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# taz.de -- Friedensforscher zu Atomwaffentests: „Die USA brauchen diese Test…
> US-Präsident Trump droht mit neuen Kernwaffentests. Der Experte Sascha
> Hach wird daraus nicht schlau: Denn profitieren würde ausgerechnet China.
Bild: Nuklear-Testgelände in Nevada im April 2016: „Darauf könnten die USA …
taz: Herr Hach, [1][US-Präsident Trump hat angekündigt, wieder
Atomwaffentests durchzuführen] – weil China und Russland auch testen
würden. Wie ist das zu verstehen?
Sascha Hach: Seine Einlassung war ambivalent. Russland und China haben
kürzlich nur Trägersysteme getestet, China im September etwa eine
Interkontinentalrakete. Anfang der Woche hat der russische Präsident von
einem erfolgreichen Test eines neuen Marschflugkörpers berichtet. Auf
diesen Test hat Trump sich vermutlich bezogen. Wenn er Nuklearwaffentests,
also Tests der Sprengköpfe, gemeint hat, dann hat seine Aussage keine
Grundlage. Seit 1992 gilt ein freiwilliges Moratorium für
Nuklearwaffentests, dem sich auch Russland angeschlossen hat. Und es gibt
keine Anhaltspunkte, dass Russland oder China in letzter Zeit gegen die
Testverbotsnorm verstoßen haben.
taz: Was ist der Unterschied zwischen einem Test der Trägersysteme und
einem Test der Sprengköpfe?
Hach: Bei einem Test der Trägersysteme wird kein Sprengkopf gezündet.
Getestet werden Marschflugkörper oder ballistische Raketen. All die
katastrophalen Auswirkungen ökologischer, aber auch humanitärer Art eines
Sprengkopftests gibt es in dem Fall nicht.
taz: Was hätte ein Test der Sprengköpfe für Auswirkungen?
Hach: Das hängt vom Ort der Zündung ab: atmosphärisch, unter Wasser oder
unterirdisch. Atmosphärisch sind die Auswirkungen am größten, wobei auch
unter Wasser die ökologischen Folgen dramatisch sind. Neben
Umweltauswirkungen hatten die zahlreichen atmosphärischen
Nuklearwaffentests der USA, Russlands und anderer Länder auch humanitäre
Schäden zur Folge. Ganze Bevölkerungsgruppen, vor allem indigene Gruppen,
die in der Nähe von Testgebieten lebten, wurden umgesiedelt. Sie haben ihre
wirtschaftliche Grundlage und ihre kulturelle Identität verloren. Die
Wiederaufnahme von Sprengkopftests würde außerdem eine ganz neue Dimension
im [2][nuklearen Wettrüsten], das schon jetzt läuft, eröffnen.
taz: Wie sieht dieses Wettrüsten aus?
Hach: Das zieht sich schon seit einigen Jahren. Alle Staaten, die über
Nuklearwaffen verfügen, einschließlich der fünf
UN-Sicherheitsratsmitglieder, modernisieren ihre Sprengköpfe und
Trägersysteme. Im Zuge des Ukrainekrieges hat Russland seine taktischen
Nuklearwaffen weiterentwickelt. Das heißt, wir haben hier eine eindeutige
qualitative Aufrüstung, teilweise auch eine quantitative. [3][China hat
sein Nuklearwaffenarsenal auch zahlenmäßig ausgeweitet], von früher 250 bis
300 auf inzwischen 600 Sprengköpfe. Gleichzeitig wurden wichtige
Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge in den letzten 20 Jahren
aufgekündigt und abgebaut.
taz: Was hätte es konkret für politische Auswirkungen, wenn die USA jetzt
wieder Tests von Sprengköpfen durchführen?
Hach: Es wäre eine Zäsur und würde eine grundsätzliche Wende in der
US-Politik bedeuten. 30 Jahre lang gab es dank des Moratoriums von 1992 und
des umfassenden Teststoppvertrags von 1996 keine Tests. Sollten die USA
wieder testen, muss man damit rechnen, dass alle anderen Länder, die über
Nuklearwaffen verfügen, dies auch tun. Besonders Russland und China, aber
auch etwa Indien und Pakistan. Diese Länder haben eigentlich ein größeres
Interesse an Nuklearwaffentests, weil sie nicht die gleiche Datengrundlage
haben wie die USA mit über 1.000 Tests zwischen 1945 und 1992. Russland
führte ebenfalls viele Tests durch, über 700. China hat dagegen bisher nur
circa 45 Tests durchgeführt, es hat dort einen deutlichen Nachteil und
würde, so gesehen, von einer neuen Dynamik mehr profitieren als die USA.
taz: Sind diese Tests notwendig, um die Einsatzfähigkeit der Waffen zu
überprüfen, oder ist die symbolische Dimension wichtiger?
