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# taz.de -- Die Wahrheit: Biedermann als Brandstifter
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute in der beliebten
> Wahrheit-Serie: Tino „Balla“ Chrupalla.
Bild: Im Lichte der Kamera gibt Chrupalla gerne den braven Mann
Blättern wir neun Jahre zurück und werfen Weihnachten 2016 den Anker! War
es ein Fest wie alle anderen oder blickten leere Kinderaugen aus tiefen
Höhlen auf den nicht vorhandenen Tannenbaum? Unter dem auch keine
elefantengroßen Geschenkpakete lagen? Sondern bloß ein Eimer Wasser
rumlungerte – sonst zum Löschen bereitgestellt, falls eine der 24 Kerzen
vom Baume hüpft –, der diesmal mit den schweren Tränen der Kinder
tropftropf überläuft? Deren Weinen und Wimmern allein von ihren und der
Eltern Mägen brüllend überknurrt wird? Weil weder eine knusprige Gans noch
ein Berg Christgebäck zum Knabbern da sind, um die Eingeweide bis über die
Füllgrenze zu stopfen und fürs Morgengeschäft vollzumachen?
Nein, alles Lug und Trug von A bis Ende. Bei der Familie Chrupalla war es
ein normal, jawohl: ein „Deutschland, aber normal“ runtergedudeltes Fest
mit Tannenbaum, Geschenken und Festfraß. Flüchtlinge hatten ihnen nicht
einfach alles, jawohl: alles, bis auf die nackte Haut!, gestohlen, sondern
gar nichts. Aber es hätte sein können, und folgerichtig warnte Papa Tino im
kurz danach aufbrechenden Jahr 2017 vor den Fremden, die in die deutschen
Lande hereinsprudeln, um „uns auszunehmen wie eine Weihnachtsgans“, wie
oben bewiesen. Es stimmt also!
Der laut in den Bundestagswahlkampf abgeseilte Weckruf zahlte sich aus:
Tino Chrupalla rang in seinem Wahlkreis Görlitz den damaligen
Generalsekretär der CDU Sachsen Michael Kretschmar nieder und marschierte
für die AfD als Triumphator nach Berlin. Und ward von den Großen auf
blühendem Teppich mit ausgerollten Rosen willkommen geheißen und stante
pede zum stellvertretenden Fraktionschef gesalbt!
## Natürlich gewachsener Handwerker
Endlich hatte die Partei einen natürlich gewachsenen Handwerker zum
Vorzeigen, nicht mehr nur fehlgeleitete Akademiker, sondern einen braven
deutschen Mann mit Mittlerer Reife und Meisterprüfung als Maler und
Lackierer, sich und die Partei noch verschönernd als biederes
Familienoberhaupt mit Frau und drei Kindern. In ihm sollten sich nun viele
arteigene Deutsche wiedererkennen und sich wie lecker Brot einfangen lassen
– statt wie bisher nur die gehässigen, garstigen und gemeinen, die sich in
den anderen Führungs- und Fraktionsfiguren der AfD gespiegelt sahen.
Schob er sich oder wurde er geschoben – Chrupallas Laufbahn zeigte
senkrecht nach oben. Kaum hatte er sich 2015 in die AfD eingereiht, da
kletterte er bereits 2016 in den Kreisvorstand in Görlitz und plumpste 2017
in den Sessel des Vorsitzenden, als er auch schon im großgroßen Berlin
aufwachte und wieder zu sich kam. Den Rest pflückte er wie
selbstverständlich ab: 2019 die Parteiführung und 2021 den ersten Sessel in
der Bundestagsfraktion als good cop an der Seite Alice Weidels.
Während sie die Wespe macht, gibt Tino den Onkel, der sich wie im
Familienkreis zu allem äußert, es aber nicht so meint und hinterher nichts
Schlimmes und Kratziges gesagt haben will; schon gar nicht die Reizvokabel
„Umvolkung“, obwohl sie bei einem Interview hörbar aus seinem Mund
flutschte. Er habe aber nie zu dem rechtsradikalen „Flügel“ um Björn Höc…
gehört, weil der Flügel nicht rechtsradikal gewesen sei, nein, umgekehrt,
obwohl!
Ebenso klar steht Chrupalla zu Andreas Kalbitz, der wegen seiner
neonazistischen Vergangenheit in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ aus
der heimattreuen AfD gewälzt wurde, obwohl deren Zukunft doch die deutsche
Jugend sein muss. Aber Chrupalla ahnt, dass aus parteistrategischen Gründen
taktische Opfer gebracht werden, um die Öffentlichkeit einzuschläfern.
Hinter verschlossenen Türen und Fenstern aber gibt es zwischen ihm und dem
himmlerköpfigen Kalbitz keine Meinungsverschiedenheiten: Er, Chrupalla,
drücke sich vor der Tür nur vorsichtiger aus.
Kalbitz war zuvor bei der CSU und den Republikanern, Chrupalla hatte sich
in märchenhaft früher Zeit der Jungen Union angebunden und lange versucht,
CDU und FDP zu wählen. Doch 1975 geboren, als die DDR noch der Sowjetunion
gehörte statt den westlich durchgetakteten Systemparteien, erkannte er
schließlich, dass er noch immer russisch durchfeuchtet ist, und will
deshalb ein Ende der schadenfrohen Sanktionen gegen Deutschland, nein
Russland, so herum, aber damit auch Deutschland, zwei Zipfel einer Wurst.
Der wahre Feind ist nicht der Russ’, sondern der Ami, der Deutschland seit
45 im Schwitzkasten hält – und, Gott sei’s getrommelt und um die Ohren
gehauen: der Deutsche selbst! Er wird immer weniger und löst sich bald in
Luft auf! Chrupallas Gegengift: ein deutsches Babybegrüßungsgeld, wenn bei
zwei deutschen Eltern mit ausschließlich deutscher Staatsbürgerschaft ein
deutscher Säugling von der deutschen Mutter nach neun Monaten deutsch
ausgeploppt wird.
Deutsche sind nämlich das Schönste und Hellste auf Erden. So wie er, das
menschliche Gesicht der AfD!
23 Sep 2025
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Satire
Tino Chrupalla
Schwerpunkt AfD
Biografie
Rechtsextremismus
Reden wir darüber
Alois Rainer Landwirtschaftsminister
Johann Wadephul
Kulturstaatssekretär
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