| # taz.de -- Investitionen der KfW: „Wir haben keine Macht“ | |
| > Menschenrechtsorganisationen kritisieren Versäumnisse beim Schutz von | |
| > Menschenrechten bei Deutschlands staatlicher Entwicklungsbank KfW. | |
| Bild: Indigene fürchten um die Zukunft der Delfine in der Bucht in Topolobampo… | |
| Berlin taz | Claudia Susana Quintero ist frustriert. Seit zwölf Jahren | |
| kämpft sie gegen den [1][Bau einer Ammoniak-Anlage im mexikanischen | |
| Topolobampo]. Das Vorhaben wird von der deutschen staatseigenen | |
| Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert, genauer gesagt der | |
| KfW-Tochter Ipex-Bank. | |
| „Wir haben keine Macht, wir können nichts ausrichten“, sagt Quintero | |
| vergangene Woche. Sie spricht an diesem Mittwoch virtuell zu | |
| Journalist*innen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft. Ein | |
| Zusammenschluss von über 100 Menschenrechtsorganisationen, die Coalition of | |
| Human Rights in Development, [2][hat einen Bericht veröffentlicht], der die | |
| Menschenrechtsstandards der KfW unter die Lupe nimmt. | |
| Die Gruppen werfen der KfW Nachlässigkeit vor: Häufig werde vor Ort die | |
| international anerkannte Vorgabe ignoriert, dass von Projekten betroffene | |
| Gemeinschaften im Voraus informiert und um Zustimmung gebeten werden | |
| müssen. Sie bemängeln fehlende Transparenz bei Informationen zu Projekten. | |
| Außerdem fehle eine Richtlinie, um Akteure vor Gewalt oder Repressionen zu | |
| schützen, wenn sie sich gegen Projekte wehren. | |
| Der Widerstand gegen die Ammoniakanlage ist so ein Fall. 2013 verkündet der | |
| mexikanische Gas- und Chemiekonzern GPO den Bau der Fabrik in Topolobampo | |
| am Golf von Kalifornien im Nordwesten Mexikos. Dort soll Ammoniak als | |
| Düngemittel verarbeitet werden. GPO ist beauftragt von der | |
| schweizerisch-deutschen Proman-Holding, die 1,2 Milliarden US-Dollar | |
| investiert, 860 Millionen davon stammen von der KfW, abgesichert durch | |
| Hermes-Exportgarantien der Bundesregierung. | |
| ## Gewalt gegen Indigene | |
| Quintero ist Indigene der Mayo-Yoreme. Früh mobilisiert sie Widerstand | |
| gegen das Projekt, 2015 gründet sie die Initiative ¡Aquí no! (spanisch für: | |
| Hier nicht!), um gegen die geplante Ammoniakanlage vorzugehen. Die soll in | |
| einem geschützten Feuchtgebiet entstehen – auf traditionellem Gebiet der | |
| Indigenen. Die Initiative befürchtet die Zerstörung der Natur und die | |
| Verunreinigung der Bucht durch den Bau. Außerdem sollen bis zu 75.000 | |
| Tonnen des gefährlichen Ammoniaks in der Fabrik gelagert und | |
| abtransportiert werden. | |
| „Die Bucht ist ein Schutzort für Haie, Delfine, Schildkröten und andere | |
| gefährdete Arten“, sagt Quintero. Zudem seien die Fischer auf die Bucht | |
| angewiesen. Aber nicht alle sind gegen das Projekt. In einer Konsultation | |
| 2022, die die Initiative gerichtlich erstritt, stimmten viele zu, die | |
| weiter weg wohnen. Laut der Umweltschützerin habe die Firma GPO die | |
| Gemeinschaft gespalten, „mit Geld, mit Versprechungen“. | |
| Und einige, die sich dem Projekt widersetzten, erfuhren Gewalt. Die Gegend | |
| ist für organisierte Kriminalität bekannt. Aktivist*innen erhielten | |
| Morddrohungen, wurden angegriffen. Laut Bericht sind einige von ihnen nun | |
| in einem staatlichen Schutzprogramm. Quintero trägt eine schusssichere | |
| Weste, sagt sie. Auch sie habe Gewalt wegen ihres Protests erfahren, ebenso | |
| wie ihr 18-jähriger Sohn. „Wir leben in Angst“, sagt sie. Angst vor der | |
| Gewalt, aber auch Angst vor der Zerstörung der Bucht. Eine Klage gegen das | |
| Projekt läuft noch. | |
| ## KfW beruft sich auf Bankengeheimnis | |
| Versuche, mit der KfW und der deutschen Botschaft in Kontakt zu treten, | |
| blieben erfolglos, sagt Quintero. Die KfW will sich auf Anfrage der taz | |
| nicht zu dem Projekt äußern. Eine Sprecherin verweist auf das | |
| Bankgeheimnis. Sie versichert, in der Bank sei „die Einhaltung der | |
| Menschenrechte und ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt- und | |
| Sozialrisiken selbstverständlich. Alle Finanzierungen der KfW und ihrer | |
| Tochtergesellschaften unterliegen Nachhaltigkeitsrichtlinien.“ Für Umwelt- | |
| und Sozialverträglichkeitsprüfungen seien 72 spezialisierte Expertinnen und | |
| Experten angestellt. | |
| Doch die Einsicht in diese und ähnliche Prüfungen gewährt die Bank häufig | |
| nicht. Die Menschenrechtsorganisationen Fian und Ecchr hatten [3][deswegen | |
| beim Verwaltungsgericht Frankfurt geklagt und 2022 Recht bekommen]. Das | |
| Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, weil die KfW Berufung eingelegt hat. | |
| Das Verfahren läuft noch. | |
| Topolobampo ist kein Einzelfall. Anna Würth vom Deutschen Institut für | |
| Menschenrechte sagt, der Fall reihe sich in weitere ein. Auch sie bemängelt | |
| fehlende Transparenz. „Viele Informationen, die Betroffene brauchen, um | |
| sich zu beschweren oder überhaupt vorab zu wissen, was mit einem | |
| Projektvorhaben auf sie zukommt, sind nicht öffentlich zugänglich.“ | |
| Beim Schutz der Zivilgesellschaft müsse es mehr Bemühungen geben, sagt | |
| Würth. Dabei erkennt sie die Schwierigkeit daran an. Viele Projekte werden | |
| in und mit Ländern umgesetzt, deren Regierungen die Zivilgesellschaft | |
| einschränkt oder auch mit Gewalt gegen sie vorgeht. Es brauche | |
| „Mechanismen, um Menschenrechtsaktivist*innen und Betroffene zu | |
| schützen“. Und auch die deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern | |
| sollten Ansprechpartner sein, wenn die Mechanismen vor Ort nicht greifen, | |
| meint Würth. | |
| 16 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ammoniakproduktion-in-Mexiko/!5882479 | |
| [2] https://rightsindevelopment.org/news/kfw-irresponsible-banking-new-report-o… | |
| [3] /Informationen-zu-Entwicklungsgeldern/!5897763 | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
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