Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tätlicher Angriff auf Polizeibeamtin: Zu viel Widerstand geleistet
> Eine Demonstrantin wird zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie eine
> Polizistin getreten hat. Ein Video davon hat die Richterin sich nicht mal
> angesehen.
Bild: Wer denen wehtut, kann hart bestraft werden: Beamte in Montur vor einer S…
Hannover taz | In Hannover musste sich am Mittwoch eine junge Frau vor dem
Amtsgericht verantworten, weil sie am Rande einer Demo heftigen Widerstand
gegen Polizeibeamte geleistet und dabei eine Polizistin getreten hatte.
[1][Dass solche Fälle überhaupt vor Gericht landen], ist eher selten: Meist
werden sie mit einem Strafbefehl erledigt. Das hatte die zuständige
Richterin auch in diesem Fall vor. Doch die junge Frau legte über ihre
Rechtsanwältin Einspruch ein, weil ihr der Tagessatz, zu dem sie verurteilt
wurde, zu hoch erschien. 120 Tagessätze über 80 Euro, also insgesamt 9.600
Euro sind eine Menge Geld für jemanden, der gerade erst eine Ausbildung in
der Pflege begonnen hat.
Die kurze Verhandlung wirft allerdings auch ein interessantes Schlaglicht
darauf, wie rasch und oberflächlich solche Fälle sonst abgehandelt werden.
Den Grundvorwurf hat die Angeklagte dabei gar nicht bestritten. Es geschah
am Rande der Demo z[2][um Gedenken an Halim Dener], der 1994 in Hannover
von einem Polizisten erschossen wurde, nachdem der ihn beim Plakate kleben,
für eine Unterorganisation der verbotenen PKK erwischt hatte.
Die 22-Jährige – so schildert es der Staatsanwalt – soll sich dabei einer
Polizeikette von hinten genähert haben. Ein Polizist soll sie daraufhin
aufgefordert haben, zu den anderen Demonstranten auf die Limmerstraße
zurückzukehren und sie in diese Richtung geschoben haben. Sie weigert sich,
weicht aus, will weiter in die andere Richtung laufen.
## Straftaten gegen die Polizei werden härter bestraft
Ein zweiter Beamter kommt hinzu und hilft nach, die junge Frau stolpert und
fällt einer weiteren Beamtin in den Rücken. Daraufhin entspinnt sich ein
Gerangel, bei dem die Beamten versuchen, sie am Boden zu fixieren, während
sie um sich tritt und dabei mehrfach die Polizeibeamtin trifft, der sie
auch schon in den Rücken gefallen ist. Die habe sogar noch versucht, sie zu
beschwichtigen, vergebens. Auch wenn es dabei zu keinen schlimmeren
Verletzungen kam, ist so etwas ein tätlicher Angriff.
Der entsprechende Paragraf ist in den vergangenen Jahren zweimal verschärft
worden, 2011 und 2017. Beide Male ging dem [3][eine längere politische
Debatte über die steigende Anzahl] an Angriffen auf Polizeibeamte und
andere Einsatzkräfte voraus – die übrigens auch nach der Strafverschärfung
nicht gesunken ist.
Der aktuelle Strafrahmen sieht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu
fünf Jahren vor. Im Einzelfall können auch Geldstrafen verhängt werden. Die
liegen dann aber über 90 Tagessätzen, was bedeutet, dass man vorbestraft
ist.
Umstritten ist diese Regelung vor allem, weil hier oft eine Aussage gegen
Aussage-Konstellation vorliegt, die nur deshalb regelmäßig zu
Verurteilungen führt, weil Gerichte den [4][Aussagen der Polizeibeamten
grundsätzlich mehr Glauben schenken] als anderen Zeugen oder Beweismitteln.
So scheint es auch hier gewesen zu sein: Nein, bekennt die Amtsrichterin in
der Verhandlung freimütig, das Video von dem Vorfall habe sie sich gar
nicht angesehen – weder bevor sie den Strafbefehl erlassen hat, noch vor
dieser Verhandlung.
## Richterin bestellte der Schwarzen Deutschen Dolmetschung
Wenn sie das getan hätte, bemerkt die Anwältin der Beschuldigten spitz,
hätte sie sich unter Umständen einen peinlichen Fauxpas erspart. Das
Gericht hatte nämlich eine Französischdolmetscherin bestellt, obwohl es mit
einem Blick in die Akte hätte feststellen können, dass die junge Schwarze
Frau in Deutschland geboren wurde und die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt. Auf dem Video soll außerdem zu hören sein, dass sie fließend
Deutsch spricht. „Ich habe nur auf den Aktendeckel geguckt und da stand
Togo“, erklärt die Richterin achselzuckend.
Den tätlichen Angriff erklärt die Anwältin im Übrigen mit der Überforderung
ihrer Mandantin. Kurz zuvor hätte ein Polizeibeamter sie genau in die
entgegen gesetzte Richtung geschickt, die junge Frau sei Autistin und mit
der lärmigen, unübersichtlichen Gesamtsituation und den körperlichen
Berührungen nicht klargekommen. Auch im Gerichtssaal wirkt sie äußerst
angespannt, ihre Beine zittern, auf die Anwesenheit der als Zeugen
geladenen Polizeibeamten reagiert sie mit Tränen.
Zudem macht ihre Anwältin geltend, sei die Strafe schon deshalb viel zu
hoch angesetzt, weil ihr von ihrem schmalen Azubi-Lohn nach Abzug der Miete
kaum mehr als das Existenzminimum bliebe. Man solle sich eher an dem
Tagessatz orientieren, der bei Bürgergeldempfängern üblich wäre. Ganz so
weit heruntergehen wollte die Richterin dann aber nicht. Sie folgte mit
ihrem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Tagessatz auf 30 Euro
festzulegen. Damit muss die 22-Jährige nun nur noch 3.600 Euro aufbringen.
2 Oct 2025
## LINKS
[1] /Angeblicher-Angriff-auf-Beamte/!5895590
[2] /Polizeiopfer-Halim-Dener/!5944003
[3] /Gesetzentwurf-zum-Schutz-von-Polizisten/!5401997
[4] /Angeblicher-Angriff-auf-Beamte/!5895590
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Polizeigewalt
Niedersachsen
Demonstrationen
Polizeigesetz
Hannover
Reden wir darüber
Social-Auswahl
Kurden
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Polizeiopfer Halim Dener: Ein kleines bisschen Erinnerung
Lange schon wird in Hannover um das Gedenken an den erschossenen Halim
Dener gerungen. In einem Jahr, zum 30. Todestag, soll es eine Infotafel
geben.
Angeblicher Angriff auf Beamte: Polizisten beim Lügen erwischt
Ein Feuerwehrmann, dem die Polizei Körperverletzung vorgeworfen hatte, ist
freigesprochen worden. Ein Video zeigt: Die Vorwürfe waren haltlos.
Gesetzentwurf zum Schutz von Polizisten: Bei Schubsen Knast
Polizisten sollen per Gesetz besser geschützt werden. Doch nicht nur die
Zahlen, auf denen der Vorstoß beruht, sind mit Vorsicht zu genießen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.