| # taz.de -- Die Wahrheit: Der Schwarzwäldler | |
| > Der Mann der Stunde und der Mann des Kanzleramts: Thorsten Frei (CDU) – | |
| > Chef, Ehemann und Buchautor. | |
| Bild: Der schwer beflissene Frei will Chaos wie Kanzler bändigen | |
| Wie macht der Mann das? Thorsten Frei hat eigentlich schon genug zu tun. | |
| Als Chef des Bundeskanzleramts zieht er die Fäden in der schwarz-roten | |
| Regierungskoalition. Friedrich Merz sagt über ihn: „Er ist meine linke und | |
| meine rechte Hand.“ Woher nimmt Frei noch Zeit und Hände, um ein Buch zu | |
| schreiben? | |
| Er sei es gewohnt, wenig zu schlafen, meist nur fünf Stunden, sagt er bei | |
| der Präsentation im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Das Thema liege ihm | |
| schon lange auf der Seele, da habe er eben die Nächte durchgeschrieben. | |
| Kurz vor dem Start der Frankfurter Buchmesse erscheint nun im Knopp Verlag | |
| sein Werk mit dem Titel: „Ich bin so Frei – Schwarzrotgoldene Regeln des | |
| guten Tons“, 600 Seiten stark, mit Lesebändchen in Deutschlandfarben. Frei | |
| hält es stolz in die Höhe und scherzt: „Ein Hardcover für Hardliner.“ | |
| Der „freundliche Konservative“ (Die Zeit) will sein Werk als „gedanklichen | |
| Werkzeugkasten zu einer Diskussion über dringend nötige Tugenden“ | |
| verstanden wissen, er spricht den Leser direkt an. Gerade junge Leute, vor | |
| allem Männer, seien verunsichert und wüssten nicht mehr, worauf es in einem | |
| „anständigen“ Leben ankomme: „Disziplin, Loyalität, Pflichtgefühl“ s… | |
| für ihn „entscheidende Säulen“, bei der Arbeit und im Alltag, das habe er | |
| in seinem Elternhaus vermittelt bekommen. So unterteilt sich das Buch in | |
| Abschnitte wie „Der erfolgreiche Mann“, „Takt in allen Lebenslagen“ und | |
| „Der eheliche Friede“. | |
| Das Kapitel „Sie und Ihr Chef“ ist besonders aufschlussreich. Hier schreibt | |
| Frei, ohne auf seinen eigenen Vorgesetzten konkret einzugehen: „Das gute | |
| persönliche Verhältnis zum Chef gründet sich auf dienstbereite, willige | |
| Mitarbeit. Sie werden seine Sympathie am sichersten gewinnen, wenn Sie sich | |
| für seine Pläne und Sorgen interessieren. Und ist er gereizt, fassen Sie | |
| das nicht gleich persönlich auf.“ Frei winkt lächelnd ab: „Ähnlichkeiten | |
| mit lebenden Personen sind reiner Zufall.“ Dabei ist bekannt, dass der | |
| fleißige Frei ein enger Vertrauter des Kanzlers ist, manche nennen die | |
| beiden – in Anspielung auf Merz Spitznamen – „Fritz und Flink“. | |
| Er komme aus einer „normalen“ Familie, sagt der 52-Jährige, der Vater | |
| Polizist, die Mutter Industriekauffrau, und er sei ein „normales“ Kind | |
| gewesen. Das Konservativsein habe ihm, dem bekennenden Katholiken, schon in | |
| jungen Jahren so viel bedeutet, dass er nicht Ministrant werden wollte, | |
| „weil das nach ‚Demonstrant‘ klang“. Und auch heute will er „das Chao… | |
| der modernen Gesellschaft „ein Stückweit in Ordnung bringen“. Im | |
| Schwarzwald, wo Frei geboren ist, sagen sie über ihn: „Der schwätzt wie ein | |
| Pfarrer, er kommt bei den Jungen an und ist auch noch was für die Frauen.“ | |
| Frei erklärt dazu nur, es sei ihm ein Anliegen, Vorbild für Heranwachsende | |
| zu sein und ihnen Eindrücke mitzugeben, die „unauslöschlich bleiben für das | |
| ganze Leben“. Habe er etwa eine Schulklasse im Bundestag zu Besuch, gebe es | |
| „ein buntes Programm“, zu dem eine Stadtführung, die Möglichkeit zu einem | |
