| # taz.de -- Zwölf Jahre nach Haasenburg-Schließung: Hamburg will wieder Kinde… | |
| > Diskret hat der Bau eines neuen Heims begonnen. Dort sollen Kinder ab | |
| > neun Jahren in der Anfangsphase auch unter Freiheitsentzug untergebracht | |
| > werden. | |
| Bild: Am Anfang ist eine Mauer – zum Klettern und als Lärmschutz für die Na… | |
| Hamburg taz | Zwölf Jahre ist es her, dass Hamburgs Sozialsenator Detlef | |
| Scheele (SPD) den [1][Bau eines geschlossenen Heims] ankündigte, weil die | |
| bis dahin von Hamburg belegten [2][Haasenburg-Heime in Brandenburg | |
| dichtgemacht] wurden. Seither zog sich das Vorhaben in Varianten durch drei | |
| Wahlperioden. Doch nun wird es ernst. Auf einer Wiese am Klotzenmoorstieg | |
| im Stadtteil Groß-Borstel sind Bagger angerollt, um das inzwischen auf den | |
| hübschen Namen „Casa Luna“ getaufte und mit „heilender Architektur“ | |
| geplante Heim zu bauen. | |
| Schon fertig ist eine etwas bizarr wirkende gezackte Mauer am hinteren Ende | |
| des rund 4.700 Quadratmeter großen Areals. „Das wird eine Kletterwand“, | |
| erklärt ein Bauarbeiter. Die müsse als Erstes gebaut werden, weil es später | |
| nicht mehr gehe. Sie soll auch als Schallschutz für die Nachbarn dienen. | |
| Davor gesetzt wird ein Haus mit halbmondförmiger Grundfläche, das Platz für | |
| drei Wohngruppen mit insgesamt 16 Plätzen für Kinder im Alter von neun bis | |
| 13 Jahren bieten soll. | |
| Politisch brisant sind vor allem die vier Plätze der „Clearinggruppe“ im | |
| Obergeschoss. Denn hier sollen auch Kinder mit einem Gerichtsbeschluss für | |
| geschlossene Unterbringung aufgenommen werden. In den beiden anderen | |
| Gruppen mit je sechs Plätzen sollen die Kids dann wohnen. Aber nicht auf | |
| Dauer – das Konzept geht von einer Betreuungszeit von „bis zu zwei Jahren“ | |
| aus. | |
| Der Bau dieses Heims ist umstritten. Im September 2023 hatten ehemalige | |
| Bewohner der Haasenburg vor dem Bauplatz [3][eine Kundgebung] abgehalten. | |
| Und als Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat in einer [4][Kirche Anwohnern die | |
| Pläne] erläutern wollte, gab es sogar eine Protest-Performance. Die bis | |
| dahin zuständige Sozialbehörde war einerseits bemüht, die fachliche Kritik | |
| klein zu halten und bestritt, dass es sich um ein geschlossenes Heim | |
| handelt. Doch bei einer Veranstaltung mit Anwohnern im Frühjahr 2024 | |
| versuchte die Behörde mit der Aussage zu beruhigen, die Kinder könnten gar | |
| nicht allein vom Gelände. | |
| ## Nicht-öffentliches „Begleitgremium“ | |
| Seltsam ist, dass nun an der Baustelle gar kein Schild steht. Rot-Grün | |
| redet nicht gern über „Casa Luna“. Kritische Fragen konnten die | |
| Abgeordneten der Bürgerschaft zuletzt in einem streng nicht-öffentlichen | |
| „Begleitgremium“ stellen. Als sich im Mai 2024 doch einmal der | |
| [5][Familienausschuss öffentlich um das Thema stritt], wurde der Disput | |
| [6][im Protokoll] nicht niedergeschrieben. Er findet sich, wenn man sucht, | |
| in der [7][Stellungnahme] an den Haushaltsausschuss, der die stattlichen | |
| Kosten von 21 Millionen Euro für den Neubau zu bewilligen hatte. | |
| Es gibt aber einen Flyer mit einer Gelände-Skizze. Wer eine Lupe zur Hand | |
| nimmt, erkennt den Haupteingang, der stets von einem Pförtner bewacht | |
| werden soll, und links und rechts vom Gebäude zwei Tore. Diese sind „von | |
| der Straße wenig sichtbar“, wie der Senat in der [8][Haushaltsdrucksache] | |
| schreibt. Doch sie sind drei Meter hoch, ebenso wie der Stabgitterzaun, der | |
| den übrigen rückwärtigen Teil des Geländes – auch links und rechts von der | |
| besagten Kletter-Mauer – umschließt. Und auch wenn das Grundstück vorn zur | |
| Straße hin „jederzeit offen“ ist, bildet der Pförtnereingang den | |
| Flaschenhals, durch den jedes Kind durch muss. | |
| Inzwischen ist die Bildungsbehörde zuständig. Deren Sprecher Peter Albrecht | |
| bestätigt, dass die städtische Sprinkenhof GmbH mit dem Bau für „Casa Luna… | |
