| # taz.de -- Zoff in der Verdi-Bundeszentrale: Mit Gewerkschaftsrechtsschutz geg… | |
| > Mehrfach hat die Gewerkschaft Verdi bereits vergebens versucht, ihren | |
| > Angestellten Orhan Akman per Kündigung loszuwerden. Jetzt versucht sie es | |
| > erneut. | |
| Bild: Kritiker der Verdi-Führung: Orhan Akman | |
| Das kollegiale Du hat ihm nichts genützt. Dass Orhan Akman, bis vor kurzem | |
| Angestellter in der Verdi-Bundeszentrale, seine Kolleg:innen per | |
| Vornamen anspricht, ist eine Selbstverständlichkeit. Bei der Gewerkschaft | |
| zeigt man sich gerne vertraut, freundlich, solidarisch. So duzt Akman den | |
| [1][Bundesvorsitzenden Frank Werneke] genau wie den Verdi-Personalchef | |
| Andreas Fröhlich. Der stattete Akman Ende Oktober einen Überraschungsbesuch | |
| ab – in dessen Wohnhaus in Berlin. Freundlich sei es dabei jedoch nicht | |
| zugegangen, erzählt Akman. | |
| Akman habe gerade Essen gemacht, da habe es geklingelt. „Hier ist der | |
| Andreas.“ Dann habe Fröhlich im Hausflur gestanden, in der Hand ein Kuvert. | |
| Darin: die fristlose Kündigung. Dass der Personalchef dafür persönlich | |
| vorbeikommt, sieht Akman als Einschüchterungsversuch. „Ins private Umfeld | |
| eines Beschäftigten einzudringen, ist eine typische Bossing-Methode, wie | |
| wir sie von übergriffigen Unternehmen kennen“, sagt er. „Bossing“ bedeut… | |
| Mobbing durch den Chef. | |
| Es ist die neueste Eskalation in einem jahrelangen Streit zwischen dem | |
| Verdi-Bundesvorstand und seinem wohl schwierigsten Mitarbeiter. Akman ist | |
| ein überzeugter Linker und [2][Kritiker der Verdi-Führung]. Die tue zu | |
| wenig für die Interessen der Mitglieder und verschleppe nötige Reformen, | |
| sagt er. | |
| Dreimal hat der Vorstand ihn seit 2022 gefeuert – jedes Mal hat sich Akman | |
| erfolgreich zurück in den Job geklagt. Jetzt zieht er wieder vor Gericht. | |
| Als Verdi-Mitglied erhält er Rechtsschutz, um gegen die Führung der eigenen | |
| Gewerkschaft zu klagen. Ausgerechnet. Was ist da los in der | |
| Verdi-Bundeszentrale? | |
| ## Verdi-Vorstand wenig auskunftsfreudig | |
| Der Vorstand gibt sich in der Sache zugeknöpft. Auf Anfrage bestätigt ein | |
| Sprecher nur, dass einem Mitarbeiter „aufgrund eines schwerwiegenden | |
| Pflichtverstoßes in Form von Arbeitszeitbetrug fristlos gekündigt wurde“. | |
| Es geht dabei um eine dreitägige Reise des Rewe-Aufsichtsrats nach Ungarn | |
| im September, an der Akman als Verdi-Vertreter teilgenommen hat. Die | |
| Gewerkschaftsführung wirft ihm vor, dabei seine Arbeitszeiten falsch | |
| abgerechnet zu haben. | |
| Außerdem sei der Kurztrip eine Art Lustfahrt gewesen. Akman weist das | |
| zurück. Rewe habe den dienstlichen Charakter der Reise sogar schriftlich | |
| bestätigt. Gekündigt hat ihn Verdi dennoch – trotz Protests des | |
| Betriebsrats. In einer sechsseitigen Stellungnahme, die der taz vorliegt, | |
| äußert das Gremium seine „Bedenken“ gegen die „Verdachtskündigung“ u… | |
| stellt sich klar hinter den gefeuerten Kollegen. Wie Akman wirft der | |
| Betriebsrat dem Verdi-Vorstand „Bossing“ vor. Im März geht der Fall vors | |
| Arbeitsgericht. | |
| Doch selbst wenn Akman die Kündigung kippen kann, dürfte der Ärger | |
| weitergehen. Seit April läuft ein Streit über seinen Lohn, den Verdi mit | |
| der Begründung zurückhält, Akman habe sich zu oft krankschreiben lassen. | |
| Dagegen klagt der 50-Jährige, ebenfalls mit Rechtsschutz. Die Verdi-Führung | |
| fordert, dass Akman seine Ärzt:innen von der Schweigepflicht entbindet. | |
| „Bei Firmen wie Amazon kritisieren wir als Gewerkschaft so etwas scharf“, | |
| sagt er. „Jetzt wendet der Verdi-Bundesvorstand genau diese Methoden gegen | |
| mich an.“ | |
| ## Günter Wallraff versucht zu vermitteln | |
| In dem Streit hat sich zuletzt der Journalist Günter Wallraff als | |
| Vermittler angeboten. „Verdi war allerdings nur zu einem | |
| Hintergrundgespräch bereit“, sagt der Wallraff-Vertraute Albrecht Kieser | |
| vom Kölner Verein „Work Watch“, [3][der Akman unterstützt]. „So ein | |
| Verhalten ist einer Gewerkschaft nicht angemessen.“ | |
| Gewerkschafter bleiben will Akman trotz allem. Seit mehr als 20 Jahren | |
| arbeitet er als politischer Sekretär für Verdi, seit 2017 in der Zentrale | |
| in Berlin. 2022 kündigte er seine Kandidatur für den Bundesvorstand an. | |
| „Das löste in der Führungsebene heftige Reaktionen gegen mich aus“, sagt | |
| er. Akman wurde als [4][Fachgruppenleiter für den Bereich Einzelhandel] | |
| abberufen, erhielt mehrere Kündigungen, gegen die er allesamt erfolgreich | |
| klagte. | |
| In den Vorstand gewählt wurde er auf dem [5][Verdi-Bundeskongress im | |
| September 2023 in Berlin] zwar nicht, aber immerhin erhielt er fast ein | |
| Viertel der Delegiertenstimmen. 2027 will Akman erneut kandidieren. Per Du | |
| mit den Kolleg:innen in der Verdi-Zentrale ist er ja schon mal. | |
| 21 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verdi-Bundeskongress-in-Berlin/!5961357 | |
| [2] https://www.jungewelt.de/artikel/508120.vor-dem-n%C3%A4chsten-bundeskongres… | |
| [3] https://www.work-watch.de/2025/10/stunk-der-ver-di-zentrale-berlin/ | |
| [4] /Krise-bei-Galeria-Kaufhof-Karstadt/!5785730 | |
| [5] /Verdi-Bundeskongress-in-Berlin/!5958349 | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Starzmann | |
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