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# taz.de -- Star der arabischen Musik: Fairouz, eine lebendige Legende
> Die Sängerin Fairouz ist ein Symbol libanesischer Einheit. Ihre Lieder
> werden bis heute und aktuell wieder viel gespielt. Jetzt ist sie 90
> geworden.
Bild: Diva Fairouz, eine der beliebtesten Sängerinnen der arabischen Welt, wä…
Berlin taz | Als [1][die israelischen Luftangriffe auf dem Libanon] im
Oktober 2024 zunahmen und das israelische Militär im Südlibanon
einmarschierte, spielte das öffentlich-rechtliche Radio „Radio Liban“ jeden
Tag fast stündlich Lieder von Fairouz – insbesondere solche, in denen sie
den Libanon und seine Geschichte besingt. Denn auf die Sängerin Fairouz,
die jetzt 90 Jahre alt geworden ist, können sich bis heute fast alle
Libanesen einigen.
„Seele des Libanon“, Nationalsymbol, arabische Kulturbotschafterin oder gar
Ikone der arabischen Welt – Fairuz hat im Laufe ihres Lebens viele
Ehrentitel erhalten. Sie hat über 1.000 Lieder und 80 Alben eingespielt,
die sich – ob als Kassette, Schallplatte oder CD – über 150 Millionen Male
verkauften, und sie hat bis heute Millionen von Fans.
Die nackten Zahlen beschreiben ihren Erfolg und ihre Bedeutung aber nicht
annähernd. Fairouz verwandelt Emotionen in Gesang: Liebe, Verlust, Trauer,
Sehnsucht hat sie besungen, genauso wie die Hoffnung auf Frieden, einen
geeinten Libanon und ein freies palästinensischen Volk. Kunst sei für sie
„wie ein Gebet“, sagte sie einmal.
Ihre Stimme erzählt Geschichten über das glückliche, blühende Dorfleben wie
über die tiefe Trauer und Traumata der Kriegsjahre, die viele
Libanes:innen ins Exil trieben. Ihre Lieer eroberten auch deshalb die
Herzen der großen libanesischen Diaspora, von denen viele ein romantisches,
manchmal auch etwas verklärtes Bild ihrer alten Heimat haben und sich nach
eben dieser Heimat als friedlich vereinter Idylle sehnen.
„Wenn man sich den Libanon heute anschaut, sieht man, dass er keine
Ähnlichkeit mit dem Libanon hat, über den ich singe“, sagte Fairuz in einem
Interview, bereits im Jahr 1999. Das Publikum suche einen Libanon in ihren
Liedern, den es so vielleicht nie gegeben habe. „Es ist, als ob die Lieder
zu ihrem Land geworden sind.“
## Ihr Auftritt in Baalbek machte sie berühmt
Fairuz stammt aus einer christlichen maronitischen Arbeiter-Familie, die im
Zuge des Völkermords an den Armeniern aus der heutigen Türkei in den
Libanon geflohen waren. Sie wurde 1935 in Jabal al Arz geboren, einem Ort
im Schouf-Gebirge, studierte am staatlichen Musikkonservatorium und sang
beim staatlichen Rundfunkchor des Libanon. Dort gab ihr der Komponist Halim
al-Roumi den Spitznamen Fairuz („Türkis“).
1957 trat sie bei einem Festival in Baalbek vor der beeindruckenden Kulisse
des antiken römischen Tempels auf und erlangte dadurch nationale
Bekanntheit. Die Ruinenstadt Baalbek ist jetzt wieder in den Schlagzeilen,
[2][weil die israelische Luftwaffe den Ort bombardiert].
1955 heiratete sie den Musiker und Komponisten Assy Rahbani, der mit seinem
Bruder Mansour den Stil von Fairuz prägte. Sie mischten westliche,
russische und lateinamerikanische Elemente mit klassisch arabischen
Rhythmen zu einem modernen Orchestersound. Ihre Lieder trafen den Nerv
einer Zeit, in der viele arabischsprachige Länder nach dem Kolonialismus
und der Staatsgründung Israels im Jahre 1948 nach einer nationalen
Identität suchten. Nicht zuletzt durch ihre Lieder über Palästina stieg
Fairuz in der Ära des arabischen Nationalismus zu einer Ikone auf.
