| # taz.de -- Hörbuch „Im Leben nebenan“: Das Ich aus der Parallelwelt | |
| > Von ungewollter Kinderlosigkeit zu Regretting Motherhood: In „Im Leben | |
| > nebenan“ werden verschiedene Facetten von (Nicht-)Mutterschaft zum Thema. | |
| Bild: Schriftstellerin Anne Sauer | |
| Wie wäre mein Leben, hätte ich mich manchmal anders entschieden? Habe ich | |
| an einem bestimmten Punkt die falsche Abzweigung gewählt und so eine | |
| bessere Version verpasst? Diese Art von Gedanken bezeichnen | |
| Psycholog:innen als kontrafaktisches Denken. In schwierigen Situationen | |
| tritt es häufig auf. | |
| In einer solchen befindet sich Toni, die Protagonistin aus Anne Sauers | |
| Debütroman „Im Leben nebenan“. Sie wohnt in einer nicht benannten deutschen | |
| Großstadt, die vermutlich Hamburg ist. Toni ist in ihren Dreißigern und | |
| möchte schwanger werden, [1][doch es klappt nicht]. Hormonbehandlungen, | |
| Eisprungtracking, Enttäuschungen, Neid, Beziehungsprobleme: All das | |
| bestimmt ihr Leben. | |
| Dann wacht sie plötzlich in ihrem Heimatdorf auf: in einem anderen Leben. | |
| Darin ist sie mit ihrer Jugendliebe verheiratet und hat gerade ein Kind | |
| bekommen. Ab da werden beide Leben parallel erzählt: das ohne und das mit | |
| Kind. | |
| Besonders pikant: Antonia, wie sie in dem anderen Leben genannt wird, | |
| wünscht sich nichts sehnlicher, als ihr vorheriges Leben zurückzuhaben: Sie | |
| will keine Mutter sein. | |
| ## Keine reine Was-wäre-wenn-Geschichte | |
| Auch als Hörbuch lässt sich der von Chantal Busse gelesenen emotionalen, | |
| aber doch ruhig erzählten Geschichte trotz der ständigen Perspektivwechsel | |
| gut folgen. Busse liest sanft und einfühlsam, gibt den zwei | |
| Protagonistinnen, die doch die gleiche Person sind, die für sie passende | |
| Stimme. So lässt sich das Hörbuch trotz der Schwere und des rasanten Tempos | |
| leicht nebenher hören. | |
| „Im Leben nebenan“ verhandelt ungewollte Kinderlosigkeit, gewollte | |
| Kinderfreiheit und [2][Regretting Motherhood] zugleich und stellt dabei die | |
| große Frage: Ist das kinderlose Leben nicht doch das bessere? | |
| Es bleibt keine Was-wäre-wenn-Geschichte, sondern ist auch [3][eine über | |
| Akzeptanz]. Die ist der evolutionäre Zweck des kontrafaktischen Denkens: | |
| Indem wir uns alternative Leben ausmalen, lassen wir los – und planen so | |
| direkt unsere Zukunft. | |
| 2 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eva Fischer | |
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