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# taz.de -- Ägyptens Superstar Umm Kulthum: Wie migrantische Kultur Hamburgs E…
> Über 2.000 Menschen kamen zu einem Konzert, das von der arabischen Ikone
> inspiriert war – ganz selbstverständlich im Zentrum der deutschen
> Hochkultur.
Bild: Panarabische Ikone: Dieses Café in Baghdad ist Umm Kulthum gewidmet
Am Sonntag saß ich in der Elbphilharmonie und erlebte etwas, das mich
selbst überraschte: In einem der bedeutendsten Konzertsäle Europas erklang
Musik, die von Umm Kulthum inspiriert ist, – der größten Sängerin der
arabischen Musikgeschichte, 1975 gestorben, aber durch ihre Musik heute
noch lebendig. [1][Fünfzig Jahre nach ihrem Tod] wird ihre Musik in Hamburg
gefeiert. Allein diese Tatsache erzählt bereits eine Geschichte.
Umm Kulthum war nicht einfach eine Sängerin. Sie war ein Phänomen. Man
nannte sie die „vierte Pyramide“ oder den „Stern des Orients“. Im Jahr …
erschien die erste Aufnahme eines Liedes von ihr. Davon wurden 18.000
Schallplatten verkauft.
Sie gehörte zu den berühmtesten Künstlerinnen der Welt. Oft sang sie ohne
Mikrofon, weil ihre Stimme einen ganzen Saal füllen konnte. Ihre Konzerte
waren keine Darbietungen – sie waren Zustände. Dieser Zustand heißt Tarab �…
ein Begriff, der schwer zu übersetzen ist. Er beschreibt kollektive
emotionale Ekstase, ein Sich-Verlieren in der Musik.
Geboren Ende des 19. Jahrhunderts, begann Umm Kulthum [2][ihre musikalische
Laufbahn als Kind]. Gemeinsam mit ihrem Vater sang sie religiöse Lieder auf
Festen. Weil es für Mädchen gesellschaftlich nicht akzeptiert war,
öffentlich aufzutreten, trug sie Jungenkleidung. Schon hier zeigt sich:
Diese Stimme musste sich ihren Raum erst erkämpfen.
Legendär ist ihr einziges Konzert in Paris 1967. Es wurde von Le Monde als
eines der größten Konzertereignisse in Paris gewürdigt. Der Veranstalter
schlug vor, sie solle zwei Stunden singen – mit drei Liedern. Er hielt das
für großzügig. Am Ende dauerte der Abend fünfeinhalb Stunden. Drei Lieder.
Erst danach verstand Europa, dass Umm Kulthums Musik einer anderen
Zeitlogik folgte.
All das wurde nun in der Elbphilharmonie spürbar. Für viele Deutsche war es
eine Entdeckung. Weil sie Umm Kulthum zuvor nicht kannten. Wie konnte das
sein? Außerhalb Frankreichs war Umm Kulthum in Europa lange kaum präsent.
Für viele Menschen mit arabischer Geschichte hingegen ist ihre Stimme Teil
der eigenen Biografie: eine Stimme der Kindheit, der Eltern, der
Erinnerung. An jedem Ort in Syrien war Umm Kulthums Stimme präsent – im
Radio, im Fernsehen, ihre Musik wurde in Bussen und Geschäften gespielt.
Dass der große Saal mit über 2.100 Plätzen ausverkauft war, ist kein
Zufall. Dieses Konzert hat gezeigt, wie migrantische Kultur nicht am Rand,
sondern im Zentrum der deutschen Kulturlandschaft stattfinden kann.
Sichtbar. Selbstverständlich.
## Nicht frei von Widersprüchen
In einer patriarchalen Gesellschaft war Umm Kulthum eine emanzipatorische
Ikone. Doch ihre Geschichte ist nicht frei von Widersprüchen. Umm Kulthum
steht auch für etwas anderes: Sie stand dem ägyptischen Staat sehr nahe –
zunächst dem Königreich, später dem Regime von Gamal Abdel Nasser.
Genau hier setzt die berühmte satirische Episode des Dichters Ahmed Fouad
Negm an. In einem Gedicht erzählt er von einem Studenten namens Ismail, der
von Umm Kulthums Hund gebissen wird. Der Fall geht zur Polizei, die
Verletzung wird bestätigt – und dennoch werden Umm Kulthum und ihr Hund von
jeder Verantwortung freigesprochen. Begründung: ihre Verdienste für den
Staat.
Die Pointe folgt in der Realität. Der Student sagt später in einem
Interview: „Ich bin glücklich, denn der Hund, der mich gebissen hat, war
der Hund von Umm Kulthum.“ Negm legte noch nach: Er verbreitete die
Anekdote, als Umm Kulthum sein Gedicht gelesen habe, habe sie gesagt: „Ich
werde das Haus dessen zerstören, der dieses Gedicht geschrieben hat.“ Diese
Geschichte erzählt von Macht, Nähe zur Elite und von den Brüchen hinter dem
Mythos. Und vielleicht macht genau das [3][Umm Kulthum so relevant bis
heute].
Besonders berührend machte den Abend in der Elbphilharmonie, dass
Musikerinnen und Musiker aus arabischen Ländern, aus dem Iran und aus
Deutschland gemeinsam auf der Bühne standen. Es wurde auf Arabisch und
Farsi gesungen. Es wurde gelacht, erinnert, geschwiegen, auch Tränen
vergossen. Es war ein Abend, der gezeigt hat, dass Musik nicht nur gehört
werden will. Sie will verstanden werden – als Geschichte, als Migration,
als Emotion.
20 Dec 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Hussam Al Zaher
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