| # taz.de -- Jäger und Sammler: Tiere wie wir | |
| > Die Fotografin Laurence Kubski erforscht in ihrer Fotoarbeit „Sauvage“ | |
| > nicht nur die Wildtiere des Schweizer Kantons Freiburg, sondern auch den | |
| > Menschen. | |
| Bild: Der Cercle ornithologique de Fribourg | |
| Wenn in [1][Laurence Kubskis] Fotos dicke Schnecken über die Glasscheibe | |
| vorm Himmel subschen, wenn zerbrechliche runde Vogelkörper wie atmende | |
| Federkugeln an ihren Streichholzbeinen in haarig-dickbefingerten | |
| Menschenfäusten gehalten werden, wenn feuerrot bebauchte Molche in | |
| stahlgrauem Wasser schweben, die Seiten besetzt mit tausend augengleichen | |
| Punkten, dann sind sie vor allem eins: sinnlich. | |
| „Seit ich den Gang eines Gepards sah, ist dieser Rausch des Gehens über | |
| mich gekommen. Alles leiblich Schöne erlebt man erst an Tieren. Wenn es | |
| keine Tiere gäbe, wäre niemand mehr schön“, schreibt Elias Canetti in „D… | |
| Provinz des Menschen“. | |
| Betrachtet man Kubskis Aufnahmen, überkommt einen leicht der Rausch des | |
| Sehens. Auch hier erlebt an den Tieren, in der „Provinz“ des Schweizer | |
| Kantons Freiburg, für den die 1986 in der Schweiz geborene Künstlerin die | |
| 14. Ausgabe der Reportage [2][„Fotografische Ermittlung“] anfertigte. Ihr | |
| Titel? „Sauvage“ – Wild. | |
| Das Wilde ist ein viel konnotiertes Wort. Mystisch und mythisch enthält es | |
| Versprechen, Begehren, Furcht. Blickt man auf die Wesen in Kubskis Bildern, | |
| kann sich die Wildheit nicht lange halten. In der Interaktion des Menschen | |
| und seiner Kultur wird sie beobachtet, vermessen, bewertet, vermehrt, | |
| geschützt, gejagt, erlegt und ausgestellt. Sie wird eingesperrt und | |
| überwacht, kontrolliert, begrenzt, ausgewildert und getötet. Wild sind die | |
| Tiere in Kubskis Aufnahmen nur im Sinne der Überlebenden, die sich der | |
| entfesselten Besiedlung des Homo sapiens widersetzen konnten. Und obwohl | |
| sie die Praktiken der Kultur zelebrieren, sind es die Menschen, die wir | |
| hier als Wilde erleben. | |
| Trotz aller Faszination und vom Kontrolldrang getrieben erdrücken sie die | |
| Natur, wie ein überbordendes Kind, das vor Erregung den Käfer zerquetscht, | |
| statt ihn einfach nur zu betrachten. | |
| ## Getrieben von ihrer Neugier | |
| Auf Kubskis Fotografien sehen wir also auch ebenjene Menschenkinder in | |
| Interaktion mit den von ihnen begehrten Tieren. Während die Künstlerin | |
| Insekten, Vögel, Amphibien im Bild inszeniert, ist es am Ende doch der | |
| Mensch, der dabei wie zufällig in ihren Aufnahmen dokumentiert wird. Der | |
| sich unter Kubskis gutmütiger Linse in seinem Umgang mit der Natur | |
| entfaltet, enthüllt und selbst entlarvt. | |
| Die Fotografin hat kein Interesse am moralischen Urteil, das sagt sie | |
| selbst: es ist die schiere Neugier, die sie treibt. Ihr Blick fängt das | |
| vielgeschäftige Treiben all dieser Wesen ein. Dabei fallen uns die Augen | |
| ins Auge. Die echten und die als solche getarnten der Tiere. Die hinter | |
| Ferngläsern verborgenen der Menschen. Die gläsernen Attrappen auf dem Tisch | |
| eines Präparators. Während wir sie betrachten, blicken sie stechend fragend | |
| aus Laurence Kubskis Bildern zurück auf uns selbst – und wir begreifen: die | |
| wilden Tiere sind auch wir. | |
| 2 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.laurence-kubski.com/ | |
| [2] https://www.fr.ch/de/kub/news/14-fotografische-ermittlung-sauvages-buch-von… | |
| ## AUTOREN | |
| Hilka Dirks | |
| ## TAGS | |
| Bildwelten | |
| Jäger | |
| Natur | |
| Fotografie | |
| Ausstellung | |
| Reiseland Frankreich | |
| GNS | |
| Jagd | |
| Bildwelten | |
| Fotografie | |
| Ausstellung | |
| Social-Auswahl | |
| Bildwelten | |
| Bildwelten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wissenschaftlerin über Jagdtrophäen: „Koloniale Trophäen sind Machtsymbole… | |
| Jagen und der Kult darum bedienen unterschiedliche symbolische Ebenen. | |
| Silke Förschler erklärt, woher sie kommen und was sie bedeuten. | |
| Fotoarbeit „Encyclopaedia“: Traue nicht deinen Augen | |
| Fakes gibt es schon viel länger als das Internet, etwa in Lexika. Was ist | |
| wahr und was ist falsch? Damit spielt die Künstlerin Weronika Gęsicka. | |
| Fotograf Wolfgang Tillmans: Vom Olymp aus steigt er in die Maschinenhalle | |
| Der Fotograf Wolfgang Tillmans wird weltweit gefeiert. Mit einer | |
| Ausstellung in Remscheid begibt er sich auf eine Reise zurück in seine | |
| Heimatstadt. | |
| Werkschau für A K Dolven: Sie spannt den Muskel an und schießt | |
| Zupackend und zart sind die Werke der norwegischen Künstlerin A K Dolven. | |
| Das Nationalmuseum in Oslo richtet ihr eine tolle Werkschau aus. | |
| Fotoausstellung über Hauptstraßen: Hier war schon mal mehr los | |
| Der Fotograf André Lützen hat Hauptstraßen im ganzen Land besucht. Seine | |
| Bilder zeigen deutsche Normalität und schöne Skurrilitäten. | |
| Aslı Özdemir über ihre Fotoarbeit: „Eigentlich leben wir permanent in unse… | |
| Die Fotografin Aslı Özdemir setzt sich selbst und ihre Familie in Szene. | |
| Dabei erkundet sie unsichtbare Mechanismen der Ausgrenzung. | |
| Humanitäre Notlage in Gaza: Über Leben in Gaza | |
| Der Fotograf Ahmed Jarbou dokumentiert mit seinen Fotos den Willen der | |
| Menschen in Gaza, weiterzuleben – trotz der massiven Zerstörung um sie | |
| herum. |