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# taz.de -- Erntehelfer über deutsche Erdbeerernte: „Die Bedingungen dort si…
> Der Georgier Levani Idadze war auf zwei deutschen Erdbeerhöfen
> Saisonarbeiter und hat in beiden Fällen die Landwirte verklagt. Jetzt mit
> Erfolg.
Bild: Kritisiert die Arbeitsbedingungen für Erntehelfer in Deutschland: Levani…
taz: Herr Idadze, [1][die Arbeitsbedingungen für ausländische
Saisonarbeiter*innen auf deutschen Äckern sind oftmals desaströs].
Sie haben als Erntehelfer gearbeitet, [2][den Landwirt wegen Ausbeutung
verklagt] und gewonnen. Kürzlich hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen
das Urteil als rechtskräftig bestätigt. Wie geht es Ihnen?
Levani Idadze: Das war so überraschend. Der Landwirt war ein harter Typ. Er
hatte gleich Berufung eingelegt, nachdem wir vergangenen Dezember in erster
Instanz gewonnen hatten. Jetzt hätte die Verhandlung in zweiter Instanz
stattfinden sollen, in Hannover. Ich war gerade auf dem Weg zum Bahnhof,
als ich die Mail von meinem Anwalt bekommen habe: Die Berufung wurde
aufgehoben. So eine schöne Nachricht!
taz: 2021 sind Sie als [3][Erntehelfer] nach Deutschland gekommen. Wie kam
es dazu?
Idadze: Ich habe damals in Georgien auf dem Land gelebt. Ich hatte zwar
Wirtschaftswissenschaften studiert, war aber arbeitslos. So geht es vielen,
die wie ich kritisch gegenüber der georgischen Regierung sind. Um etwas an
meiner Situation zu verändern, habe ich entschieden, in Deutschland eine
Ausbildung zu beginnen. Bis die anfing, wollte ich den Sommer in der
Saisonarbeit überbrücken, Geld verdienen und mein Deutsch verbessern.
taz: Der Landwirt in Niedersachsen, gegen den Sie nun gewonnen haben, war
schon Ihr zweiter Hof. Zuerst waren Sie auf einem Erdbeerhof am Bodensee,
zusammen mit rund zwanzig weiteren Erntehelfer*innen …
Idadze: Die Bedingungen dort sind so schlecht. Es gibt keinen
Arbeitsschutz, keine Kontrollen, Arbeitszeiten werden nicht erfasst. In
unserem Vertrag stand, dass wir 48 Stunden pro Woche arbeiten können und
dafür 1.600 Euro bekommen. Das hat der Landwirt aber nicht eingehalten. Wir
haben nur vier Stunden pro Tag gearbeitet oder hatten frei, weil es nicht
so viel Arbeit gab. Anstatt uns nach Vertrag zu bezahlen, hat er nach
Akkordlohn abgerechnet.
taz: Sie wurden also pro Erdbeerkiste bezahlt?
Idadze: Ja, das fand ich nicht fair. Es war viel weniger als vereinbart.
Außerdem gibt es unterschiedliche Arten von Erdbeeren. Wir
Georgier*innen haben die kleineren mit viel Unkraut dazwischen
abbekommen. Die kann man schwer pflücken und es dauert viel länger. Die
Leute aus Rumänien haben die Felder mit den größeren Erdbeeren und weniger
Unkraut abgeerntet. Das hat System.
taz: Wie kam es dazu, dass Ihre Gruppe geklagt hat?
Idadze: Wir hatten total Glück. Wir haben in Deutschland und Georgien
versucht, unsere Situation öffentlich zu machen. Das hat funktioniert.
Deswegen ist die Beratungstelle mira (Mit Recht bei der Arbeit) auf uns
aufmerksam geworden. Sie haben uns ein tolles Angebot gemacht: mit uns
gegen den Landwirt vor Gericht zu gehen.
taz: Trotzdem endete das Verfahren gegen den Landwirt vom Bodensee [4][in
einem Vergleich], weil Sie die gearbeiteten Stunden nicht genau genug
nachweisen konnten.
Idadze: Uns fehlte die Erfahrung. Beim zweiten Hof wussten wir dann genau
Bescheid und haben Excel-Tabellen geführt.
taz: Der zweite Hof war in Niedersachsen. Was ist da passiert?
Idadze: Da sah es erst mal gut aus. Die Unterkunft war super. Wir konnten
die vereinbarten Stunden arbeiten, zumindest im ersten Monat. Wir sollten
denselben Lohn bekommen wie die Erntehelfer mit EU-Staatsbürgerschaft. Aber
der Landwirt hat keinen Cent bezahlt, weil er verschuldet war. Ende Juni
habe ich nachgefragt, wie es mit unserem Lohn aussieht. Er meinte, wir
bekommen ihn am Ende der Saison. Wir standen schon am Flughafen, da war
noch immer nichts auf unserem Konto. Schließlich haben wir auch diesen
Landwirt verklagt.
taz: Bekommen Sie jetzt Ihren Lohn zurück?
Idadze: Mir muss er 2.600 Euro bezahlen. Ich weiß nicht, wie seine
finanzielle Situation ist. Insolvenz hat er zumindest nicht angemeldet.
Wahrscheinlich bekomme ich das Geld, aber die Frage ist, wann.
taz: Wie geht es jetzt für Sie weiter?
Idadze: Ich mache meine Ausbildung zum Fleischer bei Edeka im dritten
Ausbildungsjahr. Zusammen mit meiner Frau habe ich meine neuen
Kolleg*innen und Freund*innen zu mir nach Hause eingeladen und wir
haben erst mal gefeiert.
12 Nov 2025
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## AUTOREN
Franziska Schindler
## TAGS
Saisonarbeitskräfte
Landwirtschaft
Erntehelfer
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