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# taz.de -- Lage von minderjährigen Geflüchteten: Unbegleitet auf der Flucht
> Viele Minderjährige fliehen allein übers Mittelmeer. Was NGOs, eine
> Psychologin und ein Seenotretter von ihrer Arbeit mit ihnen berichten.
Bild: Kinder geben Fingerabdrücke ab: Identitätsfestellung nach der Ankunft
Mehr als 4.200 Menschen sind in den vergangenen zwei Jahren im zentralen
Mittelmeer ertrunken. Die Dunkelziffer ist nach Untersuchungen des Projekts
[1][„Missing Migrants“ der Internationale Organisation für Migration]
weitaus höher. Aktuell handelt es sich nach Angaben der
zivilgesellschaftlichen Organisation „SOS Humanity“ bei einem Fünftel bis
zu einem Drittel der über das Mittelmeer fliehenden Personen um [2][Kinder
und Jugendliche].
Seit zwei Jahren ist das Rettungsschiff „Humanity 1“ Teil der zivilen
Seenotrettung. „Für mich im Einsatz das Schockierendste: Fast alle
Minderjährigen waren unbegleitet“, berichtete der
„SOS-Humanity“-Geschäftsführer Till Rummenhohl von Bord des Schiffes mit
wackeliger Internetverbindung.
In einem Pressegespräch am Dienstag berichtete Rummenhohl von der Arbeit
auf dem Rettungsschiff. Auch Lanna Idriss, Vorstandsvorsitzende der
SOS-Kinderdörfer, sowie eine Psychologin, die selbst an Bord arbeitete,
sprachen über die Lage von Kindern und Jugendlichen auf der Flucht.
„Teilweise haben mir die jungen Menschen ihre Folterspuren gezeigt“,
berichtete die Psychologin Esther, die als ehrenamtliche Psychologin an
Bord der „Humanity 1“ war und nur ihren Vornamen angab. So gut wie alle
Kinder, mit denen sie gesprochen habe, hätten ihr von traumatischen
Erfahrungen berichtet, erzählte sie. Auch seien ihr Foltervideos aus
libyschen Lagern gezeigt worden, in denen über die Sahelzone ankommende
Menschen teils bis zu zwei Jahre festgehalten werden.
## Zahlen könnten weiter steigen
„Die Organisation der Boote und Abfahrten ist Teil eines großen Business
geworden“, kritisierte Rummenhohl. Viele Geflüchtete in Libyen erlebten
Folter, Gewalt und Zwangsarbeit. Rummenhohl berichtete von Booten, auf
denen ausschließlich Minderjährige anzutreffen gewesen seien, und von
„panischen Jugendlichen, die aus Angst vor der libyschen Küstenwache ins
Wasser gesprungen sind“.
Aber warum gibt es überhaupt so viele [3][Minderjährige], die ohne ihre
Familien auf der Flucht sind? Lanna Idriss hatte hier Antwortmöglichkeiten,
denn die SOS-Kinderdörfer unterstützen elternlose Kinder. Ein umfassendes
Monitoring zu den Ursachen könne man allerdings nicht leisten, merkte sie
an.
Prinzipiell beginne die Misshandlung von Geflüchteten jedenfalls nicht erst
in Libyen oder Tunesien, sondern bereits früher, so Idriss. Hier würden
Familien teils unfreiwillig getrennt. Kinder hätten ihr Vertrauen in
Erwachsene teils völlig verloren, und organisierten sich daher in
abgeschotteten Gruppen, berichtete Idriss über Erfahrungen vor Ort.
Die SOS-Kinderdörfer versuchen, Kinder auf den Fluchtrouten so gut es geht
zu betreuen. Dafür gibt es sogenannte „Transithomes“. „Nur, wenn es
gelingt, Kinder auf der Flucht zu schützen, gelingt auch unsere Arbeit“, so
Idriss. Sie kritisierte den Abzug von Hilfsmitteln wie der
US-Entwicklungshilfe USAID und forderte von der EU, stärker mit Strukturen
vor Ort zusammenzuarbeiten.
Idriss warnte davor, dass in Zukunft noch mehr Minderjährige zur Flucht
gezwungen sein könnten. In Somalia beispielsweise seien 70 Prozent der
Bevölkerung unter Dreißig. Das Land war stark von der Entwicklungshilfe
USAID abhängig, welche die Trump-Regierung auf ein Minimum gekürzt hat.
[4][In Deutschland sank die Zahl der neu registrierten unbegleiteten
minderjährigen Geflüchteten allerdings zuletzt leicht, von etwa 15.200 auf
13.300 Erstanträge,] nachdem die Zahl vorher jahrelang gestiegen war.
22 Oct 2025
## LINKS
[1] https://missingmigrants.iom.int/
[2] /Unbegleitete-minderjaehrige-Gefluechtete/!6110473
[3] /Minderjaehrige-Gefluechtete/!t5007823
[4] https://b-umf.de/src/wp-content/uploads/2025/06/bumf-online-umfrage-2024-ei…
## AUTOREN
Pia Wieners
## TAGS
Minderjährige Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
Libyen
Seenotrettung
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Sahelzone
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Libyen
Tunesien
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