Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der mit dem Geldbeutel denkt
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Wolfram „Häppchen“
> Weimer, Kulturstaatsfürst und Ludwig-Erhard-Epigone vom Tegernsee.
Bild: Halb Säckelmeister, halb Kulturnudel: Wolfram Weimer
Er ist ein Paradies, dieser Biergarten, in dem man Stunden auf seinem
Hintern zubringen könnte, Toiletten sind aber auch im Haus. Wie ein
Kristall funkelt der Tegernsee in der Sonne, die gelb durch den blauen
Himmel hindurchleuchtet, kein Wolkenkratzer fährt dazwischen. Die Luft ist
sauber und glatt wie ein Kinderpopo. Besucher aus aller Welt ankern hier
und fotografieren sich vor dem von Gott hingehauenen Alpenpanorama.
Noch schöner wird es, wenn man ein paar hundert Meter den Hang
hinaufkurbelt. Dort, wo es nicht mehr nach Touristenmasse riecht, residiert
Wolfram Weimer. Außer ihm haben seine Frau und die drei Söhne hier ihren
Nistplatz, und etwas weiter entfernt, in Gmund, brütet ab und zu Friedrich
Merz, der ihn als Kulturstaatsminister in seinem Kabinett geparkt hat.
Über den See hinweg können sich die zwei sogar ohne Fernglas abtasten, denn
beide ragen auch in fünf Kilometer Entfernung 1,98 Meter vom Erdboden auf.
Mehr noch, einer kann dem andern am selben Tag gratulieren, weil beide am
11. November Geburtstagstorte haben.
Dort stößt man dann auch auf Ludwig Erhard, der sich und seine Familie
ebenfalls in dieser wie mit dem Pinsel orchestrierten Landschaft abgestellt
hatte und, obwohl 1977 in den Himmel aufgefahren, noch immer lebt:
Ausgerichtet von Weimers Weimer Media Group, wird am See Jahr für Jahr der
Ludwig-Erhard-Gipfel aufgewickelt, auf dem das Spitzenpersonal der
wichtigsten Entscheidungsträger unter den Führungskräften der höchsten
Elite bei Sekt und Häppchen dem Globus die Ohren langzieht; zu haben zum
Stückpreis von 2.700 Euro pro Person, nicht umgekehrt.
## Tuten und Blasen
Böse Zungen behaupten, Wolfram Weimer sei ein Mann der Wirtschaft und habe
vom Tuten und Blasen der Kultur keinen Schimmer. Nichts könnte schräger
sein, wie die Produkte seiner Mediengruppe beweisen: The European steht für
große Oper, die Börse am Sonntag für Drama und Komödie, der
Wirtschaftskurier für Gebrauchslyrik; Markt und Mittelstand liefert
impressionistische Bilder und Business Punk macht Musik nach Banknoten –
alles Zeugnisse der Künstlernatur Weimers, der die Kunst versteht, Geld zu
machen, woraus auch immer.
Fantasie, Imagination, Erfindungskraft, die jeder Kunstschaffende in seinem
Rucksack hat, legte Weimer schon mit seinem fiktionalen Werk „Der
Supernanny-Staat“ an den Tag. Darin fabuliert der Meister von einem
abgenudelten Land, in dem die Armen die Reichen bis auf die Knochen
ausleeren. Eine noch schwärzere Dystopie entwirft der Dichter und Trachter
in seinem „Konservativen Manifest“. In dieser Satire verherrlicht Weimer
mit raffiniert gespieltem Ernst die morschen Werte Nation und Tradition,
Heimat und Familie, Gott und Christentum und setzt spätestens, wenn er die
verdampfte Weltstellung Europas und den Schwund seiner Kolonien mit
Krokodilstränen bespritzt und bewimmert, selbst den dümmsten Lesern einen
Haken ins Ohr.
## Heimat und Familie
In Wahrheit gilt bei diesem schlau zusammengenagelten Pamphlet, die Leser
haben den Braten längst gegessen, die alte Weisheit: Ein Werk kann um eine
ganze Welt klüger sein als sein Verfasser. Tatsächlich ist Weimer von
Kindheit an durch Heimat und Familie konservativ frisiert, gepflegt und
angezogen, vollstreckte willig seinen Wehrdienst für die Nation, wie es die
Tradition befiehlt, und studierte vermöge der Konrad-Adenauer-Stiftung auf
Kosten der Christenheit, um am Ende mit einer finanzwissenschaftlichen
Arbeit wie Gott mit einem Doktortitel dazustehen.
Danach fing er sich erst die FAZ ein, bevor er sich in Gestalt der Welt mit
Springer infizierte, und spuckte, nachdem er kurz an Focus erkrankt war,
schließlich das Magazin Cicero aus, bescheiden benannt nach dem Wolfram
Weimer der antiken römischen Republik. Gleich Marcus Tullius, der noch
heute Regale bis Oberkante Unterlippe verstopft, vermag Wolfram Robert
Wilhelm jeden Gedanken, den er zapft, in ein Buch zu verwandeln. Nur hält
er zu diesem Zweck seinen Rüssel einfach bei den wirklich Großen rein,
statt selbst den Apparat anzuwerfen: „Mit Platon zum Profit“ und „Mit
Goethe zum Gewinn“ heißen zwei Werke, denen voraussichtlich „Mit Merz zum
Minister“ folgt – aus zwei Gründen allerdings ein Leerbuch.
Richtig: Bei Weimer hatte Kultur bisher Platz in einem Beutel. Aber auch
zur Entspannung der Entscheidungsträger unter den Führungskräften des
Spitzenpersonals hat sie ihren Platz bei Sekt und Häppchen! Gut abgelagert
und in Jahrhunderten gereift, kann echte, wahre, alte Kunst und Literatur
jedes Dasein mit einer Aura auspolstern, eine Bibliothek mit echten
Büchern, gebunden in Auerochsenleder, ebenso wie ein teures Gemälde als
Abstelltisch für die kostbaren Cocktails. Allerdings: Wirklich schön und
wertvoll im Leben ist was anderes. Der Tegernsee, die Sonne am Himmel und
die saubere Luft.
25 Jun 2025
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Kulturstaatssekretär
Hochkultur
Medien
Porträt
Literatur
Friedrich Merz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Der fast Vergessene
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Hubert „Oiwonger“
Aiwanger, der aber sowas von lebt, obwohl nichts los ist mit den Freien
Wählern.
Die Wahrheit: Literatur gegen Arschtrompeten
Damit es auch bei Schreibblockaden so richtig flutscht: Schriftsteller und
ihre Treibstoffe. Eine kleine Revue mit tanzenden Rauschmitteln aller Art.
Die Wahrheit: Der Supertopallesverchecker
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Friedrich Merz, der
Schwerphilosoph und Fastschonbundeskanzler aus dem Sauertopfland.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.