Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der Digitalisator am Hungertuch
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Karsten „Keule“
> Wildberger, Bundesminister für alles Moderne.
Bild: Minister mit Fingerzeig, der alles zwischen 0 und 1 bedeutet
Noch weht der staubige Geist des 19. Jahrhunderts durch das junge
Ministerium, noch muss Karsten Wildberger zu Fuß in das Büro nebenan gehen,
wenn er seinen beamteten Staatssekretär Markus Richter sehen will, statt
sich hinüberzubeamen. Oder mit dem Handfernsprechgerät, einem dieser
neumodischen „Smartphones“, drahtlos Kontakt aufzunehmen und ihn zur
wöchentlichen Trainingseinheit herüberzubitten – irgendjemand muss einmal
zu oft auf seinem sogenannten Handy diese angebliche PIN mit dieser
ominösen PUK verwechselt haben!
Heute soll es mal nicht darum gehen, wer schneller eins und eins
zusammenrechnen kann – dass das zehn ergibt, hat sich seit letzter Woche
bis in alle Ecken des Ministeriums herumgesprochen. Aber wie viel ist zehn
plus zehn? Kaum ist die Aufgabe gestellt, ruft Richter: „20!“ Wildberger
stutzt, kommt denn nicht, pi mal Daumen und zurück, vier heraus?!
Wildberger klopft dreimal kräftig gegen die Wand, prompt erscheint Philipp
Amthor auf dem Bildschirm, oder um Verwechslungen zu vermeiden: auf der
altmodischen Bildfläche. Er soll sein Parlamentarischer Staatssekretär
sein. Wildberger kennt sich mit diesen Sekretären von Parlaments oder
Staats wegen nicht aus, er stammt aus der Wirtschaft, seit er 1998 bei
Boston Consulting Konsul war, quatsch, Unternehmen beraten hat.
Jetzt aber muss man ihm raten, und Amthor kann es! Stolz, dass er bei den
Großen mitmischen darf, schreitet er zurück in sein Büro, dreht die
Wahlscheibe seines gutmütigen Knochentelefons, kriegt den nächsten
Apple-Store an die Strippe – und kehrt lichtbringend zurück: „zehn plus
zehn sind 100!“
## Dingsbums
Überraschung, auch Ratlosigkeit, ja, etwas wie Verzweiflung malt sich auf
Wildbergers kopfgeschütteltem Gesicht. Wieder kommt es ihm hoch, dieses
Digidingsbums! Wäre er doch bei den Privaten geblieben, er könnte weiter
jedes Jahr zweieinhalb Millionen schaufeln, statt als Minister am
Hungertuch zu stricken!
Da hatte er ganz linear die Schule besucht, analog das Abitur gemacht,
studiert und sogar einen Doktor abgelegt mit einer Dissertation in
Menschensprache, geschrieben mit Buchstaben und mehr Zahlen als den Ziffern
0 und 1. Und war auch danach mit Zahlen nicht nur bis zur 9, sondern steil
hinauf bis zu Millionen und Milliarden souverän herumgesprungen!
War bei der Telekom, bei Vodafone, sogar bei der Telstra in Melbourne, dort
am Hintern des Planeten, war bei e.on und zuletzt bei MediaMarktSaturn,
kannte sich aus mit dem Human- wie dem Geschäftspartnersegment. Und jetzt
diese Elendsexistenz am Rande der Gesellschaft! Zugegeben: Mit einem Bein
stand er schon immer im Internet. Noch zugegebener: Erfahrungen in Politik
und Verwaltung hat er keine. Aber das kann in der Politik und in der
Verwaltung auch von Vorteil sein, Wildberger ist nicht Merz.
## Doof in Düsseldorf
Aber erstaunt war er schon, als eines Tages ein völlig erschöpfter Eilbote
aus Berlin bei ihm in Düsseldorf den Türklopfer betätigte. Wildberger
wunderte sich noch, warum Merz nicht gemorst hat, aber erkannte eben darum
den akuten Modernisierungsbedarf und setzte sofort Rauchzeichen ab. Reisig
war schnell gesammelt, ein Bettlaken bald gefunden, und so wurde von
MediaSaturnmarkt zu MediaSaturnmarkt sein Ja bis in die Hauptstadt
durchge„funkt“. Andernfalls hätte Wildberger seine Zusage erst noch in ein
Tontäfelchen ritzen müssen, es dem Eilboten wieder mitgegeben. Sein
Dosentelefon taugt ja nur für den Hausgebrauch.
So oder so, ein bisschen nostalgisch ist Karsten Wildberger. Deshalb trat
er auch der CDU bei. Zugleich weiß er, dass sich jene ferne idyllische
Vergangenheit nicht zurückholen lässt, in der er mit Lego haptisch spielte,
mit Revell-Modellbausets händisch Schiffe und Flugzeuge zusammenklebte –
und mithilfe eines Fischer-Chemiebaukastens fast das Elternhaus gesprengt
hätte, nicht nur den Igel im Garten!
Nun also Minister für dieses Digizeug. Als wenn Bleistift, Kugelschreiber
und Papier nicht gut genug sind oder Schreibmaschine, Tischkopierer und
Faxgerät, wenn man partout nicht mit der Hand schreiben will! Und
ausgerechnet er soll nun den Staat, die Verwaltung und die Bürger
digitalisieren und am Ende dieser bizarren KI das ganze Human- und
Geschäftspartnersegment übereignen!
Bis dahin wird er ein wenig im Binärsystem üben, er regiert ja in einer
Zweierkoalition. Wie viele Einsen und Nullen die wohl hat? Er weiß es
nicht, ist für dieses Zahlensystem zu alt. Wie alt ist er überhaupt? Der
Philipp müsste es ihm sagen können. Wirklich kramt der Knabe sein altes
Schulbuch aus dem Matheunterricht hervor und triumphiert nach einer halben
Stunde: „Sie sind am 101. des 1.001. Monats im Jahr 11110110001 geboren!“
„Aha!“, sagt Digitalminister Wildberger und dankt von Herzen. „Ich weiß
Bescheid!“
11 Nov 2025
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Schurken
Philipp Amthor
Digital
Forschungsministerium
Alice Weidel
Satire
Alois Rainer Landwirtschaftsminister
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Die nationale Kübelkanzlerin
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Alice „Feldwebel“
Weidel, AfD-Kommandeurin und deutsche Bundesregierungsführerin des Jahres
2033.
Die Wahrheit: Biedermann als Brandstifter
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute in der beliebten
Wahrheit-Serie: Tino „Balla“ Chrupalla.
Die Wahrheit: Der schwarze Presssack
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Alois „Allesfresser“
Rainer, Bundeslandwirtschaftsminister mit Metzger-Hintergrund.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.