Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klage gegen Rundfunkbeitrag: Entscheidung mit Aussicht auf noch meh…
> Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Wer ARD und ZDF mit guten
> Gründen für einseitig hält, kann nun gegen den Rundfunkbeitrag klagen.
Bild: Weglaufen kann man vor den Rundfunkgebühren nicht, aber dagegen klagen
Leipzig taz | Der Rundfunkbeitrag wird verfassungswidrig, wenn das
Gesamtangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) über längere Zeit
„gröblich“ das Ziel der Vielfalt und Ausgewogenheit verletzt. Das entschied
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und eröffnete damit einen bisher
nicht bestehenden Klageweg zu den Verwaltungsgerichten. Nun könnte eine
Klagewelle von AfD- und BSW-nahen Kreisen folgen.
Geklagt hatte eine Frau aus Bayern, die anonym bleiben will. Sie engagiert
sich in der Initiative „Leuchturm ARD“ und monierte die Einseitigkeit der
öffentlich-rechtlichen Berichterstattung etwa über die Corona-Maßnahmen und
den russischen Krieg gegen die Ukraine. Die Frau war eine von bundesweit
200 Kläger:innen der Initiative. Die Initiative legt Wert darauf zu
betonen, [1][dass sie den Rundfunkbeitrag] und den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk nicht generell ablehnt.
Vor den Verwaltungsgerichten in Bayern war die Frau zunächst abgeblitzt.
Dort hieß es: Die Bürger:innen zahlen für die Möglichkeit, den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen. Sie hätten aber keine
Möglichkeit zu klagen, wenn sie glauben, dass der Rundfunk seinen
Funktionsauftrag verfehlt, zu dem eine ausgewogene Berichterstattung
gehört. Es genüge, dass die Bürger Programmbeschwerden bei Rundfunkräten
der Sender einreichen können, die pluralistisch besetzt seien.
Verwaltungsgerichte in anderen Bundesländern entschieden ähnlich.
Tatsächlich hat die Zahl der Programmbeschwerden in den letzten Jahren
stark zugenommen, auch befeuert durch systemkritische
zivilgesellschaftliche Initiativen. Beim ZDF sind 2024 zum Beispiel rund
2.000 individuelle Programmbeschwerden eingegangen, von denen rund hundert
als substanziell angesehen wurden. In rund zehn Fällen räumte ZDF-Intendant
Norbert Himmler Fehler ein und gelobte Besserung.
## Klage geht nur mit wissenschaftlichem Gutachten
Dieser Weg direkt zu den Sendern bleibt bestehen. Daneben hat das
Bundesverwaltungsgericht nun aber eine zweite Front bei den
Verwaltungsgerichten eröffnet. Zwar sollen die Verwaltungsgerichte, die
sonst über Baugenehmigungen und Asylbescheide urteilen, nicht den
Rundfunkbeitrag kippen können. Wenn sie aber der Meinung sind, dass der ÖRR
seinen Programmauftrag verfehlt, können sie das Bundesverfassungsgericht
einschalten.
Und wenn dieses die Einschätzung teilt, würde es feststellen, dass die
verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Beitragspflicht entfallen ist,
dass also der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig wurde. Diese Feststellung
können nur die Verfassungsrichter in Karlsruhe treffen.
Konkret sollen die Klageverfahren nun so ablaufen: Wenn Kläger:innen
substantiiert vortragen – insbesondere durch ein wissenschaftliches
Gutachten -, dass der ÖRR sein Pflicht zu Vielfalt und Ausgewogenheit über
einen längeren Zeitraum evident und regelmäßig verletzt, dann müssen sich
die Gerichte mit solchen Klagen beschäftigen und können nicht einfach auf
die Möglichkeit der Programmbeschwerde verweisen.
Dem Bundesverfassungsgericht können die Gerichte den Fall aber nur
vorlegen, wenn sie der Überzeugung sind, dass der ÖRR mindestens zwei Jahre
lang mit seinem „Gesamtprogrammangebot“, also mit Fernsehen, Hörfunk und
Internet-Angeboten, die Pflicht zu Vielfalt und Ausgewogenheit „gröblich“
verletzte.
