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# taz.de -- Fondation Cartier in Paris: Der Garten der Künste
> Die Fondation Cartier in Paris zieht an den Louvre in ein
> nahbar-elegantes Gebäude von Jean Nouvel. Dort zeigt sie endlich ihre
> anspruchsvolle Sammlung.
Bild: Blick vom Louvre aus in die erste Ausstellung der Fondation Cartier an ne…
Für die zeitgenössische Kunst scheint man sich in Paris gerade zu
überbieten. Entgegen allen düsteren Kunstmarktprognosen schloss an diesem
Sonntag die vierte Pariser Ausgabe der Art Basel im Grand Palais
erfolgreich ab – für 23 Millionen US-Dollar verkaufte die Galerie Hauser &
Wirth dort einen Gerhard Richter. Zeitgleich, nur wenige Metro-Stationen
weiter, richtet die Fondation Louis Vuitton eine riesige
Richter-Retrospektive in ihrem spektakulären Frank-Gehry-Bau aus. Und auch
an diesem Wochenende eröffnete die Fondation Cartier pour l’art
contemporain ihre neuen Räume in einem Prachtbau aus der Haussmann-Ära an
der Place du Palais Royal, direkt gegenüber dem Louvre.
Erneut folgen sie den Plänen von Jean Nouvel, dem Architekten, den man in
Paris für seine exquisit gestalteten Kulturbauten kennt, für das Institut
du monde arabe oder das riesige Musée du quai Branly. Sein berühmtes
Glashaus, das er 1994 für die Cartier-Stiftung am Boulevard Raspail erbaut
hat, ist jetzt Vergangenheit.
Dessen Transparenz versucht Nouvel aber an den neuen Standort
hinüberzuretten, mit großen Fenstern, zum Platz und zum Louvre. Vor allem
aber hat er das Theatrum botanicum mitgenommen, [1][den Garten, den der
Künstler Lothar Baumgarten] um das vorherige Gebäude angelegt hat.
## Politik in künstlerischer Form
Er hat ihn ins Innere des Gebäudes verlegt, wo er sich über fünf mobile
Plattformen erstreckt. Sie können je nach Bedarf nach oben und nach unten
gefahren werden. Hier erblüht nun die bislang in Paris noch nie gezeigte
Sammlung der Stiftung. Die Besucher:innen erfreut also eine offene,
veränderliche Struktur, die keinen Ausstellungsraum eins und zwei bis zehn
kennt. Vielmehr erscheint sie wie ein in Architektur gegossener
französischer Garten mit höher oder tiefer gelegenen Partien, mit Grotten
und verschatteten Wegen, für die Video- und Soundarbeiten und mit offenen,
lichten Situationen zur Straße hin.
Dort lassen sich dann exotische Gewächse wie der „Salón de eventos“ (2018)
des bolivianischen Architekten Freddy Mamani finden. Die üppige und
zugleich extrem geometrische Ornamentik des glamourösen Ballsaals leitet
sich von den Traditionen des Aymara-Volkes ab.
Das auch durch Nouvels große Schaufenster von der Straße aus sichtbare
Gemälde „La Vraie Carte du monde“ (2011) des kongolesischen Künstlers Ch�…
Samba hat neue Aktualität. Denn die Afrikanische Union hat gerade beim
UN-Geodatengremium beantragt, dass Institutionen wie die Weltbank und die
UN, aber auch kommerzielle Unternehmen wie Google Maps, die immer noch die
450 Jahre alte Mercator-Projektion nutzen, ihre Karten auf die 2018
entwickelte Equal-Earth-Projektion umstellen. Sie zeigt Afrika in seiner
richtigen Größe. Das ist vielleicht das Überraschende an der
Sammlungspräsentation, der „Exposition Générale“: dass so viel Politik z…
Sprache kommt – in ausgesprochen ästhetischer, poetischer, künstlerischer
Form.