Fairuz' Lieder wurden in belebten Restaurants gespielt, sie hallten an den
Fronten des libanesischen Bürgerkriegs zwischen 1975 und 1990 wider, und
erklangen in den Nachkriegsjahren erneut in vielen Häusern und Cafés.
Gemeinsam mit der Sängerin Um Kulthum ist Fairuz bis heute zweifellos der
größte Star im arabischsprachigen Raum. Anders als die Ägypterin, die 1975
starb, ist sie aber eine lebende Legende.
## Symbol libanesische Einheit
Während des Bürgerkriegs weigerte sie sich, aus ihrem Land zu fliehen. Sie
blieb in der Hauptstadt Beirut, damals eine geteilte Stadt. Der Sängerin
gehörte ein Haus im Westen und eins im Osten, die sie je nach
Sicherheitslage bewohnte. Zu dieser Zeit weigerte sie sich, im Libanon
aufzutreten, weil jede Gruppe, die das Gebiet kontrollierte, versuchen
könnte, sie durch ein Konzert zu instrumentalisieren, sagte Fairouz der New
York Times nach dem Krieg.
Als sie 1994 nach über 15 Jahren wieder in ihrem Land sang, trat sie im
Zentrum Beiruts auf dem Märtyrer-Platz auf, strategisch an der Kreuzung
zwischen Ost- und Westbeirut. Sie hat das Land vereint, wie es kein
Politiker oder noch so charismatischer Anführer vermochte.
Auch in Frankreich ist sie ein Star. Einst trat sie in den größten Hallen
von Paris auf. Selbst der französische Präsident weiß um ihre Strahlkraft.
Als Emmanuel Macron nach [3][der Explosion im Hafen von Beirut im Jahr
2020] in den Libanon reiste, besuchte er nicht zuerst den
Ministerpräsidenten, sondern zuallererst Fairuz, die Grande Dame – „um den
politischen Tonfall zu ändern“, wie der Guardian titelte.
Zuvor hatte Macron politische Anführer getroffen, Hilfskonferenzen
organisiert oder gedroht, Hilfen zu entziehen, um die korrupte politische
Elite zu Reformen zu bewegen. Indem er Fairuz den Orden der Ehrenlegion
verlieh, die höchste Auszeichnung Frankreichs, betrieb er erfolgreiche
Symbolpolitik. Sie repräsentiere für ihn, „einen Libanon, und auf den viele
warten, eine Nostalgie, die viele haben“, sagte Macron, der Vertreter der
alten Kolonialmacht. Die Libanes*innen teilten ein Foto des Treffens
und witzelten: „Die Diva trifft Fairouz.“
## Evergreens in Dauerschleife
Obwohl Fairouz sich seit Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat,
ist sie noch immer präsent, denn ihre Lieder laufen bis heute in
Dauerschleife: In Minibussen oder Taxen singen die Menschen die Texte mit,
Cafés und Restaurants spielen ihre Songs, sogar in Berlin tönen sie aus
Autos und in libanesischen Restaurants. Denn es sind Evergreens.
[4][Das Lied „Li Beirut“], ein Liebeslied an ihre vom Krieg geplagte Stadt,
dröhnte bei den Massenprotesten 2019 aus den Lautsprechern, erklang nach
der Hafen-Explosion 2020 bei den Aufräumarbeiten auf der Straße, und es
wird jedes Jahr beim zivilgesellschaftlichen Protest für die Aufklärung
dieses traumatischen Vorfalls gespielt -„An Beirut, von meinem Herzen ein
Friedensgruß an Beirut.“
Körper, Sinne, Herz und Verstand verneigten sich vor der „Kehle dieser
unsterblichen Frau“, schreibt die libanesische Zeitung Annahar zu ihrem
Geburtstag. „Wir werden dich weiter lieben, bis die Welt gerettet ist.“
21 Nov 2024
## LINKS
[1] /Evakuierung-in-Libanon/!6042946
[2] /Evakuierung-in-Libanon/!6042946
[3] /Jahrestag-der-Hafen-Explosion-im-Libanon/!6027814
[4] https://youtu.be/u0xLvBEOPm0?si=XR_6Fx-C0PQW3sNA
## AUTOREN
Julia Neumann
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