# taz.de -- Transformation in Ost und West: Zwischen Wandel und Zusammenhalt | |
> Wie hängen Strukturwandel und Rechtsextremismus zusammen? Ein Gespräch | |
> mit Grünen-Politiker*innen Katrin Göring-Eckardt und Felix Banaszak. | |
In der 30. Folge Mauerecho trifft sich Dennis Chiponda im Bundestag mit den | |
beiden Grünen-Abgeordneten Felix Banaszak und Katrin Göring-Eckardt, um | |
über Transformationsprozesse in Ost und West zu sprechen. Wie hängen | |
Strukturwandel und Rechtsextremismus zusammen? Und welche Lösungen haben | |
die Grünen? | |
Banaszak ist seit November 2024 Bundesvorsitzender der Partei. Er wurde | |
1989 in Duisburg geboren und erzählt im Podcast, dass er sich erst spät mit | |
dem Osten auseinandergesetzt habe. [1][Diesen Sommer tourte er durch die | |
ostdeutschen Bundesländer]. Nun eröffnet er ein Wahlkreisbüro in | |
Brandenburg, um die Menschen im Osten wieder von den Grünen zu überzeugen. | |
Göring-Eckardt ist ehemalige Fraktionsvorsitzende. Aufgewachsen in | |
Thüringen, war sie Ende der 80er-Jahre Teil der Bürgerrechtsbewegung in der | |
DDR und setzte sich nach dem Mauerfall dafür ein, dass das wiedervereinigte | |
Deutschland einen neuen gemeinsamen Weg mit einer neuen Verfassung gehe. | |
Im Podcast vergleichen Göring-Eckardt und Banaszak die jeweiligen | |
Transformationsprozesse, die in den letzten Jahrzehnten vollzogen wurden. | |
Im Osten fand der schnelle Umbau von einem sozialistischen zu einem | |
kapitalistischen System statt, im Westen der Strukturwandel im Ruhrgebiet. | |
Wo gibt es Gemeinsamkeiten, und wo Unterschiede? | |
Banaszak betont, dass sich der Strukturwandel in seiner Heimatregion, in | |
der die Kohle- und Stahlindustrie nach und nach immer weiter zurückging, | |
über mehrere Jahrzehnte hinzog und somit stärker gestaltet werden konnte. | |
In den Regionen, in denen Industriestandorte wegbrachen, wurden | |
beispielsweise Universitäten und Hochschulen errichtet. Im Osten hingegen | |
konnte man sich auf die tiefgreifenden Veränderungen nach der | |
Wiedervereinigung nicht vorbereiten. | |
## Identitätsbrüche und Transformationstraumata | |
Göring-Eckardt ergänzt, dass die Transformation im Osten nicht nur | |
wirtschaftliche Konsequenzen wie Arbeitslosigkeit, sondern auch innere | |
Identitätsbrüche zur Folge hatte. Plötzlich sei das, was man beruflich | |
gemacht oder in Schule und Studium gelernt hatte, gesellschaftlich nicht | |
mehr anerkannt gewesen. Das habe auch zu einem Transformationstrauma | |
geführt. | |
Trotzdem seien Transformationen, vor denen auch das Ruhrgebiet heutzutage | |
wieder stehe, mit Chancen verbunden, meint Banaszak. „Das Interessante an | |
dem, was gerade im Ruhrgebiet passiert und auch in anderen Regionen des | |
Landes, Ost wie West, ist, dass Transformation ja auch heißen kann: Dinge | |
bauen sich um.“ | |
Außerdem sprechen die beiden über den Zusammenhang zwischen | |
strukturschwachen Regionen und dem Aufstieg der AfD. Auch im Westen, etwa | |
in Städten wie Duisburg und Gelsenkirchen, werde diese immer stärker. | |
Göring-Eckardt beobachtet, dass in der ehemaligen DDR und im Ruhrgebiet | |
eine ähnliche Erwartungshaltung gegenüber dem politischen System existiere. | |
Im Ruhrgebiet sei man daran gewöhnt gewesen, dass der Bergbau die | |
Strukturen vor Ort geschaffen habe, in der DDR sei es der Staat gewesen. | |
„Und diese Mentalität – die Politik ist ein Dienstleistungsunternehmen – | |
haben wir gemeinsam.“ Das liege aber auch an politischen | |
Ohnmachtserfahrungen und am Wegbrechen lebensnotwendiger Infrastruktur, | |
fügt Banaszak hinzu. | |
## Radikalere Politik? | |
Was sind grüne Lösungen? Sowohl Göring-Eckardt als auch Banaszak | |
kritisieren den Kurs der CDU, die die Themen der AfD aufgreife und auf | |
regionaler Ebene mit ihr kooperiere. Merz habe angekündigt, die | |
Wählerschaft der AfD zu reduzieren. Das Gegenteil sei jedoch zu beobachten. | |
Banaszak bemängelt die politische Passivität gegenüber rechten Strukturen. | |
„Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Sinne eine radikalere Politik | |
brauchen: radikaler unzufrieden mit Ungleichheit sein, sich radikaler gegen | |
den Faschismus und gegen den Rechtsextremismus wehren, radikaler benennen, | |
in was für einer dramatischen Situation unsere Demokratie an sehr vielen | |
Stellen in diesem Land mittlerweile ist.“ | |
Für die Zukunft wünscht sich Banaszak, dass es gelingt, konstruktiv mit den | |
Unterschieden zwischen Ost und West umzugehen und ein gegenseitiges | |
Interesse zu fördern. Göring-Eckardt fordert eine genaue Auseinandersetzung | |
mit den zwei deutschen Diktaturen. Dabei müsse man auch die Narrative in | |
den Blick nehmen, die sich die Ostdeutschen selbst erzählen. Man müsse die | |
Transformationserfahrungen genau betrachten, aber auch das Versagen. „Und | |
es hat nicht nur der Westen versagt, es haben auch die Ostdeutschen selber | |
versagt, weil sie bestimmte Sachen gar nicht angegangen sind.“ | |
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [2][taz Panter Stiftung… | |
Er erscheint jede Woche Sonntag auf [3][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo | |
es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm. | |
13 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dennis Chiponda | |
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