Dass dies eine hohe Hürde ist, betonte an diesem Mittwoch auch der
Vorsitzende Richter Ingo Kraft. Er verwies darauf, [2][dass das
Bundesverfassungsgericht 2018 den Rundfunkbeitrag grundsätzlich geprüft und
für verfassungskonform eingestuft hatte]. „Damals hat das
Bundesverfassungsgericht das Programmangebot also nicht in Zweifel
gezogen“, betonte Kraft. Und auch nach der aktuellen Argumentation der
Klägerin fand Kraft es „überaus zweifelhaft“, ob sie eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht erreichen kann. Die Bayerin hatte vor allem auf
Studien im Internet verwiesen, um die fehlende Ausgewogenheit zu belegen.
## Weitere Klagen angekündigt
Harald von Herget, der Anwalt der Klägerin, sprach nach der
Urteilsverkündung dennoch von einem „Sieg“. Er, die Klägerin und die
Leuchtturm-Initiative um den Filmemacher Jimmy C. Gerum wollen die
Herausforderung annehmen und weiter gegen den Rundfunkbeitrag klagen. Der
Anwalt von Herget regte allerdings an, dass der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof gleich selbst ein Gutachten zur Ausgewogenheit des
ÖRR in Auftrag geben soll.
Sabine Mader, Leiterin der Rechtsabteilung des Bayerischen Rundfunks, sagte
in Leizig: „Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass man nicht
den Rundfunkbeitrag verweigern kann, wenn einem bestimmte Sendungen nicht
gefallen.“
Die Leipziger Entscheidung traf der sechste Senat des
Bundesverwaltungsgerichts, der jüngst mit mehreren Entscheidungen Aufsehen
erregte. Im Juni [3][hatte er das Verbot der rechtsradikalen Postille
Compact für rechtswidrig erklärt]. Im Juli lehnte er die Beschwerde der AfD
[4][gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall ab].
15 Oct 2025
## LINKS
[1] /Rundfunkbeitrag/!t5015121
[2] /Rundfunkbeitrag-nur-fuer-Erstwohnsitz/!5518257/
[3] /Rechtsextreme-Medien/!6093012
[4] /Beschwerde-abgelehnt-AfD-ist-extremistischer-Verdachtsfall/!6099029
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
GNS
Rundfunkbeitrag
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Reden wir darüber
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
GNS
Schwerpunkt AfD
Kolumne Flimmern und Rauschen
Klage
## ARTIKEL ZUM THEMA
FAQ zu ÖRR-Reformen: Klappt es noch mit den Reformen?
Die Länder streiten über Sparpläne, Presseähnlichkeit und Finanzierung –
und in Sachsen könnte die ganze Rundfunkreform nun kippen.
Neue Gehälterliste der ARD: Tom Buhrow mal wieder Topverdiener 2024
Die ARD hat wieder die Gehälter ihrer Top-Manager veröffentlicht. Auf dem
ersten Rang blieb auch 2024 der damalige WDR-Intendant, Tom Buhrow.
Klage gegen Rundfunkbeitrag: Die Vielfalt, die sie meinen
Sind ARD und ZDF ausgewogen? Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird
eine Klagewelle auslösen. Und am Ende vielleicht das Vertrauen bestärken.
Streit um Dokumentarfilm über AfD: Bühne für Extremisten
Zur Erstausstrahlung einer AfD-Doku lädt der RBB einen als rechtsextrem
eingestuften AfD-Politiker zum „Bürgertalk“ ein. Ein Bündnis protestiert.
Kulturstaatsminister gegen ÖRR: Wenn Wolfram Weimer wieder wettert
Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der Kulturstaatsminister gegen
Öffentlich-Rechtliche austeilt. Doch das schadet mehr als jeder
AfD-Vorstoß.
Klage gegen die Öffentlich-Rechtlichen: Ein großes Missverständnis
Eine Klägerin zieht wegen der Rundfunkbeiträge bis zum
Bundesverwaltungsgericht. Doch das Geld ist nicht das Problem, sondern
mangelnde Bodenhaftung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.