# taz.de -- Die Wahrheit: Der Feierabendlandmann | |
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Johann „Arbeitslos“ | |
> Wadephul, Bundesaußentürsteher mit viel, viel Zeit zum Nichtstun. | |
Bild: Will immer nur schnell nach Hause: Johann Wadephul | |
Der Kalender läuft jeden Tag über, so dicht schaufeln sich Johann Wadephuls | |
Termine übereinander. Das geht schon um sechs Uhr Stück für Stück los: | |
Aufwachen, bald danach aufstehen, anschließend waschen, daraufhin Radio | |
einschalten, dazu frühstücken und den Auslandsteil der Zeitung | |
überschlagen, ein Berufspolitiker kann nämlich alle drei Sinnesorgane – | |
Ohr, Auge und Mund – mühelos in der Waage halten. Acht Uhr: Ankunft im Büro | |
nach Fahrt zu demselben. Jackett ablegen, Platz nehmen, tief einatmen, | |
ausatmen. Prima. | |
Neun Uhr: Kaffeepause. Telefonisches Interview mit dem Stadtradio | |
Großkaufungen (Nordhessen) über die Lage im Nahen Osten, weil Friedrich | |
Merz den Termin abgesagt hat und stattdessen selber nach Ägypten und Oman | |
geflattert ist. Danach Tischkicker mit dem Staatssekretär, weil auch der | |
Außentermin an der von Asylsuchenden überlaufenen deutsch-polnischen Grenze | |
bereits von Alexander Dobrindt auf die Hörner genommen wird. | |
Wir brechen hier ab. Erwähnen lediglich drei weitere Höhepunkte dieses | |
Tages: erstens den Rundgang durch das Auswärtige Amt mit dem Praktikanten | |
des Nesselröder Wochenblatts, zweitens die Videoschalte mit dem | |
Mallorquiner „Feuchtfröhlichen Ferienfernsehen“ und drittens eine klärende | |
Auseinandersetzung mit der Putzkolonne aus Syrien, weil: Außenminister. | |
Deshalb kann er auch nicht den lieben langen Tag in seinem alten, mürben | |
Schulatlas blättern oder mit dem Attaché irgendeiner Botschaft | |
Stadt-Land-Fluss spielen. Na ja, kann er schon. | |
Da wurde er also extra 63, um nach 60 Jahren der erste christdemokratisch | |
eingelochte Außenminister der Bundesrepublik Deutschland zu werden – und | |
nun glitscht ihm der Globus aus den Händen. Da kämpfte und strampelte er | |
sich aus dem knochenharten Norden, wo der Himmel so flach ist wie die | |
Menschen, von Husum über Kiel bis nach Berlin, um endlich, nach Jahren auf | |
der Hungerbank, sich die stolze Rüstung eines Bundesministers und | |
Außenpolitikers überzustülpen – und steht nun in Deutschland herum wie | |
bestellt und nicht abgeholt. | |
## Palme am Revers | |
Dabei war er schon 1982 mit 19 Lenzen in die CDU geschlüpft, hatte die | |
Junge Union von unten nach oben durchwandert, bis ihm 1992, mit | |
frühlingshaften 29, die Palme des Schleswig-Holsteiner Landesvorsitzenden | |
ans Revers geheftet wurde. Damit fast schon als Erwachsener anerkannt, | |
musste er nur noch ein Jahr reifen und wurde 1993 in den Landesvorstand der | |
CDU eingepflanzt. | |
Er trieb weiter aus, wurde Generalsekretär, wurde Landesvorsitzender, wurde | |
Befehlshaber der CDU-Fraktion im Kieler Landtag. Doch dann, quasi aus dem | |
Nebel kommend, rollte ein dicker Findling namens Peter Harry Carstensen | |
über ihn hinweg und bekam 2005 die Krone des Ministerpräsidenten | |
aufgeschraubt! | |
Der Schreck saß Wadephul tief unter der Haube. Doch am Ende erlangte er das | |
Bewusstsein wieder, ordnete seine Tüten und fand nach wenigen Jahren des | |
Dämmerns den Notausgang: Er schlängelte am nicht umwerfbaren Trumm | |
Carstensen vorbei und grub sich nach Berlin! Dort hatte er den Bundestag | |
ausfindig gemacht und tauchte 2009 in seinem Inneren auf. Damit hatte er | |
Carstensen überholt, ohne ihn einzuholen, und bohrte sich weiter voran. | |
## Sitzen als Kunst | |
Das Sitzen beherrschte er schon als Landesvorsitzender seiner Partei und | |
seit 2006 auch als Kreisvorsitzender der CDU Rendsburg-Eckernförde. Jetzt | |
hob er diese Kunst auf bundespolitisches Niveau und kaute als fest | |
sitzendes Mitglied in wechselnden Ausschüssen mit wechselnden Kollegen | |
wechselnde Themen durch. Das ging bis 2025 gut. | |
Wadephul hatte nämlich einen Schwerpunkt, und der hieß verflixt und | |
zugenäht Verteidigung, weil er selbst vier Jahre lang die Mütze getragen | |
hatte, und ergo bleigenau Außenpolitik, also Europa, aber mindestens! | |
Dummerweise genau wie Merz, der wegen Merkel und Scholz 20 Jahre in der | |
Abstellkammer saß und jetzt Nachholbedarf hat, sich die große weite Welt um | |
die kleinere Nase wehen lassen will. Deshalb konnte Merz ihn, Wadephul, nur | |
zum Strohmann machen, während er und seine andere Hälfte Dobrindt die | |
Außenthemen einfach selbst in die erste Hand nahmen. | |
Schon in früheren Zeitaltern waren Kanzler- und Außenamt Konkurrenten wie | |
zuletzt der Scholz und die Baerbockin. Aber dass andere Leute auf dem | |
Globus herumreiten, während er, kurz vor Feierabend, mit sich selbst allein | |
ist, ja: dass ein Johann Walter David Rudolf Wadephul nur seine Däumchen | |
drehen kann, bestenfalls unklare Geräusche über das gefräßige Russland oder | |
über Israel und den Gazaklumpen ventilieren darf, solange nicht alle Toten | |
auf dem Tisch liegen und man warten muss, bis die Lage … bis das | |
Völkerrecht … bis dieser Merz … ach, was geht’s ihn an! | |
Warum also lange herummosern und -wüteln? 18 Uhr, Feierabend! | |
29 Jul 2025 | |
## AUTOREN | |
Peter Köhler | |
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