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# taz.de -- Rechtsextremismus in Ost und West: Zwischen Hass und Ausstieg
> Extremismusexperte Fabian Wichmann und Felix Benneckenstein, ehemaliger
> Neonazi und Ausstiegshelfer, sprechen über den Ausstieg aus der rechten
> Szene.
Diese Woche widmet sich Mauerecho Thema Ausstieg aus der rechten Szene.
Host Dennis Chiponda hat sich dazu zwei Gäste eingeladen: Fabian Wichmann,
Experte für die Prävention von Rechtsextremismus und Deradikalisierung, und
Felix Benneckenstein, ehemaliger Neonazi und Ausstiegshelfer.
Wichmann ist in Brandenburg aufgewachsen und war viele Jahre bei Exit
Deutschland tätig, der ersten Initiative, die in Deutschland Hilfe für
Aussteiger*innen aus der rechten Szene anbot. Inzwischen arbeitet er
als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verein Grüner Vogel, der bei der
Deradikalisierung und beim Ausstieg von Islamist*innen unterstützt.
Benneckenstein, in Bayern geboren, gelang durch Exit Deutschland der
Ausstieg. 2011 gründete er den Verein Aussteigerhilfe Bayern. Chiponda,
selbst in Brandenburg zur Zeit der Baseballschlägerjahre groß geworden,
bringt in diesem Gespräch immer wieder persönliche Erfahrungen ein.
Die Gäste berichten zunächst über ihre ersten Berührungspunkte mit der
rechten Szene. Wichmann erlebte die Baseballschlägerjahre im Osten mit.
Viele seiner Freunde und Bekannten radikalisierten sich in dieser Zeit. Er
betont, dass gesellschaftliche Unsicherheiten nach der Wende zwar
Radikalisierung begünstigt hätten, sie aber nie alleinige Ursache seien:
Sonst wäre „der ganze Osten kollektiv zum Nazi mutiert.“ Individuelle
Faktoren seien ebenso entscheidend dafür, dass rechtsextreme Bilder und
Erzählungen anschlussfähig seien.
## Wie gerät ein junger Mensch in die rechtsextreme Szene?
Benneckenstein schildert, wie er als Jugendlicher in die Neonaziszene in
Bayern geriet, die dort gut vernetzt war. Mit pubertären Unsicherheiten und
Brüchen in seiner Biografie konfrontiert, habe er in der rechtsextremen
Ideologie scheinbare Antworten gefunden. Er habe sich selbst außerhalb der
Gesellschaft verortet und dadurch einen Hass auf sie entwickelt, der zu
einer immer militanteren Staatsfeindlichkeit führte.
Da er mit einem Bruder mit geistiger Behinderung aufgewachsen war, sei ihm
die nationalsozialistische Ideologie zunächst fremd gewesen, doch mit der
Zeit sei er abgestumpft. Diese kognitiven Dissonanzen hätten sich durch die
ganze Zeit gezogen, in der er in der Szene aktiv gewesen sei.
Wichmann erklärt, dass diese kognitive Dissonanz eine Konfliktkompensation
darstelle, um die Widersprüche im eigenen Selbstbild auszugleichen – etwas,
das bei jugendlichen Heranwachsenden sehr typisch sei. Die rechtsextreme
Szene zeichne sich zudem durch ein Elitendenken aus. Sie nehme sich selbst
als die einzige Gruppe wahr, die die Welt begriffen habe, und könne somit
jedes gesellschaftliche Problem als Problem der anderen nivellieren, das
sich lösen ließe, wären sie selbst an der Macht. Diese Selbsterhöhung
verhindere wiederum die Selbstreflexion.
## Wie steigt man aus der rechten Szene aus?
Wie funktioniert der Ausstieg? Laut Wichmann immer mit dem eigenen Willen.
Die Ausstiegshilfe liefere dann den Rahmen, innerhalb dessen die
radikalisierte Person sich mit sich selbst auseinandersetze. Dieser Prozess
sei nicht in wenigen Wochen abgeschlossen. „Sondern es ist wirklich ein
Prozess, der sich als akuter Prozess über vielleicht vier Jahre zieht; als
biografisches Element, als biografische Erfahrung ist er ein Teil deines
Lebens bis zum Ende,“ betont Wichmann.
Außerdem geht Benneckenstein darauf ein, ob es einen Unterschied zwischen
der ost- und der westdeutschen rechtsextremen Szene gibt. Im Osten sei die
Szene viel sichtbarer als im Westen, Neonazis würden sich dort nicht in der
Minderheit fühlen. „Aber im Großen und Ganzen ist es einfach die gleiche
Ideologie. Das darf man nicht vergessen. Es ist die gleiche Lebensweise, es
sind die gleichen Feindbilder“, sagt Benneckenstein.
Zum Schluss sprechen die beiden darüber, was getan werden muss, um rechte
Gewalt einzudämmen. Wichmann berichtet, dass rechte Gewalt konsequenter
verfolgt werde als noch in den 90er-Jahren. Strukturen in diesem Bereich
sollten weiter ausgebaut werden und auch rechtsextreme Tendenzen innerhalb
der Sicherheitsbehörden stärker untersucht werden.
Benneckenstein ergänzt, dass der starke Fokus auf die AfD den Blick auf die
[1][klassische Neonaziszene verstelle, die sich weiter vernetze und
organisiere]. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus der AfD sei
wichtig, die völkische Szene dürfe jedoch nicht aus dem Blick geraten.
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [2][taz Panter Stiftung…
Er erscheint jede Woche Sonntag auf [3][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
28 Sep 2025
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## AUTOREN
Dennis Chiponda
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