| # taz.de -- Finanzminister in China: Klingbeils Drahtseilakt in China | |
| > Nach der Absage von Außenminister Wadephul reist der Finanzminister als | |
| > erster schwarz-roter Minister nach China. Peking wird versuchen zu | |
| > spalten. | |
| Bild: Diplomatischer Drahtseilakt: Lars Klingbeil (SPD), Vizekanzler und Bundes… | |
| taz | Die erste hochrangige China-Reise der neuen Bundesregierung ist eine | |
| durchaus ungewöhnliche. Ursprünglich hatte Kanzler Friedrich Merz seinen | |
| Antrittsbesuch in Peking bereits für Ende Oktober geplant, doch bis heute | |
| ist die Visite nie über das Planungsstadium hinausgelangt. Sein | |
| Außenminister Johann [1][Wadephul hatte kaum 48 Stunden vor Abheben des | |
| Regierungsfliegers die Reißleine gezogen], nachdem er von Peking bis auf | |
| ein Gespräch mit seinem Amtskollegen Wang Yi keine weiteren Termine | |
| zugesichert bekommen hatte. | |
| Nun also fährt ausgerechnet Finanzminister Lars Klingbeil als erster | |
| Minister in die Volksrepublik. Die Gründe dafür hatte er am Donnerstag noch | |
| einmal wiederholt: „Wir sollten nicht über China reden, sondern mit China | |
| reden“, sagte der 47-Jährige der dpa: „Es gibt viele Probleme auf dieser | |
| Welt, die wir nur mit China zusammen lösen können.“ | |
| Und dennoch darf angezweifelt werden, ob beide Seiten wirklich dasselbe | |
| meinen, wenn sie von Dialog reden. Spätestens unter Parteichef Xi Jinping | |
| treten Chinas Diplomaten nicht nur immer selbstbewusster und | |
| machtpolitischer auf, sondern vor allem mit eisern geeinter Stimme. Wo | |
| früher noch im Hintergrund frei gesprochen wurde, arbeiten Pekings | |
| Regierungsvertreter mitunter streng die Punkte ihrer Redemanuskripte ab. | |
| Und auch Kritik, etwa bei Menschenrechtsverbrechen oder | |
| Wettbewerbsverstößen, perlt nicht mehr nur ab, sondern wird oft im | |
| Vorhinein abgewürgt. | |
| Außenminister Wadephul hat dies zuletzt persönlich zu spüren bekommen. Der | |
| CDU-Politiker hat in den vergangenen Monaten mit seiner China-Kritik nicht | |
| hinterm Berg gehalten. So kritisierte er Pekings „zunehmend aggressives“ | |
| [2][Auftreten im Südchinesischen Meer und in der Taiwan-Straße]. Und er | |
| warf der Parteiführung vor, mit der Lieferung von sogenannten | |
| Dual-use-Gütern nach Russland Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine zu | |
| ermöglichen. Faktisch sind seine Aussagen kaum angreifbar, dennoch erhielt | |
| Wadephul prompt die Quittung für seine Direktheit – indem Peking ihm vor | |
| seiner geplanten Reise Ende Oktober wortwörtlich vor verschlossene Türen | |
| stellte. | |
| ## Zarte Zunge in der Taiwan-Frage | |
| Wenn nun Lars Klingbeil wenige Tage vor seinem Abflug davon spricht, er | |
| habe den Eindruck, dass die chinesische Regierung es schätze, „wenn man | |
| Differenzen nicht versucht zu kaschieren, sondern wenn man offen auch in | |
| der politischen Debatte ist“, dann sollte man dies mit einem Fragezeichen | |
| versehen. | |
| Klingbeil selbst versucht sich dennoch an diesem heiklen Drahtseilakt. So | |
| wurde er von der dpa auch zum heikelsten aller diplomatischen Themen | |
| angesprochen: der Taiwan-Frage. Und aus den Worten des Finanzministers | |
| lässt sich herauslesen, dass er den Dissens zwar nicht ausspart, aber doch | |
| mit überaus zarter Zange anpackt: „Die chinesische Seite muss auch immer | |
| wissen: Wir gucken sehr genau, was in Taiwan passiert. Wenn es zu einer | |
| militärischen Aktion kommt, dann wird das dazu führen, dass es einen | |
| anderen Blick auf China gibt.“ | |
