| # taz.de -- Affenforscherin Jane Goodall: Sie kritisierte sanft und gab nie auf | |
| > Aus der empathischen Schimpansenforscherin Jane Goodall wurde eine | |
| > nimmermüde Kämpferin für den Erhalt des Planeten. Nun ist sie gestorben. | |
| Bild: Jane Goodall und Schimpansin Tess in einem Schutzgebiet nördlich von Nai… | |
| Jetzt, wo Jane Goodall tot ist, läuft es über alle Kanäle: Da war eine | |
| Primatenforscherin, die hat tolle Arbeit gemacht. Wörter wie „Kämpferin“, | |
| „Popstar“, „Ikone“ fallen. Wörter, die sie herausheben. Sie sagt es so… | |
| selbst. [1][„I am an icon.“] Was aber, wenn eine Ikone stirbt? | |
| Die 1934 in Großbritannien geborene Jane Goodall hat viele Jahrzehnte | |
| Schimpansen beobachtet – auf Augenhöhe. Dabei hat sie mehr erfahren über | |
| die Menschenaffen als alle anderen zuvor. Vor allem hat sie herausgefunden, | |
| dass die [2][Grenze zwischen Mensch und Tier] durchlässig ist. Soll heißen, | |
| der Mensch ist viel mehr Tier, als er wahrhaben will. Und das Tier mehr | |
| Mensch, als der Mensch ihm zugesteht. | |
| Goodalls Forschungen zeigen: Tiere können geplant handeln. Sie teilen sich | |
| mit und zeigen Mitgefühl. Es sind Erkenntnisse, die weit über das | |
| hinausgehen, was in der westlichen Welt gern gehört wird. | |
| Goodall war schon als Kind Tierflüstererin. Es war das Gegenprogramm zum | |
| Vater, der Autorennfahrer war. Schon als Vierjährige habe sie angefangen, | |
| Tiere zu studieren. Hühner etwa. Sie fragte sich, wo das Ei herauskommt, da | |
| sie kein so großes Loch sah. Sie blieb Stunden im Hühnerstall hocken, bis | |
| eine Henne ein Ei legte. | |
| Und Jane Goodall träumte von Afrika; Tarzan wies den Weg. Mit 23 Jahren | |
| reiste sie, die eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht hatte, auf Einladung | |
| eines Freundes nach Kenia und jobbte im Nairobi National Museum. Sie kam in | |
| Kontakt mit dem Direktor des Museums, Louis Leakey, einem | |
| Paläoanthropologen, dessen Forschungen maßgeblich die These untermauerten, | |
| dass der Homo sapiens auf dem afrikanischen Kontinent entstand. | |
| ## Einfühlsam und kämpferisch | |
| Goodall wurde Leakeys Assistentin, er ermutigte sie, das Verhalten frei | |
| lebender Schimpansen zu erforschen. Wie er übrigens auch die zwei anderen | |
| Primatenforscherinnen Dian Fossey und Birute Galdikas ermutigte, sich mit | |
| Gorillas respektive Orang-Utans zu beschäftigen. Dass Goodall nicht | |
| studiert hatte, ihr Blick unverstellt war, sah Leakey als Vorteil. | |
| Einfühlend beobachtete Goodall die Schimpansen. Sie folgte ihnen mit großer | |
| Geduld, ließ sich auf die Menschenaffen ein und lernte zu verstehen, warum | |
| und wie sie etwas tun. Sie gab den Tieren Namen, nicht Nummern, wie bis | |
| dahin üblich. Kollegen fanden das unwissenschaftlich, da es die Distanz | |
| zwischen Wissenschaftlerin und Forschungsgegenstand verwische. Heute | |
| dagegen ist Goodalls teilnehmende Beobachtung State of the Art. | |
| Dass Goodalls intuitive Herangehensweise in der Breite ankam, lag auch an | |
| ihrem ersten Mann, einem Kameramann, der schon früh begann, Filme über | |
| Goodalls Arbeit zu drehen. | |
| 1962 wurde ihr aufgrund ihrer außergewöhnlichen Verhaltensbeobachtungen | |
| erlaubt, mit einer Ausnahmegenehmigung an der University of Cambridge in | |
| Ethnologie zu promovieren. | |
| Es seien die Schimpansen gewesen, die gezeigt hätten, dass die Grenze | |
| zwischen Tier und Mensch löchrig ist, sagte Goodall. Das wollen manche | |
| nicht wahrhaben, stellt es den Leitspruch aus der Bibel, man solle sich die | |
| Natur, die Vögel, die Tiere [3][untertan machen], der von christlichen | |
| Umweltzerstörern als Blankoscheck genutzt wird, doch sehr in Frage. | |
| ## Kritik auf sanfte Art und Weise | |
| Im Laufe der Jahrzehnte, die Goodall mit Schimpansen arbeitete, bemerkte | |
| sie, wie der Lebensraum der Tiere zunehmend durch Landnutzung, Besiedlung, | |
| Agroindustrie eingeschränkt wurde und frei lebende Primaten es immer | |
| schwerer hatten zu überleben. Konsequenterweise verschob sich ihr Fokus, | |
| Goodall setzte sich für Schutzgebiete für Menschenaffen ein, klärte auf, wo | |
| sie konnte, gründete eine Jugendorganisation mit Namen R[4][oots and | |
| Shoots], die weltweit lokale Umweltarbeit macht. | |
| Nimmermüde Mahnerin blieb die Vielgeehrte, die in den Adelsstand erhoben | |
| wurde, die UN-Friedensbotschafterin war. Auf ihre sanfte Weise übte sie | |
| Kritik. Ihre Art zu sprechen, stand im krassen Kontrast zu den massiven | |
| Vorwürfen an Industrie und Politik. Diese trieben die Zerstörung des | |
| Planeten voran; aus Profit-, aus Machtinteressen. Der Mensch halte sich für | |
| klug, aber er zerstört seine Heimat, sagte Goodall einmal. | |
| Auch kürzlich, als über Neunzigjährige, hielt sie noch an etwa 300 Tagen im | |
| Jahr Vorträge. Es war ihr wichtig, gegen die Zerstörung des Planeten zu | |
| kämpfen. „Mir hört man zu“, sagte sie. Auf einer der Reisen starb sie am … | |
| Oktober in Los Angeles. Wer fortan den Menschen so ikonenhaft ins Gewissen | |
| redet, ist offen. | |
| 3 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/primatenforscherin-jana-goodall-… | |
| [2] https://www.zdfheute.de/panorama/prominente/jane-goodall-nachruf-koll-100.h… | |
| [3] https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/gen1.html | |
| [4] https://janegoodall.de/roots-shoots/ | |
| ## AUTOREN | |
| Waltraud Schwab | |
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