsatz schreiben sollte – über den Holocaust. | |
| ## Hotspot Uni Campus | |
| Geheimdienstchef Selen verwies auf den [2][Judenhass unter militanten | |
| Islamisten], deren Zahl zwar geringer ausfalle, deren Radikalisierung aber | |
| besonders groß sei. Diese Gruppe verneine nicht nur das Existenzrecht | |
| Israels, sondern sehe Terrorangriffe auf israelische oder jüdische | |
| Einrichtungen in Deutschland als „legitimen Befreiungsakt“. | |
| Dave Rich arbeitet für die britische NGO Community Security Trust, die | |
| dabei hilft, Jüdinnen und Juden vor Angriffen zu schützen. Er meint, eine | |
| Interessenidentität zwischen Linken und Islamisten zu erkennen. Beide | |
| Gruppen bekämpften die liberale Demokratie. Das Gedenken an den Holocaust | |
| sei aber integraler Bestandteil der Gesellschaftsform. „Wenn du die | |
| liberale Demokratie zerstören willst, musst du auch das Gedenken an den | |
| Holocaust zerstören“, sagte er. Ein anderes, von rechts verwandtes Argument | |
| laute, die Erinnerung an den Holocaust befördere die Unterstützung von | |
| Migration in großem Ausmaß. | |
| Die Jüdische Studierendenunion sieht sich vor allem mit Israel-bezogenem | |
| Judenhass konfrontiert, wobei es allerdings keineswegs bei einer | |
| Identifikation mit den Terrortaten der Hamas bleibt, sondern klassisch | |
| rechtsradikale Parolen übernommen würden. Seminarräume seien mit Parolen | |
| wie „Juden ins Gas“ beschmiert worden. Dekel berichtet von einem Vorfall, | |
| bei dem eine Studentin „Juden raus aus dem AStA!“ gefordert habe. | |
| ## Wo genau beginnt der israelbezogene Antisemitismus? | |
| Parolen wie „Intifada bis zum Sieg“ erklärten die Vernichtung des Staates | |
| Israel zum Ziel. Es kursieren Behauptungen, das Hamas-Massaker vom 7. | |
| Oktober werde von „Zionisten“ „aufgebauscht“. Jüdische Studierende erl… | |
| eine ständige Anspannung und Bedrohung. Das Ergebnis: „Jüdische Studierende | |
| trauen sich teilweise nicht mehr an die Uni“, so Dekel. | |
| Die Universitätsleitungen hätten bei der [3][Bekämpfung antisemitischer | |
| Taten] versagt, moniert der Student der Politikwissenschaft. Der jüdische | |
| Studierendenverband hat Ende November einen Forderungskatalog aufgestellt. | |
| Verlangt wird darin, dass die Unis vorab Handlungspläne für den Fall | |
| beschließen, dass es zu antisemitischen Vorfällen kommt. Dazu zähle auch | |
| ein Hausverbot und die Möglichkeit einer Exmatrikulation. Zum Schutz der | |
| jüdischen Studierenden wird die verbindliche Einsetzung von | |
| Antisemitismusbeauftragten verlangt, bei deren Auswahl die Betroffenen ein | |
| Mitspracherecht haben sollten. | |
| Wobei sich die Frage stellt, wo der israelbezogene Antisemitismus denn | |
| beginnt. Ist die Behauptung, der jüdische Staat begehe einen Genozid an den | |
| Palästinensern bereits antisemitisch gefärbt, weil man damit die Existenz | |
| Israels delegitimiert? Die Referenten der Tikvah-Tagung waren sich darin | |
| einig, dies zu bejahen – aber das spricht eher für eine gewisse | |
| Einseitigkeit in der Auswahl der Vortragenden als für einen Konsens in | |
| dieser Frage. | |
| Verschwindet jüdisches Leben aus der Öffentlichkeit in Unis, Schulen und im | |
| Betrieb? Einiges deutet darauf hin. Ron Dekel berichtet davon, dass sein | |
| Verband in diesen Tagen 60 Universitäten mit der Bitte angeschrieben habe, | |
| im Dezember neben einem Weihnachtsbaum auch einen Chanukka-Leuchter | |
| sichtbar aufzustellen. Ganze zwei Unis stimmten zu. | |
| 1 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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