| Abschreckend klingt dies nun wirklich nicht. Und angesichts der deutschen | |
| Interessen im Indo-Pazifik wirken Klingbeils Worte geradezu verharmlosend. | |
| Die Taiwan-Straße ist die vielleicht wichtigste Seeroute der Welt und die | |
| taiwanische Halbleiterindustrie essenziell auch für die deutschen | |
| Lieferketten. Sollte Pekings Volksbefreiungsarmee die demokratisch regierte | |
| Insel angreifen oder mit einer Blockade aushungern, dann käme dies einem | |
| weltwirtschaftlichen Armageddon gleich. | |
| ## Machtbalance gekippt | |
| Doch Klingbeils Reise legt ein Dilemma offen, das keine einfachen Lösungen | |
| zulässt. Das Machtverhältnis zwischen China und Deutschland ist während der | |
| letzten Jahre deutlich gekippt: Für China ist die Bundesrepublik zwar | |
| weiterhin ein wichtiger, kaufkräftiger Markt, aber darüber hinaus eben | |
| nicht mehr viel mehr. Umgekehrt hat das Reich der Mitte systematisch | |
| essenzielle Abhängigkeiten gegenüber dem Westen aufgebaut. Seltene Erden | |
| sind nur das prominenteste Beispiel. Auch bei pharmazeutischen Vorprodukten | |
| ist man längst von China abhängig, ebenso bei Elektro-Batterien. | |
| Lange Zeit haben deutsche Firmen Pionierarbeit auf dem chinesischen Markt | |
| geleistet, satte Gewinne eingefahren und federführend bei der | |
| Modernisierung des Landes mitgewirkt. Nun jedoch hat die chinesische | |
| Konkurrenz, auch dank der starken Hand des Einparteienstaates, zu den | |
| deutschen Platzhirschen aufgeholt und sie oft auch überholt. Die Betriebe | |
| bekommen dies zu spüren: Wurde ihnen zuvor der rote Teppich ausgerollt, | |
| wird ihnen jetzt im Reich der Mitte mitunter die kalte Schulter gezeigt – | |
| oft auch in [3][Form von unfairen Marktbarrieren.] | |
| All dies wird Lars Klingbeil und seine Wirtschaftsdelegation – Vertreter | |
| sämtlicher großer Banken und Versicherer reisen für den geplanten | |
| deutsch-chinesischen Finanzdialog – wohl auch ansprechen. Aber dass China | |
| auf die Kritik eingehen wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. | |
| ## Chinas Prinzip: Teile und herrsche | |
| Stattdessen wird Peking versuchen, mögliche Spannungen innerhalb der | |
| Bundesregierung auszunutzen. „Divide et impera“ lautet das berüchtigte | |
| Vorgehen der Parteiführung. Gesehen hat man dies schon zuvor, als der | |
| grünen Außenministerin Annalena Baerbock die kalte Schulter gezeigt wurde, | |
| während Ex-Kanzler Olaf Scholz vergleichsweise freundlich empfangen wurde. | |
| Auch im Umgang mit der EU reagiert Peking schnippisch auf Brüssel, während | |
| man einzelne Mitgliedstaaten gegenseitig ausspielt. | |
| Insofern wäre es wichtig, wenn zumindest die deutsche Regierungskoalition | |
| in ihrer China-Politik mit geeinter Stimme auftritt. Klingbeil scheint sich | |
| des Problems bewusst: Er hat seine Reise laut eigener Aussage nicht nur eng | |
| mit Kanzler- und Außenamt abgestimmt, sondern auch mit EU-Vertretern in | |
| Brüssel angesprochen. | |
| Aus dem Finanzministerium hieß es am Freitag: „Wir sind nicht naiv.“ Man | |
| vertrete eine klare Haltung und werde deutsche und europäische Interessen | |
| deutlich zum Ausdruck bringen: Ob es nun um chinesische Überkapazitäten und | |
| Marktverzerrungen ginge, die Lieferung seltener Erden oder den schwierigen | |
| Marktzugang für deutsche und europäische Unternehmen. Es sei wichtig, dass | |
| Bundesregierung und EU weiterhin mit einer Stimme sprächen. Mitarbeit: Anna | |
| Lehmann | |
| 15 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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