| # taz.de -- Die Wahrheit: Quengelware Panzerfaust | |
| > Mit Waffensonderangeboten möchte der arg gebeutelte deutsche Einzelhandel | |
| > vom lebhaften Aufschwung in der Rüstung profitieren. Ein Lagebericht. | |
| Die Warteschlange vor der Rewe-Filiale im friedlichen Oberndorf am Neckar | |
| wird immer länger. Marktleiter Hektor Koch ist begeistert. „Wir haben damit | |
| gerechnet, dass das neue Angebot gut ankommt. Aber so gut?“ Manche Kunden | |
| hätten sogar in ihren Autos auf dem Parkplatz übernachtet, um die besten | |
| Plätze vor dem Eingang zu bekommen. Durch die Glasschiebetüren ist schon | |
| das vertraute Logo zu erkennen: „ja!“ prangt auf einem Banner, dunkelblau | |
| auf weiß, und darunter: „Die Zeitenwende zu Discounterpreisen.“ | |
| Wer es in den Markt hineingeschafft hat, vor dem erhebt sich ein | |
| beeindruckender Stapel mannshoher Kartons. Darin, in Einzelteilen zur | |
| Selbstmontage: die brandneue „ja!“-Panzerfaust. „Rückstoßarm, leicht zu | |
| bedienen, mit passender Munition, die ersten fünfzig Schuss sind frei.“ | |
| Koch lacht. „Und das alles für nur 449,90 Euro, ein Schnäppchen.“ Er weic… | |
| einer Familie mit vier Kleinkindern aus, die sechs Panzerfäuste durch die | |
| Gänge rangiert. „Wir wollten die flinken Fäustchen eigentlich bei der | |
| Quengelware platzieren, das wäre passender gewesen, doch da war einfach | |
| nicht genug Platz.“ | |
| Kundin Elisabeth N. sieht müde, aber glücklich aus. Nach einer schlaflosen | |
| Nacht in ihrem Auto hat sie eines der letzten Geschosse ergattert, ein | |
| Geschenk für ihren Mann zum 50. Geburtstag. „Er freut sich schon so darauf, | |
| endlich ein wehrhafter Demokrat zu sein. Jetzt muss ich nur noch schauen, | |
| wie ich das scheißschwere Ding in den Kofferraum kriege.“ | |
| Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, lobt | |
| den „Pioniergeist“ des Konzerns: „Als Industrieland müssen wir gezielt in | |
| militärisch nutzbare Innovationen investieren und damit den Wert der | |
| Verteidigungsfähigkeit und der notwendigen Güter innerlich bejahen.“ | |
| Marktleiter Koch deutet stolz auf die Menschenmassen, die sich in seiner | |
| Filiale drängen: „Da kann ich nur sagen: Mehr,ja!' geht ja nicht.“ | |
| ## Ja zur Verantwortung | |
| Rewe-Geschäftsführer H. L. Tengelmann pflichtet ihm bei: „Wir sagen,ja!' zu | |
| einer neuen Verantwortung, der wir als Konzern gerecht werden wollen. | |
| Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt | |
| werden muss. Ohne die Gesellschaft, also ohne unsere Kundschaft, die jeden | |
| Morgen früh aufsteht und hart einkaufen geht, ist aber nichts zu gewinnen.“ | |
| Es gelte daher, ein „niedrigschwelliges Angebot“ zu machen, mit dem die | |
| Menschen „Qualität zum bestmöglichen Preis“ verbinden. „Wir tun alles f… | |
| Ihr,ja!' “, sagt Tengelmann staatsmännisch. Leibinger hebt mahnend den | |
| Zeigefinger: „Niemand sollte dabei das Gefühl haben, er betreibe ein | |
| fragwürdiges und moralisch angreifbares Geschäft.“ | |
| Die Sorge ist aber ohnehin unbegründet. Auch die Konkurrenz hat das neue | |
| Geschäftsfeld für sich entdeckt und fährt schwere Geschütze auf: Der | |
| Discounter Lidl wird in Kooperation mit dem beliebten Designer Guido Maria | |
| Kretschmer eine exklusive Uniformkollektion „für jedermann und jedefrau“ | |
| herausbringen. „Was ich mache, nenne ich ‚Democratic Couture‘ “, sagt | |
| „Shopping King“ Kretschmer. Darin werde man „als Mensch gesehen, auch in | |
