| # taz.de -- Migrationspolitik in Uganda: Willkommenskultur im Stich gelassen | |
| > Ugandas Open-Door-Policy gegenüber Geflüchteten galt lange als | |
| > Vorzeigemodell. Doch mit der Kürzung internationaler Hilfen stößt das | |
| > Land an seine Grenzen. | |
| Bild: Kinder in einem Aufnahmelager in Uganda an der kongolesischen Grenze | |
| Vor dem heruntergekommenen Gebäude der Flüchtlingsbehörde in Ugandas | |
| Hauptstadt Kampala herrscht schon am frühen Morgen Trubel. Hunderte | |
| Kongoles*innen, Sudanes*innen, Eritreer*innen und Geflüchtete aus | |
| Somalia stehen in den engen staubigen Gassen Schlange. | |
| Unter ihren Armen klemmen braune Briefumschläge oder bunte Plastikhefter, | |
| in welchen sie ihre Bewerbungsunterlagen und ausgefüllte Formulare | |
| einsortiert haben. Viele sind ohne Reisepässe oder sonstige Ausweispapiere | |
| aus ihren Konfliktländern geflohen. Die meisten kamen zu Fuß oder mit dem | |
| Bus über die Grenze, besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen oder in | |
| eine Reisetasche passt. | |
| Sie alle ersuchen nun Asyl in Uganda. Das ostafrikanische Land ist weltweit | |
| berühmt für seine offenherzige Flüchtlingspolitik, ein Vorzeigeland quasi. | |
| Nach der Türkei steht Uganda weltweit auf Platz zwei hinsichtlich | |
| Aufnahmezahlen, in Afrika selbst gar auf Platz eins. | |
| Zwei Millionen Geflüchtete beherbergt Uganda derzeit, fast die Hälfte von | |
| ihnen aus dem konfliktgeplagten [1][Nachbarland Südsudan] und mehr als | |
| 600.000 aus den Kriegsgebieten der [2][Demokratischen Republik Kongo]. Die | |
| übrigen stammen [3][aus Sudan], Eritrea, Äthiopien oder Somalia – also aus | |
| der erweiterten Region. Sie alle haben den beschwerlichen Weg über mehrere | |
| Grenzen auf sich genommen, meist zu Fuß, denn sie sind sich sicher: In | |
| Uganda erhalten sie auf jeden Fall Asyl. | |
| „Meine Tante und andere Verwandte leben bereits hier“, erklärt ein junger | |
| Mann aus Eritrea auf gebrochenem Englisch, der nur mit seinem Vornamen Eyob | |
| genannt werden will. In Jeans, schwarzem T-Shirt und Flipflops an den Füßen | |
| steht er in der Warteschlange. Seine wild abstehenden Haare sind staubig. | |
| Es wirkt, als habe er seit Langem nicht mehr duschen können. „Ich bin erst | |
| vorgestern hier angekommen, zu Fuß nach drei Wochen durch die Wüste“, | |
| berichtet er. Er habe sich von Eritrea via Äthiopien und Kenia nach Uganda | |
| durchgeschlagen, sei illegal über die grüne Grenze marschiert. | |
| ## Geflüchtetenunterkünfte sind voll | |
| Aus dem Backsteingebäude treten Polizisten in schwarzer Uniform hervor, | |
| Kalaschnikows über den Schultern. Sie mahnen die Menschenmasse, in welcher | |
| sich einige Leute vordrängeln wollen, zur Ordnung. „Diejenigen, die aus | |
| Eritrea, Äthiopien oder Somalia kommen, müssen bitte gehen“, tönt einer der | |
| Polizisten mit lauter Stimme. „Wir nehmen gerade niemand mehr auf, der | |
| nicht aus einem Kriegsgebiet stammt.“ | |
| Eyob guckt entsetzt. Die Betroffenen fangen an zu diskutieren – auf der | |
| eritreischen Sprache Tigrinya oder auf Somali. Dann machen sich Dutzende, | |
| darunter Eyob, mit hängenden Köpfen davon. | |
| Ugandas zahlreiche Geflüchtetensiedlungen sind voll. Das Land stößt mit | |
| seiner Willkommenskultur an seine Grenzen. Ugandas Regierung hat keine | |
| Kapazitäten, all die Geflüchteten zu versorgen – und die internationale | |
| Gemeinschaft gibt nicht genug, als dass es für alle zwei Millionen reichen | |
| würde. Täglich kommen durchschnittlich weitere 600 Menschen an. | |
| Die Ugander waren bislang stolz auf ihre „Open-Door-Policy“, wie sie es | |
| nennen. Denn während der Diktaturen und Bürgerkriege in ihrem eigenen Land | |
| waren die meisten Ugander selbst einmal Geflüchtete, die politische Elite | |
| Ugandas ist im Exil in den Nachbarländern aufgewachsen. Aus dieser | |
| Erfahrung heraus wurde die Flüchtlingspolitik so liberal wie möglich | |
| gestaltet. | |
| ## Grundstück, Acker und Gartengeräte | |
| Ugandas Politik ist so angelegt, dass die Menschen die Chance erhalten, | |
| sich ein neues Leben aufzubauen: Die meisten Geflüchteten bekommen | |
| innerhalb von drei Monaten neue Ausweispapiere ausgestellt, sogar Pässe, | |
| mit denen sie reisen können. Sie dürfen unbegrenzt in Uganda bleiben und | |
| arbeiten, viele sind schon ein halbes Leben lang hier, einige sind in | |
| Uganda geboren. | |
