| # taz.de -- Wissenschaftlerin über Jagdtrophäen: „Koloniale Trophäen sind … | |
| > Jagen und der Kult darum bedienen unterschiedliche symbolische Ebenen. | |
| > Silke Förschler erklärt, woher sie kommen und was sie bedeuten. | |
| Bild: Ironisch gebrochen oder doch eher Symbol eines nationalen Männlichkeitsv… | |
| taz: Frau Förschler, warum hängen sich Menschen ein Geweih ins Wohnzimmer? | |
| Silke Förschler: Ein Geweih verweist auf eine erfolgreiche Jagd: Man ist | |
| siegreich aus der Begegnung mit dem Tier hervorgegangen und kann sich das | |
| Objekt, das an den Erfolg erinnert, an die Wand hängen. Jedoch schwingt | |
| nicht nur die Naturbeherrschung mit, sondern auch die Beherrschung der | |
| sozialen Codes des Jagens. Man weist sich mit der Trophäe als Teil einer | |
| Jagdgemeinschaft aus. | |
| taz: Ist das vor allem für Männer wichtig? | |
| Förschler: Teil der jagdlichen Praktiken sind immer auch Vorstellungen von | |
| Geschlechtsidentität. In der Moderne hängt das Jagen eng mit der Idee einer | |
| virilen Männlichkeit zusammen, einer Männlichkeit, die im sportlichen | |
| Wettkampf der Natur begegnet und sie unter Kontrolle bringt. Gegenwärtig | |
| spielen beim Jagen auch Diskurse um Umweltschutz und Ökologie eine Rolle. | |
| taz: Geweihe erinnern auch an ein rechtes, konservatives Heimatbild. | |
| Förschler: Diese Vorstellung – verkörpert im Bild des röhrenden Hirsches | |
| über dem Bett im Schlafzimmer– kam insbesondere in den 1950er Jahren durch | |
| die Heimatfilme auf. In diesen Heimatfilmen symbolisierte der Jäger eine | |
| neue positive Männlichkeit nach dem Nationalsozialismus. Die hier gezeigte | |
| Heimatverbundenheit war der Versuch, Heimat anders, nämlich über Natur, | |
| übers Jagen zu definieren. Dieses Heimatideal hat eben auch das Wohnen sehr | |
| geprägt. Im Nationalsozialismus und generell im Imperialismus ging es um | |
| die größten und prächtigsten Trophäen und deren nationale Aufladung. | |
| taz: Und gleichzeitig war Jagen eine koloniale Praxis. | |
| Förschler: Im Zuge des Kolonialismus wurden insbesondere die sogenannten | |
| Big Five gejagt: [1][Elefanten], Nashörner, Büffel, Löwen und Leoparden. | |
| Das Jagen, Spurenlesen, aber auch das Präparieren der Tiere [2][ist immer | |
| mit Hilfe der indigenen Bevölkerung geschehen]. Indigenes Wissen ist jedoch | |
| nicht Teil der Memorialkultur um die Trophäen. Koloniale Trophäen sind | |
| Machtsymbole: Man hat sich die fremde Natur angeeignet und gleichzeitig | |
| auch die Menschen vor Ort beherrscht. Diese Dimensionen sollten in der | |
| Aufarbeitung des Kolonialismus eine Rolle spielen: [3][Wie gehen wir mit | |
| kolonialen Trophäen um?] | |
| taz: Was mache ich also, wenn ich einen Elefantenzahn erbe? | |
| Förschler: Man kann versuchen herauszufinden: Was hat dieses Objekt für | |
| eine Geschichte, wo wurde das Tier getötet? Gibt es eventuell eine | |
| Möglichkeit, es zurückzuführen? Gäbe es Interesse daran? Das sind dieselben | |
| Fragen, die sich Museen mit kolonialen Raubgütern stellen müssen. | |
| [4][Koloniale Trophäen hatten immer auch eine naturalisierende Funktion]. | |
| Mit ihrer Präsenz in den Wohnräumen waren sie ein Anknüpfungspunkt, um von | |
| erfolgreichen Jagden in den Kolonien zu erzählen und so koloniale | |
| Machtverhältnisse in Form von Familienerzählungen zu neutralisieren. | |
| taz: Ist Dekostoff mit Leo-Print auch kolonial? | |
| Förschler: Ich finde schon, dass man Leo-Print auch im kolonialen Kontext | |
| sehen muss. Das Schmücken mit exotischen Tiermaterialien war eine koloniale | |
| Tradition. Aber Baumwollshirts oder Jeans mit Leo-Print können natürlich | |
| auch als ironisch gebrochenes Zitat verstanden werden. | |
| taz: In dem Sammelband wird Stefan Zweig zitiert: „Der Mann | |
| fortschrittlich, aggressiv. Die Frau scheu, schüchtern, defensiv. Jäger und | |
| Beute statt gleich und gleich.“ Da wird Jagdsprache auf einen | |
| Beziehungskontext übertragen. | |
| Förschler: Jagdliche Metaphern lassen sich in vielen Kontexten finden. | |
| Besonders prominent sind sie, [5][wenn es um Interaktionen zwischen den | |
| Geschlechtern geht]. Beispielsweise bei der Formulierung „Trophy-Wive“, | |
| also die Frau verstanden als Objekt, das man gejagt hat und nun besitzt. | |
| Historisch gesehen muss jedoch ergänzt werden, dass in der Frühen Neuzeit, | |
| vor dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft, Fürstinnen und | |
| Landesherrinnen auch gejagt haben. Hier war weniger die Genderdifferenz als | |
| die Klassendifferenz entscheidend, da Jagen ein Adelsprivileg war. So gibt | |
| es einige Portraits, auf denen sich Herrscherinnen im Jagdkostüm malen | |
| ließen, beispielsweise Lieselotte von der Pfalz oder Maria Amalia von | |
| Bayern. | |
| 10 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Grosswildjaeger-im-Umweltministerium/!5049471 | |
| [2] /Umweltschuetzer-und-Waljaeger/!5273513 | |
| [3] /Ausstellung-zu-Kolonialismus/!5548362 | |
| [4] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671721 | |
| [5] /Beliebte-Jaegerei/!5023487 | |
| ## AUTOREN | |
| Amanda Böhm | |
| ## TAGS | |
| Jagd | |
| Maskulinismus | |
| Bremen | |
| Niedersachsen | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Deutscher Kolonialismus | |
| Kolonialismus | |
| Bildwelten | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Waldschäden | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jäger und Sammler: Tiere wie wir | |
| Die Fotografin Laurence Kubski erforscht in ihrer Fotoarbeit „Sauvage“ | |
| nicht nur die Wildtiere des Schweizer Kantons Freiburg, sondern auch den | |
| Menschen. | |
| Ilse Aigner über Debattenkultur: „Diese moralische Attitüde nervt“ | |
| Die Debattenkultur hat einen Tiefpunkt erreicht, findet Bayerns | |
| Landtagspräsidentin Aigner. Die CSU-Politikerin plädiert für einen anderen | |
| Umgang unter Politikern. | |
| Jagd und Waldumbau in Brandenburg: Kenia einigt sich auf Jagdgesetz | |
| Nach langem Ringen hat Axel Vogel (Grüne) einen Kompromiss vorgelegt. Eine | |
| radikale Verkleinerung der Flächen für die Eigenjagd ist vom Tisch. |