| begonnen hat. „Die Eröffnung ist Mitte 2027 vorgesehen“, sagt er. Es handle | |
| sich um ein [9][Projekt auf der Schnittstelle von Jugendhilfe] und | |
| Jugendpsychiatrie, das einem Kind nahezu alle Hilfen, die es braucht, vor | |
| Ort bieten könne. | |
| Zur Freizügigkeit sagt er, Kinder ohne Beschluss könnten in Absprache mit | |
| den Fachkräften das Gelände verlassen, so wie es der Jugendschutz in dem | |
| Alter vorsehe. Kinder mit Beschluss könnten dies nur in Begleitung tun. | |
| Sollten sie es doch allein versuchen, kontaktiere der Pförtner die | |
| Pädagogen, um „das weitere Verfahren im Einzelfall zu klären“. | |
| Für die Kritiker bleibt es dabei, dass „Casa Luna“ den Charakter einer | |
| geschlossenen Einrichtung hat. Das [10][Aktionsbündnis gegen geschlossene | |
| Unterbringung] (AGU) druckte kürzlich eine Broschüre, in der es | |
| Alternativen vorschlägt. Zwar müsse man ernst nehmen, dass | |
| [11][Handlungsbedarf] besteht, weil Kinder zwischen der Jugendhilfe und der | |
| Jugendpsychiatrie hin- und hergeschoben würden. Doch „Casa Luna“ schaffe | |
| für die Kinder nur eine „Sondereinheit“ abseits ihrer sonstigen Lebenswelt. | |
| Das Kind werde von seiner Schule, seinen Freunden und seiner sozialen | |
| Umgebung getrennt und solle dann nach zwei Jahren zurück in sein altes | |
| Umfeld. Das könne nicht funktionieren. | |
| Besser wäre laut der Broschüre, die Kinder stadtteilnah mit Therapie- und | |
| Wohnplätzen zu versorgen, gegebenenfalls mit der Familie. Und für die | |
| Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Psychiatrie solle eine gemeinsame | |
| Arbeitsstelle geschaffen werden. „In der Stadt Essen gibt es das schon“, | |
| sagt Sozialwissenschaftler [12][Michael Lindenberg], der das Papier | |
| mitverfasst hat. „Mit dem Bau der ‚Casa Luna‘ wird ein Fehler der | |
| Vergangenheit wiederholt“, erklärt sein Co-Autor Tilman Lutz. „Das ist kein | |
| angemessenes, lebensweltorientiertes Angebot.“ Er sehe fachlich keinen | |
| Bedarf für so eine Einrichtung, ergänzt AGU-Mitglied Ronald Prieß. „Und | |
| auch politisch gibt es in der Stadt gerade keinen Druck, dieses Heim zu | |
| bauen.“ | |
| Scharf kritisiert hatte die Pläne für die geschlossene Eingangsphase auch | |
| Renzo Martinez. „Geschlossene Unterbringung ist ein | |
| [13][Grundrechtseingriff]. Sie schädigt die Kinder und ist nicht zu | |
| rechtfertigen“, sagt der frühere Haasenburg-Bewohner, der sich heute im | |
| [14][Verein „K.I.N.D.“] für die Rechte von Heimkindern engagiert. Martinez | |
| hatte sich sogar mit Behördenvertretern getroffen und darüber gestritten. | |
| Peter Albrecht sagt, in dem Gespräch sei besonderer Wert auf | |
| Mitgestaltungsstrukturen und Beschwerdestellen gelegt worden, diese seien | |
| in den Konzepten „umfassend berücksichtigt“. Das sieht Martinez anders: �… | |
| die geschlossene Eingangsphase immer noch geplant ist, wurde meine | |
| Hauptkritik gerade nicht berücksichtigt.“ | |
| 12 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Geschlossene-Heime-fuer-Jugendliche/!5053858 | |
| [2] /Traumatisierte-ehemalige-Heimkinder/!5926443 | |
| [3] /Ex-Heimkinder-zu-Hamburgs-Heim-Plaenen/!5959092 | |
| [4] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Klotzenmoorstieg-Wei… | |
| [5] /Streit-um-neues-Kinderheim-in-Hamburg/!6010590 | |
| [6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87667/22_032_protokoll_der… | |
| [7] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87765/22_15597_bericht_des… | |
| [8] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87245/22_15139_haushaltspl… | |
| [9] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bsfb/einrichtungen-… | |
| [10] https://www.geschlossene-unterbringung.de/2025/09/zum-zusammenwirken-von-j… | |
| [11] /Debatte-um-geschlossene-Kinderheime/!5910792 | |
| [12] /Kriminologe-Lindenberg-ueber-geschlossene-Heime/!5054288 | |
| [13] /Jurist-ueber-geschlossene-Jugendheime/!6078119 | |
| [14] https://kritisches-kind.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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