| Tarnfarben“. | |
| Lidl hat die Kollektion noch vor Markteinführung von der Stiftung Warentest | |
| unter die Lupe nehmen lassen. Das Ergebnis: „Die Eigenmarke überzeugt im | |
| Nässe-Test“, sagt Testerin Saskia Milbona. „Zehn herkömmliche Zivilisten | |
| begaben sich in verschiedenen Uniformen für zwanzig Minuten mit saugfähigen | |
| Pads unter dem Armen in einen Schwitzraum. Im Anschluss wurde die | |
| Schweißmenge in den Pads anhand des Gewichts ermittelt.“ Dabei erhielt nur | |
| die Lidl-Uniform die Bestnote Gut (2,1). „Auch im Hochsommer ist man gut | |
| gerüstet“, resümiert Milbona. | |
| Edeka wiederum hat unter seinem Label „Gut & Günstig“ die Produktion von | |
| Sturmgewehren angekündigt, „garantiert ohne Probleme mit dem | |
| Durchladehebel“. Und Aldi Süd plant, „Kampfdrohnen zu Kampfpreisen“ in | |
| seine Produktpalette aufzunehmen. CSU-Chef Markus Söder ist bereits eilig | |
| auf den Zug aufgesprungen und hat per Video-Post „Daumen hoch“ | |
| signalisiert; er könne sich vorstellen, 100.000 Aldi-Drohnen allein für | |
| sein Bundesland in Auftrag zu geben. „Gutes für alle – aber für Bayern | |
| first!“ Die Stiftung Warentest lobt: „Das Edeka-Modell fliegt stabil, | |
| während etwa die Bundeswehr-Drohne wenig vertrauenerweckend durch die Luft | |
| eiert.“ | |
| ## Fallschirme mit Qualität | |
| Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht Potenzial in der neuen | |
| Sortimentsstrategie der Unternehmen. „Es ist kein Geheimnis, dass die | |
| Bundeswehr Qualitätsware bitter nötig hat. Die Heeresleitung steht daher in | |
| engem Kontakt mit den Geschäftsführungen, um zu erfassen, womit unsere | |
| Armee rasch beliefert werden kann, zum Beispiel mit Fallschirmen.“ Das | |
| bisherige Modell müsse dringend ausgemustert werden, da man nicht | |
| garantieren könne, dass Soldaten damit einen Sprung überlebten – und die | |
| Truppe leide ohnehin unter Personalschwund. | |
| „Kein Problem“, sagt Rewe-Geschäftsführer Tengelmann. Voraussetzung sei | |
| allerdings, dass das „ja!“-Logo auch vom Boden aus gut erkennbar sein | |
| müsse. „Das ist effektiver als jede Bandenwerbung im Fußballstadion.“ | |
| In Oberndorf fährt nun unerwartet hoher Besuch vor. Eine schwarze Limousine | |
| parkt direkt vor dem Markteingang. Ein Raunen geht durch die Menge, als der | |
| Kanzler ihr entsteigt. So ein „kriegswütiges … äh, -wichtiges Event“ we… | |
| er sich nicht entgehen lassen, sagt Friedrich Merz und winkt ergriffen ins | |
| Publikum. „Wir haben die Zukunft im Visier!“ | |
| Spontan hilft er einer Kundin, gleich drei Panzerfäuste in ihrem Kleinwagen | |
| zu verstauen. „Das mache ich doch gerne. Wer Frieden will, muss zum Krieg | |
| bereit sein.“ Dann greift der CDU-Chef in seine Jacketttasche und holt ein | |
| Überraschungsei hervor. „Hab ich vorhin an der Tankstelle mitgehen lassen“, | |
| flüstert er grinsend und öffnet die gelbe Plastikverpackung. „In jedem | |
| siebten Ei steckt nämlich eine Mini-Handgranate. Ah! Glück gehabt!“ | |
| Merz zieht den Splint, holt weit aus und wirft die Granate in die | |
| Frischwarenabteilung. „Es reicht nun mal nicht, sich nur politisch die | |
| richtigen Ziele zu setzen. Ich kann Brokkoli nicht ausstehen.“ Der Kanzler | |
| hält sich die Ohren zu. „Jetzt muss es Puff machen …“ | |
| 7 Jun 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Tanja Kokoska | |
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