## Komplex und anspruchsvoll
Dazu gehört auch der technisch hell erstrahlende Erdball, der in einem
dunklen Rundbau um die Betrachter:innen seine Kreise zieht und dabei
immer neue Datensätze zum Zustand unserer Welt sichtbar macht. „Exit“
(2008–2025) [2][von Diller Scofidio + Renfro entwickelt, den Architekten
der New Yorker High Line], klärt uns über Bevölkerungsentwicklung und
globale Migration auf, über den Anstieg der Temperaturen und der
Meeresspiegel, über Abholzung und das Verschwinden sprachlicher Vielfalt.
„Exit“ entstand 2008 als Auftragsarbeit für die Ausstellung „Native Land,
Stop Eject“ des Filmemachers Raymond Depardon und des Philosophen Paul
Virilio. 2019 wurde „Exit“ in der Ausstellung „Nous les Arbres“, die
sensationelle 400.000 Besucher anzog, erneut gezeigt. Das Haus am Boulevard
Raspail war nicht nur für eine Sammlungspräsentation zu klein, sondern auch
für die überaus erfolgreichen Einzelausstellungen. Selbst im neuen Gebäude
können nur zehn Prozent der 4.500 Werke von rund 500 Künstler:innen
gleichzeitig gezeigt werden, weshalb es immer wieder Neupräsentationen und
-entdeckungen geben wird.
Verantwortlich für die Ausstellungen und die daraus durch Ankäufe
erwachsende Sammlung war viele Jahre Marie-Claude Beaud. Auf sie folgte
1994 Hervé Chandès. 2023 hat ihn Chris Dercon abgelöst – nachdem Dercon
[3][die Art Basel nach Paris geholt] hatte. Im Gespräch sagt er, dass sich
viele Sammler:innen bei ihm verwundert zeigten, dass ihnen die meisten
Namen der Künstler:innen in der Sammlung unbekannt seien. Worauf er
antwortet, das sei das größte Kompliment, das sie der Fondation Cartier
machen könnten. Tatsächlich ist die Sammlung komplex und intellektuell
anspruchsvoll. Deshalb versucht die von den Kuratorinnen Grazia Quaroni und
Béatrice Grenier verantwortete „Exposition Générale“ zunächst die
Sammlungsgeschichte in ihren großen Linien aufzuzeigen.
Die finden sich in der Auseinandersetzung mit Architektur und Urbanität,
der Beschäftigung mit dem Theatrum naturae et artis, der Zusammenschau von
Naturwissenschaften und Kunst, im Engagement für „Making Things“, für
Industriedesign und Kunsthandwerk sowie im Dialog der Kunst mit anderen
Disziplinen wie beispielsweise Philosophie, Film oder Mode.
Für diese Struktur der Sammlung, deren Entstehen Jean Nouvel begleitet hat,
schuf er den idealen Raum. Ob im Unter- oder Erdgeschoss oder im ersten
Stock, die Kunstwerke haben immer ihren eigenen, passenden Platz. So grüßt
„Nini sur son arbre“ (2019), Agnès Vardas mächtige Katze, die die
Filmemacherin für „Nous les Arbres“ in Bronze gegossen hat, großzügig fr…
stehend im Entree des Erdgeschosses. An der Wand im Gang nebenan bezaubern
die Tier- und Pflanzenmalereien auf Papier von Sheroanawe Hakihiiwe.
Weitere seiner Arbeiten aus den Beständen der Fondation Cartier sind
derzeit in der Ausstellung „Amazônia“ im Musée du quai Branly zu sehen.
Auch das zeichnet die Stiftung aus: Sie ist gerne Leihgeber und sucht die
Zusammenarbeit mit öffentlichen Kultureinrichtungen.
29 Oct 2025
## LINKS
[1] /Ausstellung-zum-Baum-in-der-Kunst/!5614804
[2] /Architekturbiennale-in-Venedig/!6084168
[3] /Rubens-auf-der-Art-Basel/!6119273
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Bildende Kunst
zeitgenössische Kunst
Fondation Cartier
Architektur
Ausstellung
Bildende Kunst
Fotokunst
Fondation Cartier
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