| # taz.de -- Kunstpreis für inhaftierte Hanna S.: Die Kunst ehren, nicht das po… | |
| > Die Kurt Eisner Kulturstiftung zeichnet jetzt Hanna Schiller aus, obwohl | |
| > die Künstlerin kürzlich im Budapest-Komplex zu einer Haftstrafe | |
| > verurteilt wurde. | |
| Bild: Damit bewarb sich Hanna Schiller auch für den 27. Bundespreis: „Ohne T… | |
| Kann man Kunst und Künstlerin trennen? Wird eine Person verurteilt, kann | |
| man es dann auch mit ihrer Kunst tun? Das widerfuhr neulich der Künstlerin | |
| und Antifaschistin Hanna Schiller. Sie erhielt im März gemeinsam mit sieben | |
| weiteren Künstler:innen den Bundespreis für Studierende. Einer der | |
| wichtigsten Auszeichnungen für junge Künstler:innen in Deutschland, | |
| finanziert vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und | |
| Jugend. Doch dann verschwand ihr Name wieder von der Liste, die gestern | |
| eröffnete Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn mit allen | |
| Preisträger:innen zeigt Hanna Schillers fragile, verstörende Objekte | |
| nicht. | |
| Warum? Hanna Schiller, Jahrgang 1994, wurde nach vielen Monaten in | |
| Untersuchungshaft kürzlich vom Oberlandesgericht München zu fünf Jahren | |
| Haft verurteilt. Sie soll an einem gewalttätigen Angriff auf Neonazis in | |
| Budapest beteiligt gewesen sein, die sich dort zum alljährlichen „Tag der | |
| Ehre“ versammelten. Vielen weiteren Linken wird [1][im Budapest-Komplex] | |
| gerade der Prozess gemacht. Schon vor ihrer Verurteilung im September | |
| hatten rechte Medien ordentlich gegen die Nominierung von Hanna Schiller | |
| gehetzt, „Linksextremistin kriegt 45.000 Euro und Kunstpreis“ titelte die | |
| Bild. Blogger [2][sollen gar Druck auf Jurymitglieder des Bundespreises | |
| ausgeübt haben], sodass Zweifel aufkommen, wie unabhängig das Preiskomitee | |
| noch agieren konnte, als es Hanna Schillers Auszeichnung im Zuge ihres | |
| Gerichtsprozesses wieder aussetzte. | |
| Nun aber bezieht die Münchener Kurt Eisner Kulturstiftung Stellung in der | |
| Frage, ob man nun mit der Kunst auch das politische Handeln der Künstlerin | |
| ehre. Gerade verkündete sie, dass sie Hanna Schiller mit dem diesjährigen | |
| Kurt Eisner Preis auszeichenen möchte, „für ihre herausragende | |
| künstlerische Praxis“. Mit keinem Wort geht die Stiftung in ihrer | |
| Pressemitteilung auf Hanna Schillers antifaschistische Aktvitäten ein, auch | |
| nicht auf ihr kürzliches Hafturteil am [3][Münchener Oberlandesgerichts, | |
| das Kritiker:innen als „politisch motiviert“ und als „Gesinnungsurteil“ | |
| deuten]. | |
| ## Nicht die Person, sondern die Kunst | |
| Nicht auf die Person Hanna Schillers, sondern allein auf ihre Kunst will | |
| die Stiftung mit dieser Auszeichnung aufmerksam machen. Die mache | |
| „kontinuierlich drängende politische Themen wie etwa das Erstarken | |
| rechtsextremer Strömungen, die damit verbundene Krise der Menschenrechte in | |
| der aktuellen Migrationspolitik oder zum Beispiel strukturellen Sexismus, | |
| in hoher Reflexion einer Diskussion zugänglich“, heißt es in der | |
| Pressemitteilung. | |
| Hanna Schillers Objekte sind fein und verstörend: Ein Fußabtreter aus | |
| Frauenhaar, eine filigrane Kette aus Gesetzestexten, deren einzelne Glieder | |
| im Mittelmeer ertrunkene Geflüchtete versinnbildlichen. Haar, Garn und | |
| Papier verbindet Schiller, die bis zu ihrer Haft noch an der Akademie der | |
| Bildenden Künste Nürnberg studierte, scheinbar selbstverständlich mit | |
| handwerklichen Techniken. Ihre Kunst ist eindrücklich und irritierend, sie | |
| ist ästhetisch und sie ist sehr politisch. | |
| Vor Hanna Schiller hatte die Kurt Eisner Kulturstiftung seit 1988 eine | |
| ganze Reihe politischer Künstler:innen ausgezeichnet, Hans Haacke, | |
| Christian Boltanski, Olaf Metzel, zuletzt Silke Wagner und Friedemann | |
| Derschmidt. „Kunst kann nur gedeihen in vollkommener Freiheit … Der | |
| Künstler muss als Künstler Anarchist sein …“ zitiert die Stiftung ihren | |
| Namensgeber Kurt Eisner aus seiner Rede vor dem provisorischen Nationalrat | |
| am 3.1.1919. | |
| Die Ankündigung, den Preis an Hanna Schiller zu verleihen, fällt nicht nur | |
| auf die Eröffnung der Ausstellung zum Bundespreis für Kunststudierende in | |
| Bonn, deren Teilnehmer:innen übrigens vorab doch noch Hanna Schillers | |
| Arbeiten in einer Konterausstellung öffentlich zeigten. Im November 2025 | |
| jähren sich auch die revolutionäre Beendigung der Adels- und | |
| Militärdiktatur in Deutschland [4][und die Gründung des Freistaats Bayern | |
| durch Kurt Eisner], den pazifistischen Revolutionär und ersten | |
| Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, zum 107. Mal. Es geht bei dem | |
| Ganzen natürlich um ein politisches Statement, aber auf der Ebene der | |
| Kunst. | |
| 7 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Urteil-im-Budapest-Komplex/!6116073 | |
| [2] https://antifainfoblatt.de/aib147/kein-kunstpreis-fuer-hanna-eine-rechte-in… | |
| [3] /Prozesswelle-gegen-Antifas/!6116034 | |
| [4] /100-Jahre-Prozess-Hitler-Putsch/!5991766 | |
| ## AUTOREN | |
| Sophie Jung | |
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