# taz.de -- Naturschutzgebiete in Ecuador: Angst vor dem Ausverkauf | |
> Ein neues Gesetz soll die Naturschutzgebiete Ecuadors sichern. Doch | |
> Indigene fürchten, dass sie Privatisierung und Landraub Tür und Tor | |
> öffnen. | |
Bild: Ein Baumfrosch im Yasuni Nationalpark in Ecuador | |
Bogotá taz | Für die Befürworter:innen tut das neue „organische Gesetz | |
zur Stärkung der Schutzgebiete“ genau das, was sein Name verspricht. Für | |
Kritiker:innen ist es ein Schritt zum Ausverkauf der Schutzgebiete – | |
und tritt die Rechte der Indigenen Ecuadors mit Füßen. Ecuadors Parlament | |
hat das Gesetz im Schnellverfahren mit 80 zu 23 Stimmen beschlossen. | |
Unbestritten ist, dass Ecuadors Artenreichtum zu den größten der Welt | |
gehört – und dass seine Schutzgebiete Probleme haben. Mit rund 26 Millionen | |
Hektar umfassen sie 20 Prozent der Fläche des Landes und mehrere Dutzend | |
Ökosysteme. Von den Galapagosinseln über die Anden bis zum Amazonas. Dort | |
leben Indigene, teils noch unkontaktierte Völker. 2008 hat Ecuador die | |
Rechte der Natur in der Verfassung verankert. Doch illegaler Bergbau, | |
Abholzung und Wildtierhandel bedrohen die Natur. | |
[1][Präsident Daniel Noboa] rief bereits Anfang 2024 wegen der hohen | |
Drogenkriminalität im Land einen „bewaffneten inneren Konflikt“ aus. Nach | |
Ansicht der Regierung wird der mittlerweile auch in den Schutzgebieten | |
ausgetragen – in Form von illegalem Bergbau, der die dortige | |
[2][Einnahmequelle der organisierten Drogenkriminalität] sei. | |
586 Nationalparkwächter sollen die 26 Millionen Hektar beschützen – | |
deutlich zu wenige. Sie sind zudem seit Jahren unterbezahlt, überaltert und | |
ihre Arbeit wird immer gefährlicher. | |
## Neue Regeln für private und staatliche Gelder | |
Das Gesetz verspricht „Professionalisierung“, es soll gegen diese Bedrohung | |
zurückschlagen – mit besserer Verwaltung der Schutzgebiete, mehr Tourismus, | |
Polizei und Militär und Hilfe der Privatwirtschaft. Denn für den | |
Naturschutz brauche es mehr Geld. | |
Es schafft zwei neue Mechanismen: den „Nationalen Dienst der Schutzgebiete“ | |
(Servicio Nacional de Áreas Protegidas, SNAP), der die Schutzgebiete | |
zentral verwalten soll, und einen Treuhandfonds, mit dem der Dienst | |
finanziert werden soll. | |
Denn bislang fehlten Regeln, um Entwicklungsgelder und private | |
Investitionen in den Naturschutz zu stecken. Laut WWF stammen etwa 62 | |
Prozent des jährlichen Budgets der Schutzgebiete aus der internationalen | |
Kooperation. | |
Es fehle an Transparenz, wie diese eingesetzt würden, kritisiert Carlos | |
Mascabanda von der Naturschutzorganisation Amazon Frontlines gegenüber der | |
taz. Er ist Koordinator für Überwachung und Kartierung | |
Die Bundesregierung hat [3][trotzdem über die KfW] 7 Millionen Euro ans | |
ecuadorianische Umweltministerium für die Schutzgebiete überwiesen. | |
Ein Mechanismus, um die Gemeinschaften vor Ort an dem künftigen Fonds zu | |
beteiligen, ist nicht vorgesehen. Auch ist unklar, wer über die Verteilung | |
des Gelds bestimmt und die Umsetzung kontrolliert. | |
## Indigene sehr besorgt | |
Präsident Daniel Noboa hatte den Gesetzesvorschlag als „wirtschaftlich | |
dringlich“ eingestuft. Das bedeutet, dass das Parlament nur 30 Tage Zeit | |
hatte bis zur Abstimmung – sonst hätte Noboa es per Dekret durchgedrückt. | |
Es ist das vierte „wirtschaftlich dringliche“ Gesetz des Präsidenten – z… | |
haben bereits Klagen vor dem Verfassungsgericht anhängig. | |
Indigene Organisationen haben angekündigt, dass sie gegen das Gesetz vors | |
Verfassungsgericht ziehen werden. Amazon Frontlines behauptet, das Gesetz | |
sei mehrfach verfassungswidrig und verletze mindestens 15 internationale | |
Abkommen, die Ecuador ratifiziert hat – zum Schutz der Natur und der | |
Indigenen Völker. | |
Justino Piaguaje, Anführer der Siekopai und Territorialchef der Indigenen | |
Organisation der Siekopai in Ecuador NASIEPAI, spricht von einer | |
„historischen Wunde“, die die Verabschiedung des Gesetzes wieder | |
aufgerissen habe: „Dieses Gesetz öffnet privaten und kommerziellen | |
Interessen Tür und Tor, unsere Wälder, Flüsse und heiligen Gebiete zu | |
kommerzialisieren, Land, das wir seit Generationen mit unserem Leben und | |
unserer Seele geschützt haben. Es bedroht das Überleben indigener Völker.“ | |
Die Indigenen-Organisation CONAIE warnt vor „Militarisierung unter dem | |
Vorwand der Sicherheit“ im Zuge des Gesetzes. | |
Hinzu kommt noch ein Problem: Nach „sehr konservativen“ Schätzungen sind | |
mindestens 2 Millionen Hektar innerhalb der Schutzgebiete indigenes Land, | |
sagt Naturschützer Mazabanda. Landtitel besitzen sie jedoch: null. „Das | |
Umweltministerium hat sich systematisch geweigert, ihnen dieses Recht zu | |
garantieren.“ Der Gesetzestext lasse sich so auslegen, dass Mitspracherecht | |
an Landrecht geknüpft ist, das Indigenen oft fehlt. | |
## Interpretation liegt nun beim Präsidenten | |
Im Gesetz steht zudem: „Kein Projekt und keine Aktivität wird die | |
Privatisierung von Schutzgebieten erlauben.“ Aber auch: „Die Verwaltung der | |
Schutzgebiete kann direkt staatlich erfolgen oder mit privaten Verwaltern | |
über vertragliche Mechanismen.“ | |
Die Ausführungsverordnung, das „Reglamento“, das all die schwammigen | |
Stellen im Gesetz nachträglich präzisiert, wird die Exekutive erstellen. | |
An deren Spitze steht Präsident Noboa, der unter anderem eine Baufirma | |
gründete, die heute seine Frau dominiert – und die in einem Schutzgebiet | |
ein Luxusressort bauen wollte. Noboas Umweltministerin genehmigte die dafür | |
nötige Abholzung. Das Projekt wurde [4][nur wegen öffentliche Widerstands | |
gestoppt]. | |
14 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Ecuador-vor-der-Stichwahl/!6077883 | |
[2] /Mikel-Mesias-Gutierrez/!6094718 | |
[3] https://www.cepf.net/stories/kfw-provides-7-million-euros-conserve-ecuadors… | |
[4] https://elpais.com/america/2024-05-15/la-esposa-de-daniel-noboa-cancela-el-… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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