| # taz.de -- Nahost-Konflikt in Berlin: Morddrohung gegen „Zionisten“ | |
| > Ein in Berlin-Neukölln kursierender Flyer ruft zum Mord auf an den | |
| > Betreiber*innen der Kneipe Bajszel, die sich gegen Antisemitismus | |
| > einsetzt. | |
| Bild: Die „ProgrammSchänke“ Bajszel von Alexander Carstiuc und Andrea Rein… | |
| Berlin taz | Offene Anfeindungen ist man im Bajszel schon lange gewohnt. | |
| Doch seit Mittwoch hat sich die Bedrohungslage auf unvorstellbare Weise | |
| verschärft: Ein Flyer, der die Gesichter und Namen der drei | |
| Bajszel-Betreiber*innen zeigt und indirekt zum Mord aufruft, kursiert in | |
| Berlin-Neukölln. „Make Zionists afraid“ steht in großen roten Buchstaben | |
| auf dem Flyer. Die Gesichter der drei Bajszel-Betreiber*innen sind mit | |
| auf sie nach unten gerichteten roten Dreiecken abgebildet sowie ihre | |
| Klarnamen. Unter ihren Gesichtern heißt es in großen Buchstaben „WANTED“. | |
| In dem Flyer heißt es: „Sie propagieren in ihrem Lokal offen ihre | |
| Unterstützung für den Kolonialstaat Israel, der aktuell einen Genozid an | |
| dem palästinensischen Volk in Gaza verübt.“ Außerdem wird gedroht: „Sie | |
| haben Namen, Gesichter, Adressen und wurden schon oft in der Öffentlichkeit | |
| in Neukölln gesehen. Wir wollen, dass diese drei für immer schweigen und | |
| als Warnung für alle Zionisten in Berlin und Neukölln gelten können“. | |
| Am Mittwochabend ist das Bajszel in Berlin-Neukölln unerwartet voll und | |
| belebt. [1][Viele Gäst*innen sind gekommen, um ihre Solidarität | |
| auszudrücken] und den Bajszel-Mitarbeiter*innen zu zeigen, dass sie nicht | |
| alleine sind, sagt eine Mitarbeiterin der Kneipe zur taz. Mittlerweile habe | |
| man ein großes Stammpublikum, das auch in Zeiten zunehmender Bedrohung | |
| komme. Täglicher Polizeischutz vor dem Bajszel ist mittlerweile zur | |
| Normalität geworden. In den letzten Monaten kam es wiederholt zu Angriffen | |
| auf die Kneipe, unter anderem wurden nachts Steine gegen Fensterscheiben | |
| geworfen. | |
| Nach unten gerichtete Dreiecke sind immer wieder im Zusammenhang mit | |
| israelfeindlichen und antisemitischen Drohungen aufgetaucht. Anders als die | |
| seitlich ausgerichteten roten Dreiecke, die in der palästinensischen Flagge | |
| auftauchen und Unabhängigkeit symbolisieren sollen, werden die nach unten | |
| gerichteten roten Dreiecke seit Oktober 2023 von der Terrororganisation | |
| Hamas und ihren Unterstützer*innen genutzt, um Drohungen auszusprechen | |
| oder potenzielle Anschlagsorte zu markieren. | |
| ## Zeug*innen gesucht | |
| „Wir sind nicht überrascht, eigentlich haben wir fast nur drauf gewartet, | |
| wann wir dran sind“, sagt Andrea Reinhardt, eine der drei | |
| Betreiber*innen, am Mittwochabend zur taz. Ähnliche Plakate seien | |
| schließlich schon gegen andere Aktivist*innen und Journalist*innen | |
| verbreitet worden. Sie hofft vor allem, dass sich Zeug*innen bei der | |
| Polizei melden, die gesehen haben, wer die Flyer verteilt. Die aktuelle | |
| Situation reiht sich laut Reinhardt in viele Bedrohungen und Attacken ein. | |
| Selbst unter Polizeischutz komme es immer weiter zu Provokationen, | |
| regelmäßig würden Personen, die an der Kneipe vorbei liefen, feindlich | |
| gesinnt herumbrüllen. | |
| Insgesamt zeige sich an den Bedrohungen gegenüber dem Bajszel auch eine | |
| zunehmende gesellschaftliche Verrohung. „Wir werden durch solche Aufrufe | |
| komplett entmenschlicht und auf ein einziges Thema reduziert.“ Neben | |
| Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus widme man sich im Bajszel | |
| schließlich noch vielen anderen Themen: So gab es in der Vergangenheit | |
| beispielsweise immer wieder queere Veranstaltungen oder Veranstaltungen zum | |
| Ukraine-Krieg. Am Mittwoch sieht man etliche Tüten mit Spenden für die | |
| Ukraine im Bajszel stehen. Das Bajszel versteht sich laut Reinhard vor | |
| allem als Ort für Diskussion und Austausch, auch für hitzige Diskussionen | |
| seien Leute eingeladen vorbeizukommen. | |
| Die Angriffe auf das Bajszel sind kein Einzelfall: Jüdische Einrichtungen | |
| stehen seit jeher deutschlandweit unter Polizeischutz. Immer wieder werden | |
| auch linke Orte, die für antisemitismuskritische Veranstaltungen und | |
| Bezugnahmen auf Israel, die nicht einseitig negativ und dämonisierend sind, | |
| bekannt sind, angegriffen und bedroht, selbst wenn diese deutlich die | |
| israelische Regierung ablehnen. Graffities wie „kill a zionist“ prägen seit | |
| Monaten das Berliner Stadtbild. Sie erklären einzelne Personen zur | |
| legitimen Zielscheibe von Gewalt und bleiben nicht folgenlos. | |
| Erst kurz nach der Ermordung eines Mitarbeiters der israelischen Botschaft | |
| in den USA, Yaron Lischinsky, und seiner Partnerin Sarah Milgrim in | |
| Washington im Mai waren in unmittelbarer Nähe zur Humbold-Universität in | |
| Berlin Plakate aufgetaucht, die Lischinkys Gesicht mit einem auf ihn nach | |
| unten gerichteten Dreieck zeigten. Über dem Dreieck stand dabei in | |
| Großbuchstaben „Make Zionists afraid“ – auf Deutsch: „Macht Zionisten | |
| Angst“, ähnlich wie auf dem am Mittwoch aufgetauchten Flyer. | |
| Trotz dieser bedrohlichen gesellschaftlichen Stimmung will man sich im | |
| Bajszel nicht einschüchtern lassen. „Wir haben von Anfang an mit den | |
| Attacken immer die Flucht nach vorne angetreten. Was wir erleben, erleben | |
| viele andere Leute, die sich gegen Antisemitismus und Islamismus einsetzen | |
| und für eine freie und emanzipatorische Gesellschaft kämpfen, schon seit | |
| Jahren“ sagt Reinhardt. Für sie ist klar: „Wir werden uns nicht verstecken, | |
| das ist genau das, was die Angreifer wollen. Sie verstecken sich, nicht | |
| wir“. | |
| 2 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lea Wolters | |
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