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# taz.de -- Die Wahrheit: Pechschwarz der Schatten
> Die Philippinen-Woche der Wahrheit: Die aufregende Jagd nach dem Phantom
> der Buchmesse, einer Gestalt mit Karopullunder und dreieckigem Kopf …
Grau hing der Nebel über den Straßen der großen Stadt, die nur langsam aus
unruhigem Schlaf erwachte. Wie ein Schatten glitt eine pechschwarze Gestalt
mit einem dreieckigen Kopf an den Hauswänden entlang, um dann lautlos auf
dem riesigen Messegelände zu verschwinden. Es war wieder soweit, die Spiele
konnten beginnen …
Der seriöse Verleger Sir Eustachius Estebylt lief in Halle 7 um sein Leben.
Er war schweißgebadet und seine schlohweißen Haare standen ihm in allen
Himmelsrichtungen zu Berge. Er hatte Todesangst: Direkt hinter ihm schwebte
mit einer grauenhaften, zu einer pergamentartigen Fratze wutverzerrten
philippinischen Maske das berüchtigte Buchmessenphantom. Mit einem
gellenden Schrei stolperte Sir Eustachius Estebylt zunächst über seine
eigenen Füße und fiel erst in einen herumstehenden Krummsäbel und dann ins
Nichts.
John Camorra lehnte sich derweil in seinem philippinischen Cottage
entspannt zurück und genehmigte sich erst mal einen guten Schluck eines
Geheimgetränks, das ihm einst von einer philippinischen Priesterin als Dank
dafür geschenkt wurde, dass er die gesamten Philippinen von einem Phantom
namens Bathala befreit hatte. Dieser Bathala hatte es schon gewaltig in
sich gehabt.
Camorra blickte jetzt stumm über die Unordnung auf seinem gigantischen
Eichenholzschreibtisch herum und seufzte. Hier müsste mal wieder jemand
aufräumen. Seit er nach der Veröffentlichung seiner 34 Sachbücher über
philippinische Phantome berühmt geworden war, rissen die Kontaktversuche
seiner Anhänger nicht ab. Das nahm schon sektenähnliche Ausmaße an. Der
gläserne Schreibtisch brach fast zusammen unter der Last der vielen Briefe,
die meisten kamen von den Philippinen. Er zog seinen Handspiegel aus der
untersten Schublade hervor und betrachtete sein Gesicht. Alles klar!
## Verwegener Draufgänger
Für seine 36 Jahre sah er noch recht gut aus: Seine etwas unordentlichen
Haare verströmten sowohl einen seltsamen Geruch als auch die Ausstrahlung
eines verwegenen Draufgängers. Sein Eineinhalbtagebart und seine extrem
reine Haut verliehen ihm zudem genau das Aussehen, nach dem er sich fühlte:
der charmante Traum aller Schwiegermütter und dennoch ein etwas
undurchsichtiger und gefeierter philippinischer Phantomjäger.
Unwirsch schrabbelte er in den Briefen auf seinem bleiernen Schreibtisch
umher. Da musste doch etwas Interessantes dabei sein. Aha! Eine Einladung
zum Zahnarzt. Na ja, die bekam er jedes Jahr, wie die Glückwunschpostkarten
seiner Apotheke. Während er noch vertieft in Gedanken auf seinem
gusseisernen Schreibtisch herumstarrte, bemerkte er quasi aus den
Augenwinkeln eine seltsame Bewegung in der linken oberen Ecke seines Büros.
Oder etwa doch nicht?
War es möglicherweise nur ein Schatten der rasiermesserscharfen
Rotorblätter des philippinischen Deckenventilators, der sich ächzend, aber
unermüdlich über seinem Kopf drehte und gefühlt immer tiefer sank? Nein! In
der Ecke stand eindeutig eine Gestalt mit einem dreieckigen Kopf, die ihn
mit einem knöchernen Zeigefinger lockte. Ein Phantom!
