Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hannovers OB Belit Onay: „Bund und Länder prellen regelmäßig d…
> 13 Oberbürgermeister haben einen Brandbrief an Bund und Länder
> geschrieben, weil ihnen das Geld ausgeht. Der Rathauschef von Hannover
> ist einer davon.
Bild: Hannovers Bürgermeister Belit Onay bei einer Pressekonferenz zum Innenst…
Oberbürgermeisterinnen und -bürgermeister aus 13 Landeshauptstädten haben
dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten in dieser Woche einen
Brandbrief geschrieben. Den Kommunalfinanzen drohe der Kollaps, warnen sie
darin. „Die Schere zwischen kommunalen Einnahmen und Ausgaben öffnet sich
immer weiter“, heißt es in dem Brief. Die wichtigste Forderung der
Rathauschefs ist, das sogenannte Konnexitätsprinzip auf allen Ebenen
konsequent anzuwenden – auch rückwirkend. Also: Wenn Bund oder Länder neue
Aufgaben für die Kommunen beschließen, sollen sie sich auch um die
Finanzierung kümmern.
taz: Herr Onay, die Klage der Kommunen, dass sie strukturell
unterfinanziert seien, immer mehr Aufgaben aufgedrückt bekämen, ohne dass
man ihnen auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt, [1][hören
wir schon seit Jahren.] Warum jetzt noch mal dieser Brandbrief?
Belit Onay: Klar, diese Schieflage gibt es schon länger, die gab es auch
schon vor Corona. Bisher hat man sie noch einigermaßen bewältigen können,
weil sich die Gewerbesteuereinnahmen lange Zeit positiv entwickelt haben.
Das hat sich aber spätestens mit Corona geändert. Sowohl bei den
Steuereinnahmen als auch bei den Kosten, die in vielen Bereichen explodiert
sind. Und gleichzeitig haben wir jetzt eine Erwartungshaltung, die von der
Bundesregierung geschürt wird, wo mit diesen Investitionsmilliarden der
Eindruck erweckt wird: Jetzt geht es los, jetzt wird alles besser. Wir
sehen dann oft, dass zwischen Bund und Ländern, zum Beispiel in den
Ministerpräsidentenkonferenzen, Dinge vereinbart werden, die zu Lasten
Dritter gehen – und das sind im Zweifelsfall wir Kommunen.
taz: Warum kam dieser Aufschrei jetzt aus diesem speziellen Kreis, also den
Rathauschefs der 13 Landeshauptstädte der Flächenbundesländer?
Onay: Erst einmal können wir natürlich ganz gut für die kommunale Familie
sprechen. Und wir hoffen natürlich auch, dass unser Wort ein bisschen
Gewicht hat. Es sind ja Kollegen aller demokratischen Parteien dabei – CDU,
SPD, Grüne, FDP, Parteilose. Dass die Initiative von Stuttgart ausging und
selbst München dabei ist, sagt ja auch etwas aus. Wenn selbst die relativ
reichen süddeutschen Städte jetzt an einem Punkt sind, wo sie sagen: So
geht das nicht weiter. Die Stadtstaaten sind nur nicht dabei, weil sie
rechtlich Land und Kommune in einem sind. Aber besser geht es denen
natürlich auch nicht.
taz: Noch einmal zurück zum Punkt „Kostenexplosion“: Welche Bereiche machen
Ihnen da am meisten Sorge? Die Sozialausgaben?
Onay: Die Sozialausgaben sind ein Punkt. Aber eigentlich geht das durch
alle Bereiche: vom Deutschlandticket über die Kitas bis zum Ganztagsausbau.
Das Bittere ist ja, dass das auch alles wichtige Themen sind. Inhaltlich
würde das von uns niemand infrage stellen oder streichen wollen. Das
Problem entsteht in der Umsetzung. Und das war auch unter der
Ampelregierung und unter Merkel schon so. Ein gutes Beispiel ist das
Wohngeld.
taz: Mit der Reform von 2023 [2][gab es plötzlich viel mehr Menschen, die
antragsberechtigt waren.]
Onay: Genau. Und das ist auch gut so. Aber was bei der Verkündung dieser
Wohltat nicht mitgedacht wurde, war der Mehraufwand, der bei uns auf
kommunaler Ebene entsteht. Wir kriegen das dann vor die Füße gekippt und
sollen uns überlegen, wie wir es hinkriegen – ohne dass die zusätzlichen
Kosten übernommen werden. Das ist rechtlich aber nicht die Verabredung.