Hach: Die USA brauchen sie definitiv nicht und eigentlich auch nicht die
anderen Staaten, die schon Nuklearwaffen entwickelt haben. Selbst China hat
mit seinen 45 Tests eine ganz gute Datengrundlage für die Entwicklung und
Instandhaltung der nuklearen Sprengköpfe. Ein echter Test wäre vor allem
eine Machtdemonstration.
taz: Woher weiß man denn, dass jemand eine Waffe getestet hat?
Hach: Das verlässlichste System ist das Überwachungssystem der
[4][Organisation für den Umfassenden Teststoppvertrag]. Ein Messnetz mit
über 300 Stationen weltweit, die kontinuierlich Daten sammeln: seismische
Wellen, hydroakustische Wellen, Infraschall und Radionuklide-Messungen. Das
Ganze wird in einer Datenzentrale in Wien gesammelt und ausgewertet.
taz: Wann könnten die USA testen?
Hach: Der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses schätzt, dass es 24
bis 36 Monate dauern würde, bis die USA in der Lage wären, die
Infrastruktur für Nuklearwaffentests zu reaktivieren. In seiner ersten
Amtszeit schon hatte Trump veranlasst, diese Testbereitschaft zu
reduzieren, auf 6 bis 10 Monate. Es ist aber fraglich, ob dies erreicht
wurde, weshalb man aktuell schätzt, dass es doch über ein Jahr dauern
würde, bis die USA testfähig wären. Überdies bräuchte Trump wahrscheinlich
auch Haushaltsmittel. Ob der Kongress einer Wiederaufnahme von Tests
zustimmt und Gelder bereitstellt, wage ich zu bezweifeln.
taz: Wo könnten die USA ihre Tests durchführen?
Hach: Die USA haben mit der Nevada National Security Site ein Testgelände,
wo früher schon Nuklearwaffentests stattgefunden haben. Darauf könnten die
USA wieder zurückgreifen.
taz: Angenommen, Trump meinte nur die Trägersysteme, was hätte das für
Auswirkungen?
Hach: Die Fähigkeiten zur Kriegsführung werden mit dem Test von neuen
ballistischen Systemen und Marschflugkörpern verbessert. Bereitschaft wird
erhöht, Reaktionszeit verkürzt, da es sich um schnellere Systeme handelt.
Das muss man im Gesamtkontext zunehmender Spannungen zwischen den großen
Nuklearakteuren betrachten, gleichzeitig findet ein virulenter Krieg in der
Ukraine statt. Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper werden getestet
und neu entwickelt, insbesondere von russischer Seite, aber zunehmend auch
von den USA. Es senkt die Hemmschwelle für einen möglichen taktischen
Nuklearkrieg, wenn diese Fähigkeiten weiter ausgebaut werden, und der würde
vor allem Europa beziehungsweise die Ukraine bedrohen.
taz: Gibt es auch ein Szenario, in dem Deutschland und Europa von
amerikanischen Tests profitieren können, weil Russland wieder stärker
abgeschreckt wird?
Hach: Europa oder auch Deutschland muss sich tatsächlich überlegen, wie es
mit der [5][russischen Bedrohung] umgeht und ob es Möglichkeiten gibt,
diese Bedrohung zurückzudrängen. Dadurch, dass Russland stärker in die
taktischen Nuklearwaffen investiert hat, ist eine Asymmetrie gegenüber den
Europäern entstanden. Doch dagegen helfen amerikanische Nuklearwaffentests
nicht.
taz: Was wäre die Alternative?
Hach: Eine engere Kooperation mit europäischen Partnern, also speziell
Frankreich, aber auch Großbritannien, ist eine gute Idee. Dennoch können
wir nicht gleichziehen mit dem russischen Nuklearwaffenarsenal, selbst wenn
man die europäischen Nuklearwaffen kombiniert. Ich plädiere für eine
strategische Kombination aus einer minimalen Abschreckung durch
konventionelle Rüstungspakete und gleichzeitiger Rüstungskontrolle.
Einerseits droht man an, bestimmte Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Andererseits macht man Angebote, diese Fähigkeiten wieder zurückzunehmen,
wenn die russische Seite dies auch tut.
taz: Welche Hoffnung gibt es für Abrüstung?
Hach: Es gibt vonseiten der USA wiederholt Gesprächsangebote an Russland.
Und Russland hat diese Angebote nie kategorisch zurückgewiesen, weil
nukleare Aufrüstung natürlich extrem viel Geld kostet. Russland sitzt
finanziell auch ein bisschen in der Zwickmühle, hat den Verteidigungsetat
jetzt zum ersten Mal seit Beginn des Ukrainekriegs gesenkt. Auf russischer
Seite gibt es schon ein Interesse, diese teure Aufrüstungsspirale nicht
weiter anzuheizen. Ich sehe da also Möglichkeiten, man muss sie nur
konsequent ins Gespräch bringen.
31 Oct 2025
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## AUTOREN
David Hinzmann
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