| individuellen Einkaufsbummel, der Besuch der Jugenddisco Matrix sowie des | |
| KZ Sachsenhausen gehörten, wovon er auf seiner Webseite berichte. Auch für | |
| solche Aufgaben hat Frei den richtigen Rat parat: „Ein gewisses Maß | |
| gesellschaftlicher Gewandtheit ist für eine leitende Tätigkeit von | |
| unschätzbarem Wert.“ | |
| ## Vielsagendes Lächeln | |
| Doch wie passt das zu dem Eindruck, den SPD-Verteidigungsminister Boris | |
| Pistorius bei den Koalitionsverhandlungen gewann? Frei habe „kein | |
| Gewissen“, hatte Pistorius gesagt. „Humanität und Verantwortung für andere | |
| Menschen? Null komma null.“ Frei antwortet mit einer Passage aus dem | |
| Kapitel „Menschenkenntnis“: „Wenn Sie mit Ihren Kollegen nicht | |
| zurechtkommen, so suchen Sie nicht gleich die Schuld bei den anderen. Unter | |
| Männern soll man stets danach streben, Andeutungen und versteckte Angriffe | |
| zur klaren Aussprache zu bringen.“ Mit einem vielsagenden Lächeln klappt er | |
| das Buch wieder zu. | |
| Apropos Männer: Das 18-stündige Hörbuch hat der Autor nicht selbst | |
| eingelesen, „das liegt wahrscheinlich an meinem schwäbischen Akzent“, | |
| erklärt er lachend und zitiert sich selbst: „Jeder aufstrebende Mensch wird | |
| sich bemühen, dass der Heimdialekt in der Fremde nicht vorherrscht.“ | |
| Schauspieler Heiner Lauterbach, der Friedrich Merz im Bundestagswahlkampf | |
| unterstützte, habe das „toll gemacht“. Lauterbach selbst sagt, für ihn als | |
| Wertkonservativen komme das Buch zur – er macht eine bedeutsame Geste – | |
| „rechten Zeit“. | |
| Zu den Kapiteln über die Ehe habe Freis Gattin Katharina „entscheidend“ | |
| beigetragen. „Sie schreibt aus eigener Erfahrung.“ Frei trägt vor: | |
| „Beklagen Sie sich nicht, wenn Ihr Mann spät heimkommt oder wenn er die | |
| ganze Nacht ausbleibt. Nehmen Sie dies als kleineres Übel, verglichen mit | |
| dem, was er vermutlich tagsüber durchgemacht hat.“ Er schaut auf. „Ist das | |
| nicht wunderbar?“ Seine Frau, die als Lehrerin arbeitet, und die drei | |
| Kinder leben in Donaueschingen, wo Frei einst Oberbürgermeister war. | |
| ## Daheim bei den Ortskräften | |
| Seine Familie nennt er liebevoll „meine Ortskräfte“. Dass sie zu ihm nach | |
| Berlin ziehen, sei kein Thema, da gebe es „Sicherheitsbedenken“ für die | |
| Beziehung, sagt Frei lachend. „Und falls ich mal etwas anderes gesagt habe: | |
| Es ist ja nicht so außergewöhnlich, einmal getätigte Zusagen zu überprüfen | |
| und zurückzunehmen.“ Er legt Katharina einen Arm um die Schultern. „Das | |
| kennt meine Frau schon. Sie hat es nicht immer leicht mit mir.“ | |
| Wenn er am Wochenende heimkomme, sei er keine große Hilfe, erzählt die | |
| angereiste Gattin im Konrad-Adenauer-Haus, schon gar nicht im Haushalt. Er | |
| könne weder kochen noch putzen. Das sei jedoch auch nicht seine Aufgabe. | |
| „Aber, das muss man sagen“, sagt seine Frau: „Er saugt schon mal.“ | |
| Dann trägt sie noch eine ihrer Lieblingspassagen aus dem Buch vor: „Sorgen | |
| Sie dafür, dass Ihr Zuhause ein Ort voller Frieden, Ordnung und | |
| Behaglichkeit ist, wo Ihr Mann Körper und Geist erfrischen kann.“ Thorsten | |
| Frei leckt sich die Lippen: „Mittlerweile gelingt meiner Frau der | |
| Nudelauflauf fast so gut wie meiner Mutter.“ Das Rezept sucht man im Buch | |
| jedoch vergeblich. | |
| 30 Sep 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Tanja Kokoska | |
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