Eigentlich gilt ja das Konnexitätsprinzip, einfach ausgedrückt: Wer
bestellt, muss auch bezahlen. Aber zurzeit prellen Bund und Länder einfach
regelmäßig die Zeche.
taz: Rein rechtlich gilt das Konnexitätsprinzip aber nur gegenüber dem
Land. Ist der Bundeskanzler dann nicht eigentlich der falsche Adressat?
Müssten Sie sich nicht die Länderchefs vorknöpfen?
Onay: Der Brandbrief ist schon bewusst an beide adressiert. Weil natürlich
auch der Bund eine Gesamtverantwortung hat. Und wenn der jetzt die
Modernisierung Deutschlands verspricht, mit Investitionen in Infrastruktur
und Digitalisierung, dann muss man sich auch klarmachen, wo das realisiert
wird. Und das passiert ja nicht in Berlin, in den Ministerien oder im
Bundestag, sondern bei uns vor Ort, in den Städten. Das ist der Ort, wo
Menschen den Staat wahrnehmen, im „Stadtbild“.
taz: Wenn man Bundespolitiker fragt, dann sagen die: Aber wir machen doch.
Der Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer ist mehrfach erhöht worden, der
Bundesanteil an den Sozialkosten auch, dazu gibt es zig Sonderprogramme für
Kitas, ÖPNV, Digitalisierung und so weiter. Warum reicht das nicht?
Onay: Na, das ist eine ganz einfache mathematische Formel jedes Mal. Man
kann sich das ja anschauen. Beim Deutschlandticket ist die Situation so,
dass es nicht auskömmlich finanziert ist. Das führt dazu, dass vor allem im
Umland und im ländlichen Bereich, also wo die Pendlerinnen und Pendler
sitzen, der ÖPNV eingeschränkt werden muss, weil die Kosten nicht gedeckt
werden können. Dasselbe Spiel haben wir beim Thema Krankenhäuser oder
Digitalisierung.
taz: Also [3][hilft Ihnen das milliardenschwere Sondervermögen
Infrastruktur auch nicht?]
Onay: Na ja, wenn ich das jetzt mal auf Hannover herunterbreche: Wir wissen
noch nicht ganz genau, wie viel bei uns ankommt, gehen aber davon aus, dass
es sich irgendwo so zwischen 30 und 50 Millionen Euro bewegen wird. Pro
Jahr über die nächsten zehn Jahre. Das ist natürlich richtig viel Geld.
Nur: Unser Investitionshaushalt liegt gerade bei 260 bis 270 Millionen.
Also: Mit dem zusätzlichen Geld bauen wir pro Jahr gerade mal eine halbe
Schule. Das ist nicht der Gamechanger, über den wir reden. Und das ist aus
meiner Sicht fatal, weil der Eindruck, der erweckt wird, ja ein ganz
anderer ist.
taz: Was passiert, wenn die Kommunalfinanzen nicht besser aufgestellt
werden?
Onay: Dann sind in vielen Bereichen Enttäuschungen vorprogrammiert, von
denen letztlich wieder der Rechtspopulismus profitieren wird. Weil eben
doch nicht so viel so schnell vorangeht, wie man erwartet hat. Die Zitrone
ist eben einfach ausgepresst an vielen Stellen. Wenn wir dann sagen, wir
müssen sparen, wir gehen an die freiwilligen Leistungen, dann ist das ein
ziemlich beschönigender Begriff. Das heißt ja, wir sparen bei der Kultur,
beim Sport, im Sozialen – bei allem, was eine Stadt lebenswert macht. Das
hat dann auch Folgen für die Stadtgesellschaft, die – glaube ich – niemand
will.
31 Oct 2025
## LINKS
[1] /Staedte-und-Gemeinden-in-Finanznot/!5742204
[2] /Bundestag-beschliesst-Wohngeld-Plus/!5889318
[3] /Bund-Laender-Treffen-im-Kanzleramt/!6091595
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Belit Onay
Hannover
Kommunen
Infrastruktur
Kommunalpolitik
Haushalt
Finanzen
GNS
GNS
Lars Klingbeil
Lars Klingbeil
Infrastruktur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zwischenbilanz der Regierung: Merken Sie schon was?
Friedrich Merz versprach: Im Sommer spüre man, dass es im Land vorangehe.
Doch vieles geht nach rechts und zurück. Ein Blick ins schwarz-rote
Kabinett.
Kommunalpolitiker über Investitionsboost: „Wir können keine weiteren Belast…
Der Bund möchte die Wirtschaft stärken. Doch der Plan belaste die Kommunen
finanziell, warnt der Präsident des sächsischen Städte- und Gemeindetags.
Sondervermögen: Reicht das, um die deutsche Infrastruktur zu modernisieren?
Die neue Bundesregierung will viele Milliarden Schulden aufnehmen und
investieren. Gelingt die Modernisierung?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.