# taz.de -- Unterwasserlärm: Schüsse im Schutzgebiet | |
> Türkises Meer, springende Delfine: Der französische Nationalpark Port | |
> Cros ist paradiesisch. Doch der Lebensraum wird gestört – auch vom | |
> Militär. | |
Bild: Müssen oft ziemlichen Krach aushalten: Fische im Schutzgebiet Port Cros | |
MITTELMEER, KATAMARAN „WAKA“ taz | Plötzlich fallen Schüsse. Ein Helikopt… | |
klappert in der Luft über dem Meer. Per Funk weist das französische Militär | |
Boote an, den Bereich zu verlassen. Es hält Schießübungen ab – mitten im | |
Nationalpark Port Cros. Das Schutzgebiet befindet sich etwa zehn Kilometer | |
vor der französischen Côte d’Azur und soll Pflanzen und Tieren einen | |
wertvollen Lebensraum bieten. Während der Militäraktion ist der Lebensraum | |
aber vor allem eines: laut. | |
Nicht nur über der See, auch unter Wasser verursachen solche | |
Militärübungen, aber etwa auch Schiffsmotoren oder Öl- und Gasbohrungen | |
einen ohrenbetäubenden Lärm. Dieser Unterwasserlärm ist ein oft übersehenes | |
Problem für Meeresökosysteme. | |
Alain Barcelo, wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Port Cros, ist | |
entsprechend besorgt. Der Lärm, der durch militärische Aktivitäten in | |
verursacht wird, beeinträchtige die Meereslebewesen. Besonders | |
problematisch seien Explosionen in kurzer Distanz. „Wir arbeiten jedoch mit | |
dem Militär zusammen, um die akustischen Auswirkungen zu verringern“, | |
erklärt Barcelo. Problematisch sei zudem nicht nur die Schießerei, auch die | |
vielen nicht-militärischen Boote rund um die Inseln des Gebiets würden für | |
Lärm sorgen. | |
Besonders für Meereslebewesen, die auf Schall angewiesen sind, sind die | |
Folgen dieser menschengemachten Geräuschkulisse laut dem International Fund | |
for Animal Welfare (IFAW) verheerend. Delfine beispielsweise nutzen | |
Echolokation: Sie senden Schallwellen aus, die auf Objekte oder Hindernisse | |
treffen. So erkennen sie Form, Entfernung und Größe des Gegenübers. Selbst | |
bei völliger Dunkelheit erkennen sie so ihre Beute. | |
Unterwasserlärm überlagert jedoch die natürlichen Klänge des Meeres, was es | |
Walen, Delfinen und anderen Meerestieren erschwert, miteinander zu | |
kommunizieren, Beute oder Partner zu finden sowie Fressfeinden zu | |
entkommen. | |
Schutzgebiet ist nicht gleich Schutzgebiet. Welche Aktivitäten dort zum | |
Schutz der lokalen Arten nicht erlaubt sind, ist sehr unterschiedlich. Zwar | |
gibt es ein Weltnaturschutzabkommen, in dem die Regierungen 2022 | |
versprochen haben, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und | |
Meeresflächen unter Schutz zu stellen – aber was heißt das? Teilweise eben, | |
dass die Tier- und Pflanzenwelt noch mit so einigen Störungen leben muss. | |
Alain Barcelo vom Nationalpark Port Cros geht pragmatisch an die | |
Schießübungen heran, auch wenn sie für Teile seiner Schützlinge belastend | |
sind. Man müsse ein Gleichgewicht finden zwischen dem Schutz des Meeres, | |
der Natur und den militärischen Notwendigkeiten, sagt er. Trotzdem setzt er | |
sich dafür ein, militärische Übungen in bestimmten Zonen zu verbieten. | |
## Für Artenschutz fehlt das Geld | |
Ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums erklärt, dass | |
während der Übungen mit Sonaren ausgestattete Schiffe ständig die | |
Anwesenheit von Meeressäugern überwachen würden. | |
Teils scheitert der effektive Artenschutz aber auch schnöde am Geld. In | |
Port-Cros habe es zeitweise ein akustisches Überwachungsprotokoll gegeben, | |
erzählt Barcelo. Das sei jedoch eingestellt worden – personelle und | |
budgetäre Gründe. | |
Immer noch gebe es aber wissenschaftliche Projekte. Dabei wird mit moderner | |
Technologie zum Beispiel erhoben, wo und wann sich Meeressäuger | |
fortpflanzen oder ausruhen, um die Funktionalität ihrer Lebensräume besser | |
zu verstehen. Diese Erkenntnisse helfen Barcelo zufolge, dem Militär | |
aufzuzeigen, welche Gebiete besonders schützenswert seien. Auch mit | |
Reedereien und Schiffsbauern arbeitet der Nationalpark zusammen, um die | |
Lautstärke von Schiffen zu reduzieren. | |
Ein Ansatz dafür wäre gar kein technischer, sondern ganz einfach ein | |
Tempolimit. Langsamere Schiffe machen weniger Krach. Die Hoffnung: dass | |
sich die Delfine und sonstigen Bewohner von Port Cros in Zukunft mit viel | |
weniger Störung durchs Meer bewegen können. | |
4 Oct 2025 | |
## AUTOREN | |
Joana Dingeldein | |
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