| Wer nicht genug Geld mitbringt, um sich selbst zu finanzieren, erhält einen | |
| Platz in den Dutzenden Flüchtlingslagern zugeteilt – riesige Siedlungen | |
| entlang der Landesgrenzen. Dort bekommen die Familien ein Grundstück, | |
| Gartengeräte, Baumaterialien und ein Startpaket mit Kochgeschirr, Decken | |
| oder Matratzen und Samen zum Aussähen. Sie sollen sich selbst eine Hütte | |
| bauen, einen Gemüseacker anlegen. | |
| Bis zur ersten Ernte erhalten sie Lebensmittel wie Reis, Bohnen, Salz und | |
| Bratöl vom UN-Welternährungsprogramm (WFP). Dann sollen sie sich selbst | |
| ernähren – so die Idee. Diejenigen, die lieber in den Städten leben, | |
| erhalten eine Arbeitserlaubnis sowie die Genehmigung, einen Laden, ein | |
| Restaurant oder Friseursalon aufzumachen. Damit werden die Geflüchteten zum | |
| aktiven Teil der Wirtschaft. | |
| Doch auch dieses Konzept stößt nun an seine Grenzen. Laut dem offiziellen | |
| Budgetplan benötigt Ugandas Flüchtlingsministerium knapp eine Milliarde | |
| Dollar jährlich, um die Flüchtlingslager zu unterhalten. Doch laut | |
| aktuellem Stand sind für das laufende Haushaltsjahr 2025/26 nur rund 170 | |
| Millionen Dollar, also nicht einmal 20 Prozent, von der internationalen | |
| Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden. Die Lücke – rund 800 Millionen | |
| Dollar – kann Uganda nicht alleine füllen. | |
| ## Nur noch die „dringenden Fälle“ | |
| Deswegen ist das Land, wo sich seit Jahrzehnten die Geflüchteten Ost- und | |
| Zentralafrikas hin retten, nun gezwungen, seine Grenzen zu schließen. „Wir | |
| sind dazu übergegangen, nur noch die ganz dringenden Fälle aufzunehmen“, so | |
| Geoffrey Mugabe vom Flüchtlingsministerium Ende Oktober: „Anträge von | |
| denjenigen, die nicht aus einem Kriegsgebiet kommen, also konkret aus | |
| Somalia, Äthiopien oder Eritrea, werden derzeit nicht mehr angenommen.“ | |
| Das bedeutet im Umkehrschluss, dass viele, wie der junge Eritreer Eyob, | |
| letztlich illegal in Uganda verbleiben und keinen Zugang mehr haben zu | |
| Bildung, Lebensmittelpaketen oder Unterkunft. Woanders hinzugehen, ist | |
| ebenfalls keine Option. Die meisten tauchen daher einfach in Kampala unter | |
| oder wenden sich an illegale Schlepper- und Schleusernetzwerke, um nach | |
| Europa oder Nordamerika zu gelangen. | |
| Die Bundesregierung und viele weitere westliche Staaten sind bereits seit | |
| Langem Partner, um die Flüchtlingssituation in Uganda mitzufinanzieren. | |
| Doch während die Zahl der Geflüchteten in Afrika stetig zunimmt, werden in | |
| Europa die Budgets für Entwicklungszusammenarbeit mit dem Globalen Süden | |
| immer weiter zusammengestrichen. | |
| ## Fehlende internationale Hilfen | |
| Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hatte zu Beginn des Jahres | |
| begonnen, die [4][Entwicklungsagentur USAID] abzuwickeln und die Beiträge | |
| für internationale Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, | |
| das Welternährungsprogramm WFP und für NGOs einzustampfen. Dies riss | |
| zusätzlich ein gewaltiges Loch in das Budget in Uganda. | |
| Das WFP kann mittlerweile nur noch die Hälfte der Lebensmittellieferungen | |
| an die Familien verteilen, wenn überhaupt. Für die zahlreichen Schulküchen | |
| in den riesigen Lagern bleibt nun nichts mehr übrig. Japan ist kurzfristig | |
| eingesprungen, um in einem der Lager den Kindern Schulhefte und ein warmes | |
| Mittagessen zu spendieren. | |
| Trotz der prekären Lage klopfen nun US-amerikanische und europäische | |
| Delegationen beim Flüchtlingsministerium in Kampala an und bieten | |
| [5][Uganda einen Deal an]: Das Land soll ungewollte Migranten aus den | |
| Niederlanden und den USA aufnehmen, dafür würden dann für Ugandas | |
| Unterkünfte Gelder bereitgestellt – so das Angebot. | |
| Ugandas Präsident hat diesem Deal prinzipiell zugestimmt, hat jedoch | |
| Bedingungen gestellt: Die Menschen, die nach Uganda deportiert werden | |
| sollen, sollen afrikanische Herkunft haben und freiwillig das | |
| Einverständnis geben, nach Uganda ausgeflogen zu werden. | |
| 27 Nov 2025 | |
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| [3] /Flucht-aus-Sudan/!6115539 | |
| [4] /Abwicklung-von-USAID-in-Uganda/!6067513 | |
| [5] /Uganda-unterzeichnet-Abschiebeabkommen/!6105162 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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