Die Stille hing so schwer wie Staub in der Luft. Dann brach das Phantom
sein Schweigen: „Du suchst nach dem, was verloren ging, aber manche Türen
frieren zu, ehe du hindurch geschritten bist. Der Schlüssel liegt auf den
Philippinen, dort, wo die Worte sich weigern zu sterben.“
Wie hypnotisiert zog John Camorra eine bestimmte Postkarte aus dem Chaos
seines elfenbeinernen Schreibtisches. Die Einladung, die Einladung zur
Buchmesse …
Camorra ahnte, dass dieses Abenteuer möglicherweise nicht gut ausgehen
würde, aber das Risiko musste er eingehen! Er hatte schon Schlimmeres
überstanden, nicht immer unverletzt, aber bisher ohne Schaden an seiner
Seele. Das Phantom trug jetzt eine randlose Brille und hatte zudem eine
weinrote Cordhose aus Manila und einen aus der Mode geratenen Pullunder mit
Karos an. Und es hatte einen dreieckigen Kopf. Etwas kratzte hartnäckig an
John Camorras Hirnrinde. Er dachte angestrengt nach …
Plötzlich stand der Verleger Sir Eustachius Estebylt vor ihm. Wachte oder
träumte er? „Sir Eustachius Estebylt? Sie leben?“, fragte John Camorra
sicherheitshalber. Sir Eustachius Estebylt lachte heiser und nickte
zustimmend. „Ja, ich bin es“, sagte er mit belegter Stimme. Er klang, als
hätte er eine Erkältung oder wäre von verschiedenen Dämonen besessen. „Ich
bin nur erkältet“, schwor der gruselige Verleger und reichte John Camorra
die Hand.
Doch John nahm sie nicht an, weil zeitgleich eines seiner Fenster
explodierte. Und die unzähligen Bücher aus seinem riesigen Bücherregal
flatterten umher wie ein Schwarm aufgewühlter Stare kurz vor dem Zug nach
Süden. Ohne mit der Wimper zu zucken, buchte Camorra online ein Zugticket
nach Frankfurt, denn er ahnte bereits, dass es hier zum ersten und letzten
Kampf mit dem dreieckköpfigen Phantom kommen würde, das soeben wie ein
Nebelstreif aus dem zerborstenen Fenster geglitten war.
## Im Viererabteil der ersten Klasse
Der Zug kam pünktlich. Da John Camorra wie immer in einem Viererabteil der
ersten Klasse fuhr, für das er alle Sitze gekauft hatte, konnte er
ungestört eine philippinische Zeitung lesen. Aha! Das Phantom war
offensichtlich schon vor ihm auf der Buchmesse angekommen und hatte als
erstes den Messeturm verschwinden lassen, bevor es provokativ schweigend
gleichzeitig an verschiedenen Messeständen herumstand und die Besucher in
Angst und Schrecken versetzte. Na, das fing ja schon mal gut an …
Mit einer geübten Rolle rückwärts überlistete Camorra die gestrengen
Messetorhüter und begab sich mit sicherem Instinkt direkt an den Stand des
altehrwürdigen Hauses „Gral & Griffel – Verlag für sinnlose Literatur und
verborgenen Wahnsinn“. Doch da fand er nur blutleere Leichen mit
schlohweißen Haaren. Er war zu spät gekommen.
Doch damit würde das Phantom nicht durchkommen! Er, John Camorra, würde es
fassen und erledigen. Irgendwann. Vielleicht nicht in diesem Jahr und
vielleicht auch nicht im nächsten. Aber irgendwann. Und zwar auf den
Philippinen! Er ahnte nicht, dass er genau zu diesem Zeitpunkt von einer
pechschwarzen Gestalt mit Karopullunder und einem dreieckigen Kopf
beobachtet wurde.
Irgendwo schnaubte ein Pferd …
18 Oct 2025
## AUTOREN
Corinna Stegemann
## TAGS
Mystery
Satire
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Philippinen
Krimis
Mafia
Halloween
Satire
Horror
Spielzeug
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