| # taz.de -- Die Wahrheit: Henkers Werk und Teufels Beitrag | |
| > Die wahre und nervenzehrende Schauergeschichte für neblige, feuchte und | |
| > kühle Herbstabende mit Kettensäge und Nagelknipser. | |
| Bild: Wegen des fast kopflosen Kurt ist in der sonst so beschaulichen Hölle ma… | |
| Als Kurt erwachte, wusste er, dass es an der Zeit war, mal wieder zum | |
| Henker zu gehen. Sein Kopf wucherte unkontrolliert vor sich hin, das war ja | |
| nicht mehr auszuhalten. Per Telefon bekam er auf dem Wege eines Anrufs | |
| gerade noch einen Termin, aber nur, weil jemand anders abgesagt hatte. | |
| Leider war sein Lieblingshenker auf Fortbildung, daher musste Kurt mit | |
| einem Lehrling vorliebnehmen. | |
| „Bitte nur bis zu den Ohrläppchen …“, wisperte Kurt noch, als der Lehrli… | |
| ihm schon den ganzen Kopf mit einer Kettensäge bis auf den Hals abmähte. | |
| Das würde jetzt wieder Jahre dauern, bis der Kopf nachgewachsen war. | |
| „Vorher war es besser“, gab der Lehrling kleinmütig zu. Kurt versuchte zu | |
| nicken, aber das klappte nicht. | |
| Der Lehrling telefonierte mit seinem Beichtvater, er hatte plötzlich ein | |
| schlechtes Gewissen. Er fürchtete zudem, dass seine vielen Fehlstunden | |
| während der Henkerausbildung ihm nun zum Verhenknis werden könnten. Deutsch | |
| hatte er auch immer geschwänzt. Um die peinliche Situation zu überspielen, | |
| sagte er zu dem Beichtvater: „Hahaha, was ich Ihnen gleich erzählen werde, | |
| werden Sie nicht glauben.“ | |
| ## Geständnis beim Beichtvater | |
| Der Beichtvater lauschte dennoch aufmerksam Kurts Geständnissen, um diese | |
| sogleich bei der Stasi zu melden. Doch die Stasi war nicht interessiert, da | |
| es sie gar nicht mehr gab. Ihr ehemaliger Anführer saß derweil bei der | |
| Pediküre, und weil er durch Kurts Anruf abgelenkt war, zuckte er | |
| versehentlich mit dem Fuß. „Autsch!“, schrie er, denn die | |
| Zehennagelbearbeiterin hatte ihm wegen des Zuckens den Nagelknipser in die | |
| zarte Fußsohle gerammt. Das tat verdammt weh, aber so schlimm war es nun | |
| auch nicht. Er sagte entschuldigend: „Unten links bin ich ein bisschen | |
| empfindlich.“ | |
| Zur gleichen Zeit merkte Kurt, dass sein neuer Kopf recht schnell | |
| nachgewachsen war. Dennoch begab er sich vorsorglich zum Bestatter, doch | |
| der bestätigte ihm, dass er, also Kurt, noch lebte. Kurt war erleichtert | |
| und rief fröhlich: „Super! Bis zum nächsten Mal!“ | |
| Nun beschloss er, ins Kino zu gehen. Der brandneue Reißer von Ingmar | |
| Bergman reizte ihn schon seit Jahrzehnten. Endlich mal wieder hemmungslos | |
| lachen! Als der Kartenkontrolleur die Eintrittskarte abreißen wollte, rief | |
| Kurt empört: „Hände weg, Sie Flegel!“, und haute ihn um. Entsetzt kam des | |
| Kartenkontrolleurs Gattin herbei erannt. Kurt wollte dem Kartenkontrolleur | |
| noch schnell zuflüstern: „Ihre Frau gefällt mir“, aber da murkste dieser | |
| Kurt kurzerhand aus Rache ab. | |
| Kaum war er tot, kam er in die Hölle. Und auch hier verstand Kurt es | |
| vortrefflich, sich gleich in die Gesellschaft einzufügen. „Was ist denn das | |
| da auf Ihrem Kopf? Darf ich mal?“, fragte er, und ohne eine Antwort | |
| abzuwarten, strubbelte er dem Fürsten der Finsternis durch die drei | |
| goldenen Haare und brachte sie dadurch in Unordnung. | |
| „Verdammt!“, fluchte der Teufel, und begab sich in den Ruhestand. Ab nun | |
| musste Kurt die Hölle leiten. Und wehe den verlorenen Seelen, die sich in | |
| seine Gefilde verirren … | |
| 3 Sep 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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