Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Emanuel Pârvus Spielfilm über Homophobie: Sie wollen den Sohn hei…
> Der rumänische Regisseur Emanuel Pârvu erzählt in seinem neuen Film „Drei
> Kilometer bis zum Ende der Welt“ von Homophobie auf dem Land.
Bild: Vermeintliches Idyll auf dem Land: Adi (Ciprian Chiujdea) nach einem Übe…
Adrian (Ciprian Chiujdea) geht in der Kreisstadt Tulcea, im Südosten
Rumäniens, zur Schule. Die Sommer verbringt er bei seinen Eltern ein paar
Kilometer weiter östlich in einem Dorf im Donaudelta, das Schwarze Meer
direkt vor der Haustür. Nach einem Sommertag am Strand ist er mit einem
jungen Studenten aus Bukarest, seinem Sommerschwarm, auf dem Weg nach
Hause. Vor der Unterkunft des Studenten nehmen die beiden Abschied und
küssen sich. Zwei junge Männer aus dem Dorf beobachten die beiden. Als Adi
allein weitergeht, überfallen sie ihn, schlagen ihn zusammen und stehlen
sein Handy. Adi schleppt sich verletzt nach Hause.
Als der 17-jährige Sohn seinen Eltern von dem Überfall berichtet, erzählt
er nur von dem Überfall, um sich nach dem homophoben Angriff wenigstens die
Konfrontation mit der Homophobie seiner Eltern zu ersparen. „Drei Kilometer
bis zum Ende der Welt“, der dritte [1][Langfilm des rumänischen Regisseurs
Emanuel Pârvu, feierte letztes Jahr auf dem Filmfestival in Cannes seine
Premiere] und wurde mit der Queeren Palme ausgezeichnet. Von Rumänien wurde
er zudem für den Oscar als bester internationalen Film nominiert.
Trotz seines Unwillens, den Dorffrieden zu stören, findet der Chef der
Polizei im Dorf schnell die beiden Täter. Es sind die Söhne eines
Dorfhonoratioren mit guten Verbindungen zu den lokalen Behörden. Erst durch
die Aussage der beiden Söhne wird der Polizei und später auch den Eltern
klar, dass ihr Sohn gezielt angegriffen wurde. Mit dieser Information
vertauschen sich für die Eltern Täter und Opfer – das Augenmerk der Eltern
wechselt von der Suche nach den Angreifern zu Versuchen, ihren Sohn „zu
heilen“, ihn wieder zu einer Projektionsfläche für ihre eigenen Wünsche zu
machen und dafür zu sorgen, dass er ihrem Ansehen im Dorf nicht schadet.
## So schnell wie möglich weg
Ihre Überforderung führt dazu, dass sie ihren Sohn als Mensch komplett aus
den Augen verlieren. Die Einzige, die sich dafür interessiert, wie es
Adrian geht, ist Ilinca, eine Freundin Adrians aus dem Dorf. Adrian selbst
will eigentlich nur noch so schnell wie möglich weg.
Emanuel Pârvu begann seine Filmkarriere als Schauspieler in Filmen von
Constantin Popescu, [2][Cristian Mungiu] und Adrian Sitaru, bevor er 2017
nach einigen Kurzfilmen mit „Meda or the Not So Bright Side of Things“ sein
Debüt als Langfilmregisseur gab. Der Film gewann auf dem Filmfestival in
Sarajevo den Preis für die beste Regie und sein Hauptdarsteller Șerban
Pavlu den Preis als bester Darsteller.
Wie bei den beiden vorangegangenen Filmen merkt man auch „Drei Kilometer
bis zum Ende der Welt“ an, dass Pârvu im Schauspiel und der
Schauspielführung mehr zu Hause ist als in originelleren Formen der
Filmregie. „Drei Kilometer“ ist sehr klassisch inszeniert, linear erzählt,
naturalistisch in der Inszenierung. Die Holzpfosten in der Hütte seiner
Eltern sind frisch pittoresk hellblau gestrichen, die Tarnfleckhose des
Vaters hübsch staubfrei.
## Etwas unentschieden
Mehr als ein paar Auslassungen in der Erzählung, so erspart er seinen
Zuschauer_innen die Bilder der Gewalttat am Anfang des Films, gönnt der
Regisseur sich und uns nicht – und auch die Geschichte fühlt sich
stellenweise sehr bekannt an. Homophobe Gewalt ereignet sich im
europäischen Arthousekino vorzugsweise auf dem Land, was die Städte
gleichermaßen der Landbevölkerung als Projektionsfläche eines liberalen
Molochs überlässt und der queeren Jugend als Ort der Utopie. Das größte
Problem des Films ist aber, dass er sich nicht wirklich entscheidet, ob er
die Geschichte von Adrians Selbstbefreiung von seiner Herkunftsfamilie
beschreibt oder die Strukturen, die homophobe Gewalt hervorbringen und
allzu oft ungestraft lassen.
„Drei Kilometer bis zum Ende der Welt“ ist solides Problemkino über
homophobe Gewalt, dieses Mal in Rumänien. Thematisch ist es richtig und
wichtig, sich auch im Kino vor Augen zu halten, wie sehr und an wie vielen
Orten der Welt queeres Leben von Gewalt bedroht ist – auch in Berlin
hangelt sich die Anzahl queerfeindlicher Gewalttaten Jahr für Jahr von
einem traurigen Höhepunkt zum nächsten. Filmisch wäre noch einige Luft nach
oben.
24 Sep 2025
## LINKS
[1] /Filmfestspiele-in-Cannes/!6008918
[2] /Filmfestspiele-von-Cannes/!5853593
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Rumänien
Queer
Rezension
Queer cinema
Schwerpunkt LGBTQIA
Film
Film
taz Plan
Fotojournalismus
Film
Kino
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regisseurin über Debütfilm zu Missbrauch: „Die Geschichte ist schon emotion…
In ihrem Spielfilmdebüt „Karla“ erzählt die Regisseurin Christina
Tournatzes von einem wahren Kindesmissbrauchsfall und der Würde der
Figuren.
Kinotipp der Woche: Die Ausnahmeschauspielerin
Das Zeughauskino zeigt Filme der ukrainischen Schauspielerin Anna Sten, die
es nach Hollywood zog, darunter der verschollen geglaubte „Moi Syn“ von
1928.
Fotos von weltpolitischer Größe: Ein ganzes Jahrhundert auf Film
1979 reiste der jüdische Fotograf Alfred Eisenstaedt nach Berlin – und
hielt fest, was von der alten Heimat blieb. Eine Würdigung zum 30.
Todestag.
Doku über Homosexualität in Kamerun: Suchen gegen alle Widerstände
Wer sich engagiert, muss mit Repression rechnen: Der Dokumentarfilm „Code
der Angst“ von Appolain Siewe geht der Homophobie in Kamerun nach.
Radu Jude über seinen neuen Film: „Ich will ganz ohne Geschmack sein“
Der rumänische Regisseur Radu Jude hat eine schwarze Komödie gedreht. Er
erzählt, wie er Trash und Hochkultur zu einer eigenen Form verbindet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.